Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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ten nach Art der langobardischen fara, Fahrtgemeinschaft.<br />
Bezeichnenderweise wird aber auch diese, man möchte meinen,<br />
durchsichtige Begriffsbildung von der langobardischen<br />
Überlieferung nach den herkömmlichen Kategorien als Abstammungsgemeinschaft<br />
definiert. <strong>Die</strong> historische Wirklichkeit<br />
der Fara mußte daher gegen die Sprache der Quellen gefunden<br />
werden.<br />
Ein zusätzliches Moment der Veränderung bildete das Römerheer.<br />
Sein Rückgrat war von der Republik bis über die<br />
Prinzipatszeit hinaus die Legion, die in ihrer Blütezeit aus<br />
6000 Elitesoldaten italischer Herkunft bestand. Um 350 hatte<br />
sich die Bedeutung der Legion qualitativ wie quantitativ stark<br />
verringert. Sie bestand nun ungefähr aus 2000-3000 Mann,<br />
dürfte aber ebenfalls nach Ausweis der wulfilanischen Bibelübersetzung<br />
das Vorbild für die Größe, vielleicht auch für die<br />
innere Gliederung der Barbarenheere abgegeben haben. Es<br />
fällt auf, daß die Legion ihre schließlich stark geschrumpfte<br />
Sollstärke von 1000 Mann in dem Augenblick erreichte, als<br />
sich manche Barbarenheere in der gleichen Größenordnung<br />
formierten. So war das Vandalenheer nach Tausendschaften<br />
geordnet, und auch die Heerhaufen, die sich dem Zug des<br />
Westgotenkönigs Alarich I. anschlössen, wurden anscheinend<br />
in solchen Formationen neu zusammengefaßt. Noch das<br />
spanische Westgotenheer ist nach dem Dezimalsystem gegliedert<br />
und umfaßt Tausendschaften, aber auch Einheiten zu<br />
500, 100 und 10 Mann. Wie die spätantike Legion 1000<br />
Mann umfaßte, so war die Sollstärke der berittenen Einheiten<br />
500 Mann. Beide Zahlen kehren im Heer der Westgoten wieder.<br />
Trotz dieser scheinbar eindeutigen Evidenz dürften jedoch<br />
die Zahlenformationen der gotisch-vandalischen Heere nicht<br />
ausschließlich auf römische Einflüsse zurückgehen. Es hat den<br />
Anschein, daß auch die hunnisch-reiternomadische Heeresordnung,<br />
die bis zu den Mongolen auf dem Dezimalsystem<br />
aufgebaut war, auf die <strong>Germanen</strong> einwirkte. So dürften die<br />
gotischen Zahlwörter elf und zwölf, wörtlich „laß-gib eins,<br />
laß-gib zwei,“ nämlich zu zehn, darauf hindeuten, daß hier<br />
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