Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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Rechtsaufzeichnungen wie die mit der Lex Salica beginnende<br />
Verschriftlichung der fränkischen „Volksrechte“ bis hin zu<br />
denen der Alamannen und Bayern. <strong>Die</strong> Eroberung Galliens<br />
wäre aber nicht dauerhaft geblieben, wenn es nicht den<br />
Merowingerkönigen gelungen wäre, die reichen kaiserlichen<br />
Domänen - Schätzungen geben für Gallien bis zu zweistellige<br />
Prozentzahlen von Grund und Boden an - nicht bloß als Eigentum<br />
zu erklären, sondern auch tatsächlich in Besitz zu<br />
nehmen und zu nutzen. <strong>Die</strong>sem Zwecke diente eine in der<br />
Hofverwaltung konzentrierte Administration; die Quellen<br />
sprechen von den Maiores domus, Hausmeiern, und den Domestici,<br />
Domänenverwaltern. Schließlich setzte die merowingische<br />
Steuerpolitik die der Römer, Goten und Burgunder<br />
fort, mag es dabei auch zu manchem Unfall gekommen sein.<br />
<strong>Die</strong> Franken waren der Meinung, daß sich Steuernzahlen für<br />
sie nicht schicke und brachten königliche Finanzminister, die<br />
sie vom Gegenteil überzeugen wollten, um; doch wurde dadurch<br />
der Fortbestand des spätantiken Steuerwesens nicht wesentlich<br />
beeinträchtigt.<br />
<strong>Die</strong> Franken gingen bei den Goten in die Lehre, wenn es<br />
um die Rechtsinstitute der Verwahrung, Leihe, von Kauf und<br />
Schenkung, um die so wichtigen Einrichtungen des Testaments<br />
wie des verzinslichen Darlehens und den Gebrauch von<br />
Urkunden ging. Allerdings ist die merowingische Königsurkunde,<br />
die „Mutter der europäischen Herrscherurkunde“,<br />
ungleich besser als das gotische Material überliefert. Für beide<br />
gilt jedoch, daß nicht die kaiserlichen Reskripte, sondern die<br />
Urkunden der gallischen Hochbürokratie zum Vorbild genommen<br />
wurden. Damit stimmt überein, daß die Manifestationen<br />
des barbarisch-römischen Königtums nicht den kaiserlichen<br />
Triumph, sondern die Selbstdarstellung erfolgreicher<br />
Provinzgeneräle fortsetzten, wofür Chlodwigs Siegesfeier im<br />
Tours des Sommers 508 ein beredtes Zeugnis ablegte.<br />
Auf der Suche nach der fränkischen Besonderheit wird man<br />
am ehesten bei Chlodwigs katholischer Taufe fündig, die der<br />
König am Weihnachtstag entweder 498 oder im Jahr darauf<br />
in der Bischofsstadt des Remigius von Reims empfing. Schon<br />
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