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Beiträge zum 46. IPV-Kongreß in Chicago, Juli 2009 - Frommann ...

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Probleme des kollegialen Lernens <strong>in</strong> der Psychoanalyse: Narzißmus und Neugier 7<br />

verhalten uns aber so, als könnten – ja sollten – wir allwissend se<strong>in</strong>, als<br />

wäre es uns irgendwann möglich, alles zu wissen, was gewußt werden<br />

kann, und als könnten unsere Theorien aus e<strong>in</strong>em Guß se<strong>in</strong> und nichts<br />

zu wünschen übrig lassen. Unsere Kenntnisse und Theorien s<strong>in</strong>d bemerkenswert<br />

gut, aber sie werden immer unzureichend se<strong>in</strong>, immer <strong>in</strong><br />

die Grenzen unserer Fähigkeiten verwiesen bleiben.<br />

Denn die Welt und ihre Phänomene s<strong>in</strong>d zu groß, zu mannigfaltig und<br />

zu komplex, als daß der Geist e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Menschen sie jemals vollständig<br />

erfassen könnte. Wir haben ke<strong>in</strong>en Grund anzunehmen, daß die<br />

Evolution mit uns abgeschlossen ist. Wenn wir die Grenzen unserer<br />

mentalen Hardware verleugnen, vergessen wir, daß wir auch dann ke<strong>in</strong>e<br />

Götter s<strong>in</strong>d, wenn wir den Göttern das Feuer stehlen. Unsere Eitelkeit<br />

macht uns überaus verwundbar.<br />

Wir begegnen den vielschichtigen Gegebenheiten des Universums,<br />

<strong>in</strong>dem wir sie verkle<strong>in</strong>ern und Begriffe für sie prägen, mit denen wir uns<br />

dann <strong>in</strong> Paradoxa h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>manövrieren, die nichts anderes s<strong>in</strong>d als Artefakte<br />

unserer menschlichen, kategorisierenden Logik. Um die Welt zu<br />

erforschen, untersuchen wir e<strong>in</strong>zelne Bruchstücke, die wir zuvor aus<br />

ihrem natürlichen Kontext isoliert haben. Unser Geist dichotomisiert<br />

und hört nicht auf, die von uns selbst erzeugten Kategorien immer weiter<br />

zu unterteilen. Das bedeutet, daß wir, <strong>in</strong>dem wir die Wissenschaft<br />

weiterentwickeln – denn ebendies ist die menschliche Form der Organisation<br />

von Wissen –, Karten mit künstlichen Grenzen verfertigen. Daraus<br />

ergeben sich Risiken.<br />

Konzentrierte Aufmerksamkeit ist unverzichtbar und produktiv, e<strong>in</strong>e<br />

künstliche Fragmentierung aber hat Nebenwirkungen, die uns <strong>in</strong> die Irre<br />

führen. Indem wir unseren Forschungsgegenstand zergliedern, exzerpieren<br />

wir abgesonderte Bruchstücke und bestimmen Grenzen, die <strong>in</strong> der<br />

Natur gar nicht vorkommen. Jedesmal, wenn wir unseren Blick auf e<strong>in</strong>en<br />

Gegenstand richten, wenden wir ihn von e<strong>in</strong>em anderem ab. Deshalb<br />

müssen wir stets bereit se<strong>in</strong> zu fragen: »Was haben wir übersehen?«<br />

Auch wenn wir uns immer nur e<strong>in</strong>e oder e<strong>in</strong>ige wenige Erklärungsmöglichkeiten<br />

gleichzeitig vorstellen können: der Ausschluß alternativer<br />

Ansichten bewirkt, daß e<strong>in</strong> Parochialismus der Partial<strong>in</strong>teressen an die<br />

Stelle e<strong>in</strong>er vollständigen Untersuchung tritt.<br />

Da wir nun e<strong>in</strong>mal nicht mehrere D<strong>in</strong>ge gleichzeitig denken können,<br />

sollten wir uns davor hüten, auf unsere persönlichen Standpunkte über-

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