Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...
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Neben sozialräumlichen Bedarfen <strong>und</strong><br />
Fragen nach adäquaten Angeboten für<br />
verschiedene Zielgruppen <strong>Frühe</strong>r <strong>Hilfen</strong><br />
ist die Bearbeitung von Schnittstellen -<br />
fragen zwischen Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>und</strong><br />
Jugendhilfe relevant. Über das Ges<strong>und</strong> -<br />
heitssystem bestehen breite Zugänge zu<br />
allen Familien mit Kindern. Familien<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> werden über<br />
diese Regelstruktur versorgung prinzipiell<br />
gut erreicht, da Zugänge über diesen<br />
Weg selbstverständlich <strong>und</strong> nicht stigmatisierend<br />
sind. Ein spezifischer Zugang<br />
des Ges<strong>und</strong>heitswesens zu Familien mit<br />
Kindern sind die <strong>Frühe</strong>rkennungs unter -<br />
suchungen. Familien mit Migrations hin -<br />
ter gr<strong>und</strong> haben diese Vorsorge leis tun gen<br />
bislang in geringerem Maße in An spruch<br />
genommen. Durch ein verbind liches Einladungswesen<br />
gleichen sich die Teil nah -<br />
mequoten an. Die explizite Infor ma tion<br />
<strong>und</strong> Einladung verdeutlicht in diesem<br />
Zusammenhang den Stellen wert, der der<br />
Vorsorgeuntersuchung beigemessen wird<br />
(vgl. Thyen 2010). Zusammen fas send<br />
zeigt sich für den Ges<strong>und</strong> heits bereich,<br />
dass dieser in der Regel im Ver gleich zur<br />
Jugendhilfe ein geringeres Pro blem bzgl.<br />
Zugängen zu Familien mit Migrations -<br />
hintergr<strong>und</strong> hat. Da weiterführende Be -<br />
ratungs- <strong>und</strong> Unterstüt zungs leis tun gen<br />
in der Regel jedoch nicht in den Leis -<br />
tungs bereich der Ges<strong>und</strong>heitshilfe fallen,<br />
gibt es in diesem Zusammenhang bislang<br />
ein Verweisungs- bzw. Schnitt stellen -<br />
problem zur Umset zung <strong>Frühe</strong>r <strong>Hilfen</strong>.<br />
Wichtig ist darum, Zugänge zur Jugend -<br />
hilfe in der Ko ope ration jeweils struk -<br />
turell zu klären <strong>und</strong> gleichzeitig die eigen -<br />
ständigen Wege hin zu Angeboten der<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe zu stärken.<br />
Niedrigschwellige Zugänge zu Fa mi lien<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong> im Kon text<br />
der Jugendhilfe erfolgen in der Regel<br />
über sozialräumliche Angebote, die dort<br />
angesiedelt sind, wo Kinder <strong>und</strong> Eltern<br />
sich alltäglich aufhalten bzw. persönliche<br />
Anknüpfungspunkte haben. Offene Treffs,<br />
Elternnachmittage oder -kurse im nahen<br />
Wohnumfeld, Angebote der Eltern bil dung<br />
in der Kinder tages stätte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong> -<br />
schule (z.B. zur Sprach för derung oder<br />
Informationen zum Bil dungs- <strong>und</strong> Ge -<br />
s<strong>und</strong> heitswesen) sowie Angebote von<br />
Mi granten organisa tionen bzw. der Com -<br />
munity eröffnen hier entsprechende Op -<br />
tio nen. Frühzeitige persönliche Kontakte<br />
zu Familien zielen darauf, Bezüge <strong>und</strong><br />
20<br />
Zielgruppen, Zugänge <strong>und</strong> Wirksamkeit<br />
Be ziehungen aufzubauen, die im Be darfs -<br />
fall Möglichkeiten eröffnen, Infor ma tio -<br />
nen zu Förder- <strong>und</strong> Hilfe möglich keiten<br />
adäquat weiterzugeben <strong>und</strong> eine Basis<br />
für die Zusammenarbeit mit der Familie<br />
zu schaffen. Für Familien mit Migra tionshintergr<strong>und</strong><br />
stellt sich somit, genauso<br />
wie für alle anderen Familien, die Frage,<br />
wie diese persönlichen Bezüge <strong>und</strong> Infor -<br />
mationen zum Hilfesystem eröffnet werden<br />
können. Schlüssel personen <strong>und</strong> Mul -<br />
ti plikatoren aus dem jeweiligen Umfeld<br />
der Familien spielen hier eine entscheidende<br />
Rolle. Diese Personen gilt es je weils<br />
im Kontext der Regel institu tio nen, im<br />
Sozialraum sowie im Rahmen sozialer<br />
Netzwerke <strong>und</strong> ehrenamtlicher Struk tu ren<br />
zu identifizieren <strong>und</strong> in die Aus gestal -<br />
tung von <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> einzubeziehen.<br />
Die Beteiligung <strong>und</strong> Aktivierung der<br />
AdressatInnen selbst ist neben Zugangs -<br />
aspekten ein wichtiger Qualitätsstandard<br />
bei der Planung <strong>und</strong> Schaffung von An -<br />
geboten <strong>und</strong> Infrastruktur. Zum einen<br />
geht es darum, durch entsprechende Par -<br />
ti zipationsprozesse Hinweise zu Bedar fen<br />
<strong>und</strong> der passgenauen Ausgestal tung zu<br />
erhalten. Zum anderen geht es aber auch<br />
um Befähigungs- <strong>und</strong> Ermächtigungs -<br />
prozesse, damit junge Menschen <strong>und</strong><br />
ihre Eltern sich als selbstwirksam erleben<br />
können. Beteiligung kann über die Ein -<br />
bindung von Vereinen <strong>und</strong> Orga nisa tio nen<br />
erfolgen, in denen sich MigrantIn nen<br />
selbst organisieren. Aber auch das aktive<br />
Einbeziehen von Eltern im Rah men der<br />
unmittelbaren Arbeit hat wichtige Funk -<br />
tionen <strong>und</strong> Signal wirkun gen. Eine we -<br />
itere Option der Ein bin dung ist die Qua -<br />
li fikation von Müttern <strong>und</strong> Vätern (mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong>) als Multipli ka to -<br />
ren im Rahmen von <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong>.<br />
Anforderungen <strong>und</strong><br />
Entwicklungsperspektiven<br />
Die Ergebnisse der Datenerhebung <strong>und</strong><br />
Diskussionen im Rahmen des Ex per tIn -<br />
nengesprächs zeigen, dass es zur Stär kung<br />
von migrationssensiblem Kin der schutz<br />
<strong>und</strong> <strong>Frühe</strong>n <strong>Hilfen</strong> verstärkter An stren -<br />
gun gen auf mehreren Ebenen bedarf.<br />
So zeigt die Überrepräsentanz von<br />
Familien in prekären Lebenslagen in Zu -<br />
sammenhängen des <strong>Kinderschutz</strong>es, dass<br />
der Ausbau einer niedrigschwelligen<br />
IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />
Infrastruktur von Hilfe- <strong>und</strong> Unter stüt -<br />
zungs leistungen im nahen Lebens umfeld<br />
der Familien von zentraler Be deutung<br />
ist. Müttern <strong>und</strong> Vätern in schwierigen<br />
Lebenslagen müssen Optio nen eröffnet<br />
werden, sodass sie mit den alltäglichen<br />
Anforderungen der Lebens bewältigung<br />
besser umgehen können <strong>und</strong> in der Aus -<br />
übung ihrer Elternrolle Unter stüt zung<br />
erfahren. Um diese Mög lichkeiten bereitzustellen,<br />
braucht es zum einen ausreichen -<br />
de Angebote im jeweiligen Sozial raum.<br />
Zum ande ren braucht es Fach kräfte <strong>und</strong><br />
Multiplikatoren, die im un mittelbaren<br />
Umfeld der Familien präsent sind <strong>und</strong><br />
denen es gelingt, ein Ver trau ens ver hält nis<br />
zu Eltern <strong>und</strong> jungen Men schen auf zu -<br />
bauen, um entsprechende Zugänge zu Unterstützungs-<br />
<strong>und</strong> Hilfe leistungen schaf fen<br />
zu können.<br />
Damit sich auch Familien mit Migra -<br />
tionshintergr<strong>und</strong> adäquat durch Ange bo -<br />
te <strong>und</strong> Hilfeleistungen angesprochen<br />
fühlen <strong>und</strong> das Handeln von Fachkräften<br />
migrationssensibel ausgerichtet ist, sollte<br />
die Umsetzung der interkulturellen Öffnung<br />
<strong>und</strong> Kompetenz innerhalb der Kin -<br />
der- <strong>und</strong> Jugendhilfe <strong>und</strong> des Ge s<strong>und</strong> -<br />
heitswesens strukturell verankert <strong>und</strong><br />
durch entsprechende Entwick lungs pro zesse<br />
vorangetrieben werden. Sinnvoll ist es,<br />
entwickelte Maßnahmen auf ihre Wir kung<br />
hin zu überprüfen <strong>und</strong> entsprechende<br />
Datenkonzepte zu implementieren.<br />
Die im Rahmen der interkulturellen<br />
Öffnung eingeforderte Selbstreflexivität<br />
bezüglich eigener Werte <strong>und</strong> Normen,<br />
Erwartungshaltungen <strong>und</strong> Zuschrei bun gen<br />
wird in der Verbindung der Ein schät zung<br />
von Kindeswohl gefährdungen <strong>und</strong> der<br />
Arbeit mit Familien mit Migra tions hin -<br />
ter gr<strong>und</strong> doppelt relevant. Sowohl im<br />
Kontext des <strong>Kinderschutz</strong>es, als auch im<br />
Zusammenhang des Themas Migration<br />
stehen Fachkräfte erst einmal vor der<br />
Aufgabe des Hinterfragens von Zuschrei -<br />
bungen <strong>und</strong> Bewertungen bei der Sich -<br />
tung von Informationen. Dabei geht es<br />
im Wesentlichen um die Diffe ren zierung<br />
von beobachtbaren Fakten <strong>und</strong> Deu tungs -<br />
mustern hinsichtlich des Kinder schutzes.<br />
Darüber hinaus gilt es in jedem Ein -<br />
zel fall zu erarbeiten, was als fachlich<br />
notwendig einzuschätzen ist. In diesem<br />
Zu sammenhang müssen Fachkräfte<br />
unter scheiden, was als »normale« Varianz