Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
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Probleme des kollegialen Lernens <strong>in</strong> der Psychoanalyse: Narzißmus und Neugier 23<br />
treten, vorübergehende Überzeugungen bleiben. Der Stolz, mit dem wir<br />
unsere Theorien bisweilen vorstellen, läßt auf die Furcht vor Unsicherheit<br />
schließen und auf die Angst, daß man sich selbst herabgewürdigt<br />
fühlt, wenn man den E<strong>in</strong>fluß anderer anerkennt. Wenn wir von »vollbrachten<br />
Leistungen« sprechen, ist bereits e<strong>in</strong>e Vollkommenheit impliziert,<br />
obwohl es doch unseren Wert ke<strong>in</strong>eswegs schmälert, wenn wir<br />
anerkennen, daß unsere Leistungen immer durch das vorgegeben s<strong>in</strong>d,<br />
was wir bislang wissen. Wissenschaft kann niemals e<strong>in</strong>fach se<strong>in</strong>, sondern<br />
ist immer im Werden begriffen.<br />
Das Heureka-Gefühl, das e<strong>in</strong>e neue wissenschaftliche Erkenntnis begleitet,<br />
ist ebenso befriedigend wie das »Aha«-Gefühl <strong>in</strong> der kl<strong>in</strong>ischen<br />
Analyse. Der Stolz, den man <strong>in</strong> solchen großartigen Momenten empf<strong>in</strong>det,<br />
ist berechtigt. Danach aber sollten wir auch anerkennen können,<br />
daß unser neugewonnenes Verständnis ke<strong>in</strong> endgültiges ist. Die neue<br />
Erkenntnis ist ebenso wie die Deutung e<strong>in</strong> Vorgang des Er<strong>in</strong>nerns und<br />
zugleich e<strong>in</strong> Neuanfang. Jeder Schritt nach vorn erhöht die Chance auf<br />
weitere Fortschritte – allerd<strong>in</strong>gs nur dann, wenn der Glanz des Erfolgs<br />
uns nicht verblendet und <strong>in</strong> Selbstgefälligkeit erstarren läßt.<br />
Kommen wir <strong>zum</strong> Schluß. Ich habe versucht, e<strong>in</strong>en Wegweiser zu setzen,<br />
der unserer künftigen Forschung e<strong>in</strong>e mögliche Richtung aufzeigen<br />
könnte, nämlich die Untersuchung jener <strong>in</strong>trapsychischen und <strong>in</strong>terpersonalen<br />
Kräfte, die unsere Fähigkeit untergraben, beirrbar zu bleiben<br />
und uns e<strong>in</strong>e geistige Aufgeschlossenheit zu bewahren. Wenn sich Narzißmus<br />
und Wißbegier geme<strong>in</strong>sam weiterentwickeln, wenn die Lust<br />
an der Generativität e<strong>in</strong> wirksames Gegengewicht zu unserem Prestigedenken<br />
schafft, dann können wir selbst und das Feld, das wir lieben,<br />
wirklich gedeihen. Wenn diese kreative Liebe zur Neugier <strong>in</strong> unserer<br />
wissenschaftlichen oder <strong>in</strong> unserer kl<strong>in</strong>ischen Arbeit wankt, sollte uns<br />
dies als Signal dienen, e<strong>in</strong>en Schritt zurückzutreten und die Ursachen<br />
dieser Veränderung zu untersuchen. Die Wissenschaft und wir selbst<br />
gedeihen am besten, wenn wechselseitiges Lehren und wechselseitiges<br />
Vone<strong>in</strong>ander-Lernen Hand <strong>in</strong> Hand gehen.<br />
Anschrift des Verf.: Warren S. Poland, 5225 Connecticut Avenue, Wash<strong>in</strong>gton, DC 20015,<br />
USA. E-Mail: warrenpoland@verizon.net<br />
Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Vorspohl, Frankfurt/M.