Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
76 Anton<strong>in</strong>o Ferro<br />
bekannt ist: e<strong>in</strong>e Versuchung, die sich, wie Bologn<strong>in</strong>i (2008) anmerkt,<br />
auch auf die ödipale Konfiguration des Analytikers erstrecken kann,<br />
wenn dieser e<strong>in</strong>e narzißtische, zu exklusive Dyade mit e<strong>in</strong>er Frau/mit<br />
e<strong>in</strong>er zu gesättigten Theorie e<strong>in</strong>geht (anstatt e<strong>in</strong> zeugungsfähiges Paar zu<br />
bilden, das der Orig<strong>in</strong>alität des Sohns/Patienten e<strong>in</strong>en Platz e<strong>in</strong>räumt).<br />
Dagegen wirken zwei Bemerkungen Bions (1987) heilsam: daß der Patient<br />
von heute nichts mit dem Patienten von gestern zu tun hat und daß<br />
er selbst e<strong>in</strong>e freudianische oder kle<strong>in</strong>ianische Deutung gibt, wenn er<br />
müde ist und ihm nichts Eigenes e<strong>in</strong>fällt.<br />
Das, was ich Cast<strong>in</strong>g nenne, ist e<strong>in</strong> Phänomen, das mir immer mehr<br />
im Zentrum jeder Analyse zu stehen sche<strong>in</strong>t. In den klassischen Analysen<br />
f<strong>in</strong>den wir bereits zu Beg<strong>in</strong>n – wie <strong>in</strong> alten Krim<strong>in</strong>alromanen – das<br />
vollständige oder <strong>zum</strong><strong>in</strong>dest fast vollständige Register der handelnden<br />
Figuren. In Analysen mit weniger Raum zur Symbolisierung wird die<br />
Entwicklung der Fähigkeit <strong>zum</strong> Cast<strong>in</strong>g selbst zu e<strong>in</strong>em Ziel der Analyse.<br />
Stumme, nicht-ausdrucksfähige Bereiche werden zu e<strong>in</strong>er Matrix,<br />
aus der belebte, unbelebte, aktuelle Figuren entstehen und Geschichten,<br />
die vorher nicht ausgedrückt werden konnten, beg<strong>in</strong>nen, s<strong>in</strong>nhaft und<br />
erzählbar zu werden. Bisweilen schließt das Cast<strong>in</strong>g Szenarien und Orte<br />
mit e<strong>in</strong>, die sich erst langsam mit Leben füllen müssen.<br />
Das Vertrauen des Analytikers <strong>in</strong> die Methode, se<strong>in</strong>e Reverien, se<strong>in</strong>e<br />
Fähigkeit <strong>zum</strong> <strong>in</strong>tuitiven Verstehen, se<strong>in</strong>e negative Fähigkeit, se<strong>in</strong>e Befähigung,<br />
<strong>in</strong> der Sprache versteckte Inhalte herauszuhören, bilden sozusagen<br />
den Dünger, der das Aufkeimen <strong>in</strong> Wüstenzonen ermöglicht.<br />
Das psychische Leben hat bodenlose Abgründe, die sich immer mehr<br />
<strong>in</strong> die Tiefe öffnen. Das br<strong>in</strong>gt uns e<strong>in</strong>erseits zu der Behauptung, die<br />
Analyse könne nur <strong>in</strong> der Entwicklung der Funktion des Cast<strong>in</strong>g bestehen.<br />
Andererseits sagen wir, daß uns erst die Abwehrmechanismen mit<br />
ihren Abschottungen, Panzerungen, Löchern und Öffnungen e<strong>in</strong> geordnetes<br />
psychisches Leben ermöglichen.<br />
Es wäre nützlich, sich stets daran zu er<strong>in</strong>nern, daß unter jeder seelischen<br />
Pflasterung Magma aus Protoemotionen liegt, vor der man sich<br />
<strong>in</strong> acht nehmen muß, die aber von Zeit zu Zeit e<strong>in</strong> außerordentliches<br />
Ausdruckspotential besitzt.<br />
So begriffen, kommt das »Cast<strong>in</strong>g« niemals <strong>zum</strong> Ende. Se<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />
ist deshalb e<strong>in</strong>es unserer vorrangigen Ziele. Letztlich hängt<br />
es von unserer Haltung ab, so weit wie möglich auf das »Grasp<strong>in</strong>g«, das