Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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Der skandinavische Norden, wozu man wohl vor der Karolingerzeit<br />
auch die Altsachsen und Friesen zählen muß, verharrte<br />
in seiner kleinräumigen heidnischen Welt. <strong>Die</strong> Nordleute<br />
konnten zwar die Grenzgebiete schädigen und verheeren,<br />
stellten aber für das Frankenreich ebenso wenig eine Bedrohung<br />
dar wie der awarisch-slawische Osten, mit dessen Angriffsspitzen<br />
man bezeichnenderweise an Elbe und Enns, also<br />
ebenfalls in den äußersten Randgebieten des Reiches, zu tun<br />
bekam.<br />
Dann gab es Byzanz. Selbst auf dem Höhepunkt der Macht<br />
Justinians I. (gest. 565) blieben die Franken außerhalb der<br />
militärischen Möglichkeiten Konstantinopels. <strong>Die</strong> Merowinger<br />
fühlten sich zwar trotzdem bedroht: „Sie hielten nämlich<br />
ihren Besitz Galliens so lange nicht für sicher, als der Kaiser<br />
(Justinian I.) ihre Ansprüche nicht mit Brief und Siegel approbiert<br />
hätte.“ (Procopius, De bell. Goth. III 33, 4). Eine bezeichnende<br />
Aussage Prokops angesichts der Tatsache, daß<br />
Kaiser Anastasius I. bereits im Jahre 508 Chlodwigs „Befreiung<br />
Galliens“ vom Joch der Arianer sehr wohl anerkannt<br />
hatte. Tatsächlich haben die Franken gegen Justinians Truppen<br />
nur in Italien gekämpft, und dann mehr zufällig als gezielt;<br />
erst Justinians Nachfolger sollten, wenn auch vergebens<br />
und bloß mit diplomatischen Mitteln, versuchen, in Gallien<br />
wieder Fuß zu fassen.<br />
Blieben die Goten in Südgallien und auf der Iberischen<br />
Halbinsel. Man hatte sie oftmals besiegt und war auch von<br />
ihnen besiegt worden. Man hatte Heiratsbündnisse geknüpft<br />
und diese Verträge schmählich gebrochen. Man hatte sie wegen<br />
ihrer arianischen Irrlehre verketzert und beschimpft, aber<br />
die „leyenda nera“ auch dann nicht überprüft und ihre Verbreitung<br />
eingestellt, als die alten Gegner 589 zum Katholizismus<br />
übertraten und ihre Rechtgläubigkeit mit der hundertfünfzigprozentigen<br />
Übertreibung von Neubekehrten zu vertreten begannen.<br />
Aber eine echte Bedrohung bedeutete das isolationistische<br />
Reich von Toledo nicht. Es konnte zwar geschehen,<br />
daß Franken in innergotische Konflikte, wie den von 673,<br />
verwickelt wurden, als Spanien seine aufständische gallische<br />
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