Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
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60 Anton<strong>in</strong>o Ferro<br />
der Dekonstruktion der Beziehung und führen auf diese Weise zu e<strong>in</strong>em<br />
subversiven Ziel, nämlich psychische Entwicklung zu begünstigen (S. 85).<br />
E<strong>in</strong>e derartige Dekonstruktion eröffnet Blickw<strong>in</strong>kel, die bis dah<strong>in</strong> verschlossen<br />
waren.<br />
Hierzu zwei kl<strong>in</strong>ische Beispiele:<br />
a) Der E<strong>in</strong>griff an der Brust<br />
E<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong> sagt: »Ich habe mich zu e<strong>in</strong>er Operation entschlossen, weil ich mit<br />
me<strong>in</strong>er Brust unzufrieden b<strong>in</strong>.« Die Anzahl der möglichen Deutungen oder Gedanken,<br />
die verschiedene Analytiker, je nach Kontext der Erzählung, dazu haben<br />
könnten, ist natürlich unendlich groß. Sie richten sich nach den E<strong>in</strong>fällen der Patienten<br />
wie auch nach den expliziten oder impliziten Modellen des Analytikers<br />
(und wie ich vielleicht h<strong>in</strong>zufügen sollte, nach se<strong>in</strong>er psychischen Tagesform).<br />
Die Bandbreite, unter der man die Mitteilung der Patient<strong>in</strong> auffassen kann,<br />
reicht vom Vorspiel zu e<strong>in</strong>er Handlung über die Schilderung von etwas, was der<br />
Patient<strong>in</strong> an sich selbst nicht gefällt, und das Bedürfnis, sich ästhetisch aufzuwerten,<br />
bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Vorwurf an den Analytiker usw.<br />
Ganz anders wird das Zuhören des Analytikers dagegen ausfallen, wenn er<br />
den Worten der Patient<strong>in</strong> das bereits erwähnte »Ich hatte e<strong>in</strong>en Traum« vorausschickt,<br />
wodurch die Erzählung zu e<strong>in</strong>em: »Ich hatte e<strong>in</strong>en Traum, <strong>in</strong> dem ich<br />
mich zu e<strong>in</strong>er Operation entschloß, da ich mit me<strong>in</strong>er Brust unzufrieden war«,<br />
wird. An diesem Punkt erweitert und dekonstruiert sich das Zuhören: Was<br />
bedeutet die Operation? Was bedeutet die Brust? Womit ist die Patient<strong>in</strong> unzufrieden?<br />
Der Bedeutungsspielraum vergrößert sich und könnte z.B. als Zeichen von<br />
Unzufriedenheit mit dem Analytiker (der Brust?) gewertet werden und als<br />
Wunsch, durch die ›Operation <strong>in</strong> der Stunde‹ Modifikationen der psychischen<br />
Ordnung vorzunehmen. Dies könnte unendliche Variationen anregen. An diesem<br />
Punkt treten auch Nebenfragen auf, wie z.B.: Womit an ihrer Brust ist die<br />
Patient<strong>in</strong> unzufrieden? Oder auch, was möchte sie daran verändern? Das könnte<br />
dann zur Aufnahme drehbuchartiger oder bühnenbildnerischer Elemente führen,<br />
die vorher nicht gedacht werden konnten.<br />
De-konstruieren (Baranes et al. 2002) bedeutet deshalb auch, der Kommunikation<br />
ihre konkrete Bedeutung zu nehmen, wodurch unzählige andere Lesarten<br />
möglich werden.