Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
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Probleme des kollegialen Lernens <strong>in</strong> der Psychoanalyse: Narzißmus und Neugier 17<br />
2. Probleme von Organisationen<br />
Nicht alle<strong>in</strong> die Zeitschriften, sondern auch die Organisationen selbst<br />
fördern die Kommunikation. Doch leider verschärfen sie die mit Exklusivität<br />
und Isolation zusammenhängenden Probleme.<br />
Das analytische Establishment und die analytische Bewegung s<strong>in</strong>d<br />
nicht e<strong>in</strong> und dasselbe. Beide s<strong>in</strong>d lebendig und bilden e<strong>in</strong> symbiotisches<br />
wie auch rivalisierendes Paar. Das Establishment wird gebraucht, damit es<br />
e<strong>in</strong>en effizienten Austausch organisiert, die Ausbildung von den Idiosynkrasien<br />
e<strong>in</strong>es Lehrl<strong>in</strong>gswesen frei hält und Standards bewahrt. Es ist konservativ<br />
und muß konservativ se<strong>in</strong>. Die analytische Bewegung h<strong>in</strong>gegen<br />
kann alle etablierten Denk- und Handlungsweisen une<strong>in</strong>geschränkt h<strong>in</strong>terfragen.<br />
Sie ist subversiv und muß subversiv se<strong>in</strong>.<br />
Die Spannung zwischen Establishment und Bewegung ist e<strong>in</strong> Zeichen<br />
für Lebendigkeit; die Analyse gedeiht am besten, wenn beide <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
ausgeglichenen Verhältnis zue<strong>in</strong>ander stehen. Sobald das Establishment<br />
die Bewegung oder die Bewegung das Establishment erdrückt, nimmt<br />
das gesamte Feld Schaden. Wird das Establishment allzu mächtig, s<strong>in</strong>d<br />
Erstarrung und Entdeckungsarmut die Folge. Ist das Establishment<br />
allzu schwach, wird aus der Freiheit der analytischen Bewegung e<strong>in</strong>e Beliebigkeit<br />
mit laxer <strong>in</strong>tellektueller Diszipl<strong>in</strong> und wilder Analyse. E<strong>in</strong>e<br />
allzu große Schwäche der Bewegung wiederum führt zu konzeptueller<br />
Stagnation und schließlich <strong>zum</strong> Rigor mortis. Neue Ideen br<strong>in</strong>gen uns<br />
voran, die Überprüfung ihrer empirischen Grundlagen schützt uns vor<br />
wilder Analyse.<br />
Diese Spannung zwischen Establishment und Bewegung färbt auch<br />
darauf ab, wie Analytiker e<strong>in</strong>ander begegnen. So ist es nicht überraschend,<br />
wenn Kollegen erzählen, daß sie auf Kongressen und Tagungen<br />
ke<strong>in</strong>eswegs <strong>in</strong> den Sem<strong>in</strong>arräumen am meisten lernen, sondern auf den<br />
Gängen oder am Kaffeetisch. Wenn Kollegen aus unterschiedlichen<br />
Schulen <strong>in</strong>offiziell – und manchmal sogar mit e<strong>in</strong>em Gefühl der Heimlichkeit<br />
– mite<strong>in</strong>ander sprechen, empf<strong>in</strong>den sie die Sicherheit, die e<strong>in</strong>en<br />
offenen und freien Austausch ermöglicht.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel dafür s<strong>in</strong>d die Confrontations, e<strong>in</strong>e Diskussionsreihe, die<br />
sich über mehrere Jahre erstreckte und schließlich unter dem Titel Les<br />
Cahiers Confrontation veröffentlicht wurde. In e<strong>in</strong>er Zeit, als die französische<br />
Psychoanalyse ause<strong>in</strong>anderzufallen schien, versammelten sich