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Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...

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Das Erfassen der Praxis des Psychoanalytikers gemäß ihrem eigenen Wert 33<br />

Reihe von Alternativen – von denen noch ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong> die Tat umgesetzt<br />

wurde –, die Frage zu beantworten, welche von diesen die beste ist, das<br />

heißt, was zu tun ist. Es handelt sich also nicht um die Frage nach Fakten<br />

und ihre Erklärung, sondern um Wertefragen, um das, was zu tun wünschenswert<br />

ist.<br />

Während der Analysestunde vollzieht sich im Kopf des Analytikers<br />

e<strong>in</strong>e ständige Bewegung zwischen theoretischen Gründen, die es ihm<br />

als »M<strong>in</strong>i-Teiltheorien« erlauben, die jeweilige Interaktion vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

des im Prozeß erworbenen Wissens zu verstehen und zu erklären,<br />

und praktischen Überlegungen, die se<strong>in</strong>e Entscheidungen bezüglich<br />

dessen leiten, was er sagt und wann und wie er <strong>in</strong>terveniert. Wenn<br />

wir Material e<strong>in</strong>er Sequenz von Sitzungen zur Hand haben, f<strong>in</strong>den wir<br />

sicherlich die Bestätigung oder Widerlegung der Vorhersagen, die der<br />

Analytiker während e<strong>in</strong>er bestimmten Sitzung wagt. Dies ist jedoch<br />

etwas, das nicht der Realität des betreffenden Augenblicks entspricht,<br />

handelt es sich hierbei doch nicht darum, ex post facto-Erklärungen zu<br />

f<strong>in</strong>den, sondern voraussagende Hypothesen zu wagen über etwas, was<br />

noch nicht geschehen ist. Bei den praktischen Überlegungen sucht der<br />

Handelnde se<strong>in</strong>e Gründe zu bewerten und e<strong>in</strong>zuschätzen, um zu handeln,<br />

abzuwägen, was für oder gegen die Handlungsalternativen spricht,<br />

die sich ihm eröffnen. Darüber h<strong>in</strong>aus wird diese Wahl def<strong>in</strong>itiv <strong>in</strong> der<br />

ersten Person getroffen, nämlich, vom subjektiven Standpunkt aus betrachtet,<br />

im S<strong>in</strong>ne des Dilemmas, <strong>in</strong> dem man sich <strong>in</strong> diesem Moment<br />

bef<strong>in</strong>det. Die Entscheidung zu <strong>in</strong>tervenieren br<strong>in</strong>gt so die ganze E<strong>in</strong>zigartigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Begegnung mit dem Anderen im Hier und Jetzt <strong>zum</strong><br />

Tragen. Es ist dies e<strong>in</strong> ideographischer, kreativer und unbeschreibbarer<br />

Moment, <strong>in</strong> dem der Analytiker e<strong>in</strong> Risiko e<strong>in</strong>geht, das aus pr<strong>in</strong>zipiellen<br />

Gründen niemals ganz von der erklärenden Theorie erfaßt werden<br />

kann, es ist sozusagen e<strong>in</strong> theorie-»entleerter« Moment.<br />

Wenn wir jedoch über den äußeren Ansche<strong>in</strong> h<strong>in</strong>ausgehen, ist dieser<br />

verme<strong>in</strong>tlich theorie-»entleerte« Moment nicht wirklich »leer«, sondern<br />

sich durch die Art ihres Ziels; der praktische Grund wird durch das Ziel des Verlangens<br />

stimuliert. Die Scholastiker folgten dieser Tradition, <strong>in</strong>dem sie zwischen spekulativem<br />

Grund und operativem Grund unterschieden, und diese Unterscheidung wird von Kant<br />

wieder aufgenommen, wenn er hervorhebt, daß die theoretische und die praktische Vernunft<br />

nicht zwei verschiedene Arten von Vernunft s<strong>in</strong>d, sondern e<strong>in</strong> und dieselbe, die sich<br />

<strong>in</strong> ihrer Anwendung unterscheidet (siehe José Ferrater Mora 1969).

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