Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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Knien reichte, jedoch nicht unbedingt aus Metall war, führte<br />
mit beiden Händen die überlange Stoßlanze, den Contus,<br />
woran ein Fähnchen flatterte, und besaß ein Schwert - vielleicht<br />
mit Elfenbeingriff - und den Rundschild als Zweitwaffen<br />
für den Kampf zu Pferd und zu Fuß. <strong>Die</strong> Reiter saßen ohne<br />
Steigbügel auf gepanzerten Pferden und galoppierten „mit<br />
langen Lanzen dicht gedrängt beisammen“ (Procopius, De<br />
bello Persico II 18, 24) gegen den Feind.<br />
Wertvorstellungen wie die Hochschätzung bestimmter<br />
Streitrösser, Bewaffnung und Taktik der gotischen Heere<br />
blieben während ihrer ganzen Geschichte weitgehend konstant.<br />
Und der „Vandalenkrieg“ des Procopius von Caesarea<br />
entwirft das gleiche Bild für die Vandalen. <strong>Die</strong> italischen und<br />
afrikanischen Waffenfabriken und staatlichen Gestüte mochten<br />
das Material in größerer Quantität und vor allem besserer<br />
Qualität liefern, als sie die außerrömischen Barbarenheere<br />
kannten. Trotzdem verließ man sich nicht nur auf die römischen<br />
„Fabriken“. So haben jüngste Untersuchungen an den<br />
hervorragend gearbeiteten Spangenhelmen vom Typ „Baldenheim“<br />
gezeigt, daß sie offenkundig in Italien als Einzelstücke<br />
angefertigt wurden. Dabei hat der ostgotisch-barbarische<br />
Waffenschmied die Stirnbänder - sie sind nach antiker<br />
Art mit Weinranken verziert - in der römischen Waffenfabrik<br />
gekauft, während die darauf aufgesetzten Spangen und Platten<br />
von ihm in traditioneller Handarbeit angefertigt wurden.<br />
<strong>Die</strong> stark barbarisierten spätrömisch-byzantinischen Heere<br />
unterschieden sich grundsätzlich nur wenig von denen der<br />
Barbaren, die ohnehin in der Regel als Föderierte dem Exercitus<br />
Romanus angehörten. Auch die Mentalität des Barbaren<br />
im regulären Römerheer war kaum anders als die des Föderaten.<br />
So ist es bezeichnend, daß bei der Kaiserausrufung Julians<br />
die traditionelle germanische Schilderhebung erfolgte. Als die<br />
Goten im Spätsommer 377 eine Schlacht gegen ein Römerheer<br />
mit dem Lob ihrer Vorfahren eröffneten, antworteten die<br />
„Römer“ mit dem Barritus, mit dem leise beginnenden und<br />
danach zu großer Lautstärke anschwellenden Schlachtgesang<br />
barbarischer Krieger.<br />
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