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Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR

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worden wären (vgl. Tac. Germ. 8). Auch in der eigentlichen<br />

Völkerwanderungszeit gab es keine <strong>Germanen</strong>fürsten, die Gegenstand<br />

einer, dem antik-orientalischen Herrscherkult vergleichbaren<br />

Verehrung gewesen wären. Allerdings gelang es<br />

den erfolgreichsten Königssippen, die göttliche Herkunft ihres<br />

Volkes auf sich zu übertragen, ja zu monopolisieren.<br />

Aus den hasdingischen Vandalen ging das Königsgeschlecht<br />

der Hasdingen, der „Langhaarigen“, hervor, deren altertümliche<br />

Traditionen und Institutionen wohl bis in die lugischvandilische<br />

Zeit zurückreichen. So gelten als ihre ältesten bekannten<br />

Könige dioskurische Paare, deren Namen Ambri und<br />

Assi oder Raus und Rapt lauten und soviel wie Erle und Esche<br />

oder Balken und Rohr bedeuten. <strong>Die</strong>ser Sachverhalt läßt sich<br />

gut mit dem Namen der gotischen Amaler vergleichen, die ihrerseits<br />

als A(n)sen gelten, was ebenfalls einen Balken oder<br />

Baum meint, aus dem man Pfahlgötzen macht. Und in der Tat<br />

sind solche hölzernen, bisweilen überlebensgroßen Götterdarstellungen<br />

erhalten geblieben.<br />

Der Stammbaum der Amaler beginnt mit Gaut, dem göttlichen<br />

Stammvater der skandinavischen Gauten; und wenn es<br />

den angelsächsischen Genealogen nicht genügte, ihre Königsgeschlechter<br />

von Wodan herzuleiten (Beda, Historia ecclesiastica<br />

gentis Anglorum I 5), dann führten sie die Ursprünge ihrer<br />

Königssippen bis auf jenen Gautengott zurück. <strong>Die</strong> Königsfamilie<br />

der Svear hießen Ynglingar; sie waren die Nachkommen<br />

von Yngvi-Freyr: jeder neue König galt als Wiedergeburt<br />

dieses Gottes. Wahrscheinlich steht diese Überzeugung auch<br />

hinter der überlieferten Akklamation der siegreichen Amaler<br />

durch die Goten als A(n)sen; der Erfolg über einen übermächtigen<br />

Feind offenbarte die „keineswegs rein menschlichen“<br />

Ursprünge der Königssippe. Aber auch das zweite Königsgeschlecht,<br />

die den Westgoten vorstehenden Balthen, stammten<br />

wie die Amaler von „Halbgöttern und Heroen“ (vgl. Jordanes,<br />

Getica 78f., mit Merobaudes, Carmina IV vv. 16ff.). In<br />

dieser abgeschwächten Form konnte selbst die christliche Interpretation<br />

altehrwürdige Traditionen erhalten, ohne den<br />

heidnischen Polytheismus zu übernehmen. So sollte der von<br />

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