Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...
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42 Juan Pablo Jiménez<br />
gen« (Freud 1893f, S. 23). Im Nachruf auf Charcot er<strong>in</strong>nert sich Freud,<br />
wie e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Schüler den E<strong>in</strong>wand vorbrachte, daß e<strong>in</strong> gewisser kl<strong>in</strong>ischer<br />
Befund nicht se<strong>in</strong> könne, da er der Theorie widerspreche. Charcot<br />
»erwiderte nicht: ›Um so ärger für die Theorie, die Tatsachen der<br />
Kl<strong>in</strong>ik haben den Vorrang‹«, er schloß jedoch mit e<strong>in</strong>em Satz, der den<br />
jungen Freud tief bee<strong>in</strong>druckte: »La théorie, c’est bon, mais ça n’empêche<br />
pas d’exister« (S. 24).<br />
Soweit ich weiß, war der erste, der die Reichweite der Idee der untrennbaren<br />
Verb<strong>in</strong>dung zwischen Erkenntnisgew<strong>in</strong>n und Heilung ausdrücklich<br />
e<strong>in</strong>schränkte, e<strong>in</strong> late<strong>in</strong>amerikanischer Psychoanalytiker. José<br />
Bleger bemerkte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er postumen Schrift aus dem Jahre 1971, »Heilungskriterien<br />
und Ziele der Psychoanalyse«, es sei nicht selten, daß<br />
»der Patient von e<strong>in</strong>er psychoanalytischen Behandlung profitiert, ohne daß er von den<br />
Beschwerden geheilt wurde, die er kurieren wollte. […] In anderen Fällen wird als guter<br />
Fortschritt und gute Beendigung der Behandlung angesehen (wenn nichts anderes erreicht<br />
werden kann), daß der Patient se<strong>in</strong>e Symptome, Irrtümer, E<strong>in</strong>schränkungen und Schwierigkeiten<br />
erkennt und akzeptiert. Das heißt, daß […] mäeutische Ziele bzw. Ergebnisse<br />
(im S<strong>in</strong>ne von Selbsterkenntnis) und nicht die der Heilung erreicht werden« (1973, S. 79).<br />
Natürlich kennen wir als Kl<strong>in</strong>iker auch den umgekehrten Fall, nämlich<br />
Patienten, bei denen das Ausmaß der im Laufe des Prozesses gewonnenen<br />
Selbsterkenntnis zu den erreichten symptomatischen und strukturellen<br />
Veränderungen <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Verhältnis steht. Die Bostoner Arbeitsgruppe<br />
<strong>zum</strong> Studium des Veränderungsprozesses (Stern et al. 2002;<br />
Stern 2005) bietet e<strong>in</strong>e Erklärung zu diesem kl<strong>in</strong>ischen Befund. Sie formulieren<br />
e<strong>in</strong> Modell der Veränderung <strong>in</strong> der psychoanalytischen Therapie,<br />
das postuliert, daß die therapeutische Wirkung der Analytiker-<br />
Patient-Beziehung <strong>in</strong> den <strong>in</strong>tersubjektiven und <strong>in</strong>teraktiven Prozessen<br />
liegt, die zu dem führen, was sie als implizite relationale Erkenntnis bezeichnen.<br />
Diese stellt e<strong>in</strong> nicht symbolisches Feld dar, <strong>in</strong> Abhebung von<br />
der deklarativen, expliziten, bewußten oder vorbewußten Erkenntnis,<br />
die symbolisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verbalen oder imag<strong>in</strong>ären Modus repräsentiert<br />
wird. Historisch gesehen, konzentrierte sich die Theorie der therapeutischen<br />
Veränderung auf die Deutung der auf der symbolischen Ebene<br />
repräsentierten <strong>in</strong>trapsychischen Dynamik und nicht auf die impliziten<br />
Regeln, die die eigenen Transaktionen mit den anderen beherrschen.<br />
Diese Regeln s<strong>in</strong>d nicht bewußt; sie s<strong>in</strong>d im prozeduralen Langzeitgedächtnis<br />
festgehalten. Die verschiedenen Interaktionsmomente zwi-