Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
zwei Generationen später wurde Chlodwig als neuer Konstantin<br />
gesehen, galt seine Bekehrung als Wiederholung des<br />
Beispiels, das die Legende des großen Kaisers überlieferte. <strong>Die</strong><br />
Entscheidung Chlodwigs für den Glauben der römischen Mehrheitsbevölkerung<br />
seines Herrschaftsgebiets und gegen den<br />
Arianismus der anderen germanisch-römischen Könige wirkte<br />
weit darüber hinaus. Schon der Zeitgenosse Avitus, Metropolit<br />
von Vienne, erkannte die Möglichkeiten, die in Chlodwigs<br />
Entscheidung angelegt waren: „Euer Glaube ist unser Sieg.“<br />
„Griechenland erfreut sich jetzt nicht mehr allein eines katholischen<br />
Herrschers“ (Avitus, Epistulae ad diversos n. 46),<br />
so lauteten die prophetischen Worte des ersten Bischofs im<br />
Reich der vorwiegend arianischen Burgunder. Ohne der Überlieferung<br />
kritiklos zu folgen, hat man die Bekehrung Chlodwigs<br />
in erster Linie der Überzeugungskraft seiner Königin<br />
Chrotechilde zuzuschreiben. Der Sieg über die Alamannen 496<br />
oder 497 mag dabei als auslösendes Ereignis gewirkt haben.<br />
Das Resultat war die Kirchenherrschaft des Frankenkönigs.<br />
Wie ein halbes Jahrzehnt zuvor Alarich IL das erste gotischgallische<br />
Landeskonzil einberufen hatte, so trat 511 auf Befehl<br />
des Frankenkönigs die erste fränkische Synode zusammen. In<br />
Orleans versammelten sich die katholische Bischöfe des Frankenreichs.<br />
Damals wurde bereits über arianische Geistliche<br />
verhandelt, die nach der Eroberung Aquitaniens durch die<br />
Franken zum Katholizismus übergetreten waren. Der Theorie<br />
nach wurden die Bischöfe „mit Willen des Königs gemäß der<br />
Wahl von Klerus und Volk“ vom jeweiligen Metropoliten eingesetzt.<br />
Chlodwig fand jedoch bei mehreren Bischofsernennungen,<br />
daß dazu sein Wille vollauf genüge. Damit war der<br />
Weg zur Entstehung einer einheitlichen gallischen Landeskirche<br />
gewiesen, die schon in ihrer spätantiken Blütezeit große<br />
Ausstrahlungs- und Anziehungskraft besessen hatte. Aber die<br />
gallische Kirche behielt nicht ihre hohen Standards, Irland<br />
setzte die Entwicklung seines eigenständigen Christentums<br />
fort, die Angelsachsen wurden direkt von Rom oder eben von<br />
Irland aus missioniert, und die Ausbreitung des Christentums<br />
im Osten und Südosten des Frankenreichs geriet überhaupt<br />
111