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Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR

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Zeit sah die Forschung die sächsische Ethnogenese im Zeichen<br />

der Alternative, ja der Antithese „freiwilliger Zusammenschluß<br />

oder Eroberung“. Wieder war es Reinhard Wenskus, der eine<br />

derartige Gegenüberstellung als unhistorisch und einer frühmittelalterlichen<br />

Stammesbildung fremd erkannte. Vielmehr<br />

setzte sich eine Minderheit nordalbingischer Zuwanderer im<br />

Raum südlich der Elbe gegenüber einer bodenständigen Mehrheit<br />

durch. <strong>Die</strong> Überlieferung zur sächsischen Stammesbildung<br />

ist zwar dürftig; doch läßt sich neben den Nordleuten<br />

auch die Beteiligung von (Lango-)Barden, Nordschwaben,<br />

Thüringern, vielleicht auch von skandinavischen Haruden sowie<br />

angelsächsischen Rückwanderern erkennen.<br />

Obwohl ihre, nach Britannien abgewanderten Stammesgenossen<br />

das Königtum mitgenommen haben dürften, gelang es<br />

den oligarchisch verfaßten Altsachsen, die ursprünglichen ethnisch-sozialen<br />

Unterschiede in einer äußerst rigiden, rechtlichsozialen<br />

Stammesgliederung zu ordnen und auf verhältnismäßig<br />

lange Dauer, nämlich bis zur karolingischen Eroberung<br />

um 800, zu erhalten. Man braucht nicht darüber zu streiten,<br />

wie sehr die Überlieferung von den drei oder vier Bevölkerungsschichten<br />

die sächsische Verfassungswirklichkeit vereinfachte<br />

und die Unterschiede akzentuierte. Vielmehr kommt es<br />

auf die Bedeutung des Systems an. <strong>Die</strong> drei ersten Stände von<br />

den Edelingen über die Frilinge bis zu den Laeten oder Liten<br />

waren politisch handlungsberechtigt und wehrfähig. Dadurch<br />

unterschied sich die sächsische Verfassung grundsätzlich von<br />

der anderer Stämme, die im allgemeinen keine Beteiligung der<br />

Minderfreien am öffentlichen Leben kannten. Dagegen trennte<br />

die drei sächsischen Gruppen ein Heiratsverbot, das mit der<br />

Todesstrafe belegt war. Außerdem erhielt ein Edeling das<br />

achtfache Wergeld des Liten und immer noch das sechsfache<br />

Wergeld des Freien. <strong>Die</strong> Edelinge stellten also eine klar bevorrechtete<br />

Schicht im sächsischen Stammesverband dar, während<br />

die halbfreien Liten den einfachen Freien sehr nahe kamen.<br />

Bezeichnenderweise galten die so stark ausgeprägten<br />

Stammes- und Standesunterschiede aber nicht in Nordalbingien,<br />

im ursprünglichen Sachsenland nördlich der Elbe.<br />

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