Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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vorher schon Lorbeeren gegenüber den Bretonen erworben<br />
hatte. Von nun an nahm die enorme Ausbreitung der Königsmacht<br />
Chlodwigs, der ursprünglich nur ein salfränkischer<br />
Teilkönig war, ihren anscheinend unaufhaltsamen Gang. <strong>Die</strong><br />
Alamannen wurden 496 und/oder 497 vernichtend geschlagen,<br />
worauf Chlodwig Katholik wurde, also den Glauben der<br />
Mehrheitsbevölkerung Galliens annahm. Vom Angriff gegen<br />
die Burgunder konnte Theoderich seinen Schwager noch zurückhalten,<br />
aber dessen großen Gotenkrieg von 507 nicht<br />
verhindern. Dem Sieger Chlodwig und seinen unmittelbaren<br />
Nachfolgern gelang es, das einstige westgotische Königreich<br />
zwischen Loire und den Pyrenäen bis auf den septimanischen<br />
Küstenstreifen zu gewinnen. Bereits nach Vouille - im Jahre<br />
508 - erhielt Chlodwig dafür die Anerkennung aus Byzanz.<br />
Zwischen den einzelnen Eroberungskriegen nach außen schaltete<br />
Chlodwig mit großer Konsequenz alle fränkischen Könige<br />
aus und schloß deren Gebiete seinem Königreich an. Als er<br />
511 starb, folgten ihm vier Söhne, die die Expansionspolitik<br />
ihres Vaters in Gallien wie in Germanien fortsetzten. Man<br />
könnte es eine Ironie der Geschichte nennen, daß die Franken<br />
von ihrer gallo-römischen Basis aus dazu imstande waren,<br />
was den Römern selbst auf dem Höhepunkt ihrer Machtentfaltung<br />
nicht gelang, nämlich die dauerhafte Besitzergreifung<br />
der Gebiete östlich des Rheins.<br />
Jean-Pierre Bodmer - und man meint förmlich die Sprache<br />
des ordnungsliebenden Schweizers zu hören - bemerkte 1957:<br />
„<strong>Die</strong> Staatsschöpfung der Franken vermag kaum zu begeistern.<br />
Statt großer Leitgedanken finden wir eine Wirrnis von<br />
Provisorien und Aushilfen, Ungenügen und Unordnung<br />
überall. Man könnte sich darüber Gedanken machen, weshalb<br />
gerade dieses Reich in seiner Mediokrität die Stürme des frühen<br />
Mittelalters überleben konnte. Eines wird man ihm nicht<br />
absprechen dürfen: die Lebenstüchtigkeit, die es trotz aller<br />
wirklichen und vermeintlichen Dekadenz bewies.“<br />
Tatsächlich besaßen alle barbarisch-römischen Reiche zwei<br />
Grundvoraussetzungen, mögen sich diese auch als „Provisorien<br />
und Aushilfen, Ungenügen und Unordnung“ dargestellt<br />
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