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Migrationssensibler Kinderschutz und Frühe Hilfen - Nationales ...

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Anhand dieser Ebenendifferenzierung<br />

soll im Weiteren dargestellt werden, welche<br />

Wege in der kommunalen Praxis gegangen<br />

werden <strong>und</strong> welche Schwierig keiten <strong>und</strong><br />

Herausforderungen damit verknüpft sind.<br />

Die drei Ebenen der Kooperation <strong>und</strong><br />

Vernetzung im <strong>Kinderschutz</strong><br />

Begriffe wie Kooperation <strong>und</strong> Netz werke<br />

haben – nicht nur im Kinder schutz –<br />

Konjunktur <strong>und</strong> bleiben doch in ihren<br />

konzeptuellen Konturen un scharf.4 Welche<br />

besonderen Merkmale ein Kin der schutz -<br />

netzwerk aufweist, welche Akteure daran<br />

beteiligt <strong>und</strong> welche Zielstellungen<br />

damit verfolgt werden sollten, sind viel<br />

diskutierte Fragen, die jedoch kaum<br />

in einen umfassenden Zusammenhang<br />

strategisch-programmatischer Kinder -<br />

schutz entwicklung eingebettet sind. Eine<br />

theoretisch-konzeptuelle Debatte über<br />

die gr<strong>und</strong>legende Frage der Kooperation<br />

zwischen spezialisierten Berufssystemen,<br />

die über sehr unterschiedliche Koopera -<br />

tionserfahrungen <strong>und</strong> -logiken verfügen,<br />

gleichzeitig aber alle mit steigenden<br />

Er wartungen <strong>und</strong> immer knapper werdenden<br />

Ressourcen umgehen (lernen)<br />

müssen, wird kaum geführt. Eine – bislang<br />

nur in wenigen Ansätzen vorliegende –<br />

Forschung über die Voraus set zun gen,<br />

Prozesse, Wir kun gen <strong>und</strong> Neben wir kun -<br />

gen von Koope ra tion <strong>und</strong> Vernetzung im<br />

<strong>Kinderschutz</strong> würde wichtige Erkennt -<br />

nisse hervorbringen <strong>und</strong> wertvolle An reize<br />

zur Weiter entwicklung der Praxis geben.5<br />

Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung<br />

auf der Ebene der Fallarbeit<br />

Auf dieser Ebene sind wohl die meisten<br />

Bemühungen um eine verbesserte<br />

Zu sam menarbeit zu beobachten. Gerade<br />

die erhöhte mediale <strong>und</strong> fachpolitische<br />

Öf fent lichkeit bei äußerst dramatischen<br />

<strong>Kinderschutz</strong>fällen, vor allem aber viele<br />

verstärkt als problematisch wahrgenommene<br />

Fallverläufe in den Kommunen<br />

selbst haben so gut wie überall zu einer<br />

Intensivierung der fallmethodischen Ar -<br />

beit geführt. Dabei spielt die Frage der<br />

Zusammenarbeit zwischen den beteiligten<br />

Fachkräften, aber auch mit den Fa milien,<br />

eine entscheidende Rolle. Es gibt viele<br />

Bemühungen von Fachkräften der öffentlichen<br />

<strong>und</strong> freien Kinder- <strong>und</strong> Ju gend -<br />

hilfe <strong>und</strong> den beteiligten medizinischen<br />

Einrichtungen, Schulen <strong>und</strong> Kin der -<br />

38<br />

Strukturen <strong>und</strong> Finanzierung<br />

tages einrichtungen, im Einzelfall zu einer<br />

gemeinsamen Problemklärung zu gelangen.<br />

Hierbei wird jedoch oft deutlich, wie in<br />

jedem neuen Fall um ein gemeinsames,<br />

multiprofessionelles Fall ver ständ nis ge run -<br />

gen werden muss <strong>und</strong> wie unklare Auf -<br />

träge, gegensätzliche Interessenlagen <strong>und</strong><br />

unreflektierte habituelle Differenzen zu<br />

Spannungen <strong>und</strong> professionellen Asym -<br />

metrien, zu Kämp fen um Status <strong>und</strong> Deutungsmacht<br />

führen (vgl. Heinitz 2009).<br />

Die dabei aufeinandertreffenden <strong>und</strong> oftmals<br />

als konfliktreich empf<strong>und</strong>enen Ge -<br />

fährdungs einschätzungen sind in vielen<br />

Fällen ein Spiegelbild der in den Familien<br />

vorherrschenden Probleme, die sich auf<br />

das Hel fer system übertragen – oder auch<br />

umgekehrt. Die Sichtweisen der einzelnen<br />

Akteure bleiben bei solchen gemeinsamen<br />

Problemklärungen also oft unverb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> stellen lediglich disparate Bruch stücke<br />

des Verstehens einer versuchten Zusam -<br />

men arbeit auf der Fall ebene dar. Gemeinsame<br />

Fallarbeit bedeutet dann zumeist<br />

nur die Weitergabe von Infor ma tionen<br />

<strong>und</strong> die Klärung von Verant wortlich kei ten.<br />

Sie baut aber nicht auf einem gemein sa -<br />

men Fallverständnis <strong>und</strong> einem sich daran<br />

anschließenden Fall klä rungsprozess auf.<br />

Über diese rein auf den konkreten Anlass<br />

<strong>und</strong> die un mittelbaren Erfordernisse des<br />

jeweiligen Falls bezogene Zusammen ar beit<br />

hinaus gibt es bisher nur ansatzweise For -<br />

men, gemeinsam über einen problema -<br />

tischen – oder auch einen gelingenden –<br />

Fall verlauf ins Ge spräch zu kommen.<br />

Eine multiprofessionelle Reflexion des<br />

Zu sam menwirkens der Fachkräfte mit<br />

den Fa mi lien findet nur selten statt: Die<br />

Chan cen mehrperspektivischer Fall arbeit<br />

(vgl. Müller 2009; Kleve 2008) bleiben,<br />

nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> mangelnder fachlicher<br />

<strong>und</strong> struktureller Vorraus setzungen<br />

<strong>und</strong> einer er höhten Arbeits belastung<br />

aller Betei lig ten, häufig ungenutzt. Dass<br />

aber genau solch eine multiprofessio nelle<br />

Fall analyse unter der Be teiligung von<br />

Eltern neue Perspek tiven ermögli chen<br />

<strong>und</strong> gemeinsames Lernen anstoßen kann,<br />

war eine der zentralen Erkennt nisse<br />

vieler Fachkräfte in den QE-Werk stätten.<br />

Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung<br />

auf der Ebene der Organisationen<br />

Obgleich verstärkte Bemühungen zu<br />

beobachten sind, die unterschiedlichen<br />

Einrichtungen der Kindertageserziehung,<br />

der Erziehungshilfen, der Kliniken <strong>und</strong><br />

der Polizei, der Angebote der frühen <strong>und</strong><br />

IzKK-Nachrichten 2010-1: <strong>Kinderschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Frühe</strong> <strong>Hilfen</strong><br />

präventiven <strong>Hilfen</strong> sowohl fallbezogen als<br />

auch strukturell miteinander in Kon takt<br />

zu bringen, werden aus der Praxis auch<br />

hier immer wieder Enttäuschungen <strong>und</strong><br />

Frustrationen beschrieben. Dabei werden<br />

Aspekte wie die Intransparenz der beteiligten<br />

Einrichtungen, Interes sen konflikte,<br />

mangelndes Wissen um die Aufgaben der<br />

jeweiligen Partner, fehlende Verbind lich -<br />

keit <strong>und</strong> eine unzu rei chen de Gegen sei tig -<br />

keit der Koopera tions bemü hungen be -<br />

män gelt. So kommt es immer wieder zum<br />

Problem, eine »gemeinsame Sprache« zu<br />

finden, was auch ein Ergeb nis der Schwie -<br />

rigkeiten des Zusammen wirkens unterschiedlicher<br />

Organisatio nen ist, denn<br />

»<strong>Kinderschutz</strong> geschieht zwar durch Ein -<br />

zelne in Organisationen, prozes siert sich<br />

aber organisationell« (vgl. Bremen, Amt<br />

für Soziale Dienste 2009, S. 27).<br />

Welche Entscheidungen einzelne Ak -<br />

teu re (im Fallverlauf oder fallunabhängig)<br />

treffen können, hängt in bedeutendem Ma -<br />

ße auch von der Logik der eigenen Orga -<br />

nisation (der Hierarchie eines Amtes oder<br />

einer Klinik, der Orga nisa tions struk tur<br />

eines Freien Trägers oder der Praxis orga -<br />

ni sation eines niedergelassenen Arz tes) ab.<br />

Sie sind das Ergebnis des Zu sammen tref -<br />

fens organisationsspezifischer Interes sen,<br />

Ziele, Programme, Entschei dungs ab läufe<br />

<strong>und</strong> Methoden. Deshalb kommt es in der<br />

interorganisationalen Zusam men arbeit im<br />

kommunalen Kin der schutz auch immer<br />

wieder zu Hand lungs blocka den aufgr<strong>und</strong><br />

von Interessen- <strong>und</strong> Ziel kon flik ten der<br />

beteiligten Orga nisa tio nen. Es er wachsen<br />

Loyalitäts kon flikte bei den Fach kräften<br />

zwischen den Erfordernissen der eigenen<br />

Organisation <strong>und</strong> denen des Koopera tions -<br />

zusam men hangs (»Multiple Adhärenz«, vgl.<br />

San ten/Seckinger 2003), <strong>und</strong> es kommt<br />

zu Konflikten aufgr<strong>und</strong> von ungenügender<br />

Ressourcen aktivie rung für die Anfor de -<br />

run gen der Kooperation. Diese Schwie rig -<br />

keiten – <strong>und</strong> das belegen auch die Er -<br />

fahrungen des Projekts – kön nen als wie -<br />

derkehrende »f<strong>und</strong>amentale Funk tions -<br />

hemmnisse von Netz wer ken« (vgl. Schönig/<br />

Knabe 2010, S. 43) identifiziert werden.<br />

4 Für den Begriff des Netzwerks <strong>und</strong> seiner vielfältigen<br />

Nutzung (siehe bspw. Holzer 2006).<br />

5 Erste Ansätze hierzu liefern: Bremen, Amt für<br />

Soziale Dienste 2009; <strong>Nationales</strong> Zentrum <strong>Frühe</strong><br />

<strong>Hilfen</strong> (NZFH) 2010. Zur Notwendigkeit weiterer<br />

Forschungen in diesem Feld siehe Hünersdorf<br />

2010; Rietmann 2006.

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