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Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...

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8 Warren S. Poland<br />

trieben stolz zu se<strong>in</strong>, und »anerkennen, daß Menschen sich auf bestimmte<br />

Ansichten kaprizieren, weil sie zu ihrer Identität geworden<br />

s<strong>in</strong>d« (James 2007, S. 601). Wir s<strong>in</strong>d zu Recht stolz, wenn es uns gel<strong>in</strong>gt,<br />

bekanntes Wissen zu erweitern, aber die Geschichte er<strong>in</strong>nert uns auch<br />

daran, daß andere kommen und unseren Beitrag verändern und ergänzen<br />

werden. Denken wir an den Ausspruch e<strong>in</strong>er Bühnenfigur von Tom<br />

Stoppard (1997, S. 53): »Jede Zeit glaubt, die moderne zu se<strong>in</strong>, aber die<br />

heutige ist es wirklich.«<br />

E<strong>in</strong> Antidot für e<strong>in</strong>e solche Fixierung auf Fragmente besteht dar<strong>in</strong>,<br />

neues Wissen zu rekontextualisieren und neue Beobachtungen <strong>in</strong> das<br />

offene Feld akkumulierter Erfahrung e<strong>in</strong>zuordnen. E<strong>in</strong>e solche Rekontextualisierung<br />

ist notwendig, auch wenn uns die kl<strong>in</strong>ische Praxis lehrt,<br />

daß die Wirklichkeit durch die Abstrahierung und anschließende Rekontextualisierung<br />

verändert wird. Ökonomie hat gewiß ihren Reiz, doch s<strong>in</strong>guläre<br />

Erklärungen reichen kaum je aus. Occams Rasiermesser schneidet<br />

oft zu kurz.<br />

Müssen wir uns e<strong>in</strong>erseits davor <strong>in</strong> acht nehmen, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Sichtweise<br />

zu verabsolutieren, so sollten wir andererseits vor der Verführung<br />

durch e<strong>in</strong>e holzschnittartige hegelianische Dialektik auf der Hut se<strong>in</strong><br />

und nicht grundsätzlich davon ausgehen, daß aus jeder These und ihrer<br />

Antithese e<strong>in</strong>e Synthese erwachsen wird. Es reicht nicht, Widersprüche<br />

lediglich zu tolerieren. Wir müssen sie würdigen, und wir müssen sie<br />

schützen, auch wenn sie uns nicht behagen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus ist Wissen Macht und e<strong>in</strong> beruhigendes Mittel gegen<br />

Hilflosigkeitsgefühle. Wenn wir verwirrt s<strong>in</strong>d und uns überwältigt<br />

fühlen, weil unser Wissen nicht auszureichen sche<strong>in</strong>t, wehren wir den<br />

Horror der Hilflosigkeit ab, <strong>in</strong>dem wir die Welt als Chaos bezeichnen.<br />

Aber die Welt ist die Welt, und das Wort »Chaos« beschreibt nicht die<br />

Welt, sondern unsere angsterfüllte Unfähigkeit, diese Welt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unserem<br />

Verstand zuträglichen Weise zu konzeptualisieren. Das Gefühl<br />

des Chaos läßt sich weder durch e<strong>in</strong>e favorisierte s<strong>in</strong>guläre Theorie vertreiben<br />

noch durch e<strong>in</strong> Sammelsurium verme<strong>in</strong>tlich gleichwertiger Deutungen,<br />

denn das wäre e<strong>in</strong>e Pervertierung des Pr<strong>in</strong>zips der multiplen Determ<strong>in</strong>iertheit.<br />

Es gilt grundsätzlich, das Evidenzmaterial abzuwägen.<br />

Aufgeschlossen zu se<strong>in</strong> bedeutet nicht, e<strong>in</strong>en leeren Kopf zu haben. Es<br />

gilt grundsätzlich, das Evidenzmaterial abzuwägen (Hanly, persönliche<br />

Mitteilung).

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