Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
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Transformationen <strong>in</strong> Traum und Figuren im psychoanalytischen Feld 61<br />
b) Welcher Status kommt dem Raum außerhalb des Feldes zu:<br />
e<strong>in</strong> Ort für Cochise<br />
Me<strong>in</strong>er Ansicht nach kommt der Fähigkeit des Analytikers, die Kommunikation<br />
selbst <strong>in</strong> Supervisions- oder Intervisionssituationen traumhaft zu erfassen<br />
(Boyer 1988), grundlegende Bedeutung zu. Dieser Vorgang beruht auf der »negativen<br />
Fähigkeit« des Analytikers und auf se<strong>in</strong>er Fähigkeit zur Reverie (Bion<br />
1990a [1962], 2006 [1970], 1992b).<br />
E<strong>in</strong> sehr erfahrener Kollege bittet mich um Rat wegen e<strong>in</strong>er dramatischen Lebenssituation,<br />
<strong>in</strong> die er geraten ist. Da er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weit entfernten Stadt lebt,<br />
übermittelt er mir die ersten Informationen telefonisch. Seit e<strong>in</strong>igen Wochen<br />
würden er und se<strong>in</strong>e ganze Familie wegen der Drohungen e<strong>in</strong>es Patienten von<br />
Leibwächtern bewacht.<br />
Dieser Patient, so erzählt mir der Kollege <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sitzung, habe ihn wiederholt<br />
bedroht, da ihm durch die Analyse alles Schöne im Leben genommen sei.<br />
Sie habe ihn heiraten, Vater werden und e<strong>in</strong>e Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bank f<strong>in</strong>den lassen,<br />
aber dies alles habe ihn am »wahren Leben« geh<strong>in</strong>dert. Er habe alle Frauen verloren,<br />
die er sonst noch hätte haben können, auf alles verzichten müssen, was<br />
von Jugend an außergewöhnlich an ihm war, auf Reisen, die er hätte machen<br />
können. Insgesamt sei der Preis viel zu hoch, und das wolle er dem Analytiker<br />
heimzahlen, <strong>in</strong>dem er Selbstmord begehe, zuvor aber noch <strong>in</strong> dessen Familie e<strong>in</strong><br />
Blutbad anrichte. Der Kollege erwähnt dann beiläufig, daß sich der Patient auch<br />
weiterh<strong>in</strong> spezielle Kosmetika aus der Schweiz schicken lasse, um se<strong>in</strong>e Haut zu<br />
bleichen, die an verschiedenen Stellen rote Flecken aufweise.<br />
Was mir daran so augensche<strong>in</strong>lich auffällt, ist wahrhaftig die rote Haut, das<br />
sche<strong>in</strong>bare Nebenelement, d.h. die »Rothaut«. E<strong>in</strong>e Rothaut, die alle Weißen<br />
terrorisiert. Aber warum sage ich das mir? E<strong>in</strong>e Rothaut kann e<strong>in</strong>em nicht so<br />
viel Angst machen.<br />
Ich frage nach dem Alter des Patienten und auch des Analytikers.<br />
Der Patient wird bald vierzig, fast gleichzeitig mit se<strong>in</strong>em Analytiker, der<br />
fünfzig wird.<br />
Hier<strong>in</strong> liegt der Schlüssel: Die »Rothaut« des Patienten hat mit den eigenen<br />
Brandpfeilen die »Rothaut« des Analytikers <strong>in</strong> Brand gesetzt. Die wirkliche<br />
Rothaut, mit der der Analytiker den Kontakt verloren hatte, kam zurück, um<br />
sich im kritischen Moment des 50. Geburtstages (oder des 40. des Patienten) zu<br />
entzünden.<br />
E<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> der Bank, e<strong>in</strong> Leben im Analysezimmer, ist für die Rothaut (die<br />
Rothäute!) wahrlich <strong>in</strong>akzeptabel. Es fordert und droht Rache an, e<strong>in</strong>e schmerzliche<br />
Trauerzeit, die es angesichts der vielen Dase<strong>in</strong>smöglichkeiten, auf die man<br />
verzichten muß, auszuhalten gilt. Die Trauer im H<strong>in</strong>blick auf das Annehmen<br />
der Wirklichkeit hat e<strong>in</strong> Vorspiel <strong>in</strong> erderschütternder Wut.<br />
Nachdem ich den Kollegen vorsichtig wieder mit der wirklichen »Rothaut«<br />
<strong>in</strong> Kontakt gebracht hatte, gelang es ihm <strong>in</strong> Kürze, die Rothaut des Patienten zu<br />
besänftigen, ohne weiterh<strong>in</strong> zu viel Angst vor der jeweiligen »Rothaut« haben