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Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...

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22 Warren S. Poland<br />

Die dem reifen Narzißmus <strong>in</strong>härente Liebe zur Neugier öffnet uns die<br />

Tür zu dem allgeme<strong>in</strong>en Diskurs. Erfahrung und Reife lehren uns, daß<br />

wir dann am besten gehört werden, wenn wir selbst gut zuhören können.<br />

Je offener wir dem Anderen begegnen können, desto umfassender<br />

verkörpern wir unsere eigene Identität. Oder, wie Shevr<strong>in</strong> (2000) es so<br />

treffend ausdrückte: »Wenn Descartes heute lebte, würde er sagen: ›Ich<br />

höre zu, also b<strong>in</strong> ich.‹«<br />

Wir lernen auch, daß wir mit der Ironie leben müssen, mit dem bitteren<br />

Gewahrse<strong>in</strong>, daß Entwicklung Verlust bedeutet. Wenn das sichere<br />

K<strong>in</strong>d die Außenwelt umfassender wahrzunehmen beg<strong>in</strong>nt, br<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong><br />

Wissen ihm die Endlichkeit, letztlich die Sterblichkeit zu Bewußtse<strong>in</strong>.<br />

H<strong>in</strong>längliche Sicherheit aber ermöglicht Akzeptanz, e<strong>in</strong>e das Selbst<br />

achtende Bescheidenheit, der e<strong>in</strong> zuverlässiges, tragfähiges Zentrum zugrunde<br />

liegt. Für die Entwicklung e<strong>in</strong>es reifen Narzißmus ist die Fähigkeit,<br />

sich selbst anzuerkennen und zu achten, sich so zu sehen, wie man<br />

vom Anderen gesehen und geachtet wird, ebenso wichtig wie Grundsicherheit,<br />

Halten und Conta<strong>in</strong>ment. Die Neugier, das Verlangen, die<br />

Welt kennenzulernen und sich <strong>in</strong> der Bereitschaft, Ungewißheit zu riskieren,<br />

auf sie e<strong>in</strong>zulassen, kann sich nur auf der Basis ebendieses Vertrauens<br />

voll entfalten.<br />

Der Weg von der Infantilität zur Reife ist nie e<strong>in</strong> Königsweg, ob nun der<br />

Narzißmus dom<strong>in</strong>iert oder die Neugier. Er ist voller Konflikte, Schlaglöcher<br />

und Umwege. Das eigene Selbst wird immer auch durch das<br />

Gefühl der Fremde des Universums, <strong>in</strong> das man h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geboren wurde,<br />

geprägt. Die Fremdheit des Andersartigen färbt jeden Aspekt unserer<br />

Suche nach dem eigenen Platz <strong>in</strong> der Welt, selbst wenn sie durch das<br />

Vertrauen abgemildert wird, das uns die Sicherheit früher Liebe vermittelt.<br />

Sie färbt das ständige Wechselspiel von Selbstdef<strong>in</strong>ition und Achtung<br />

vor der Andersheit. Trotz der Defensivität des Narzißmus, trotz <strong>in</strong>fantiler<br />

Omnipotenzphantasien und verme<strong>in</strong>tlicher Allwissenheit werden<br />

wir die Welt – e<strong>in</strong>schließlich der <strong>in</strong>neren Welt – niemals vollständig verstehen<br />

und beherrschen können. E<strong>in</strong>e Gewißheit, die sich durch nichts<br />

beirren läßt, ist die Gewißheit des Unwissenden. Zu forschen heißt,<br />

Risiken e<strong>in</strong>zugehen. Offen füre<strong>in</strong>ander zu se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welcher Form die Begegnung<br />

auch immer stattf<strong>in</strong>det, bedeutet, verwundbar zu se<strong>in</strong>.<br />

Weil niemand jemals alles, was bekannt ist, wissen kann und weil ke<strong>in</strong><br />

Wort je das letzte se<strong>in</strong> kann, müssen die Überzeugungen, für die wir e<strong>in</strong>-

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