Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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Ende seines Lebens geriet jedoch der Kaiser immer mehr unter<br />
den Einfluß arianischer Bischöfe, so daß er nicht bloß Arius<br />
begnadigte, sondern selbst noch in seinem Todesjahr 337 von<br />
einem arianischen Bischof getauft wurde.<br />
Im Laufe des 4. Jahrhunderts gewann die Lehre des alexandrinischen<br />
Presbyters vor allem im Osten viele Anhänger unter<br />
den höchsten weltlichen und geistlichen Würdenträgern<br />
bis hin zu den Kaisern. Das auf dem Reichskonzil von 360<br />
angenommene Bekenntnis bildete auch die Grundlage für den<br />
germanischen Arianismus, den der an sich kompromißbereite<br />
Wulfila repräsentierte. Mit der Berufung des Spaniers Theodosius<br />
auf den Kaiserthron des Ostens setzte sich jedoch die<br />
im Westen niemals aufgegebene nicaenische Position durch,<br />
so daß auch der Osten sehr rasch wieder katholisch wurde.<br />
Am Ende des 4. Jahrhunderts stand freilich die weitaus<br />
überwiegende Mehrheit der christlichen <strong>Germanen</strong> auf dem<br />
Boden des Ostreiches, und deren arianisches Credo wagten<br />
die Kaiser auch im folgenden Jahrhundert nicht anzutasten.<br />
<strong>Die</strong> Besonderheit und Widerstandskraft der wulfilanischen<br />
Tradition beruhte nicht zuletzt auf ihrer Volkssprachigkeit.<br />
Vereinzelte Versuche römisch-katholischer Bischöfe, durch<br />
Predigten in der Volkssprache die gotischen Seelen zu gewinnen,<br />
konnten dagegen kaum etwas ausrichten. <strong>Die</strong> während<br />
des 5. Jahrhunderts in den Westen abgewanderten gotischvandalischen<br />
Völker brachten ihren Glauben mit, waren aber<br />
ihrerseits viel zu schwach, um die im Westen längst gefallene<br />
Entscheidung zugunsten des Katholizismus rückgängig zu machen.<br />
Es ist daher kein Wunder, daß der Merowinger<br />
Chlodwig, der als Franke der gotischen Glaubensüberlieferung<br />
wie der Sprache Wulfilas ferner stand, sich - zumindest<br />
nach einigem Zögern - doch für den Katholizismus der römischen<br />
Mehrheit seines Herrschaftsgebiets entschied. Dagegen<br />
waren die Könige der Goten, Vandalen, Burgunder und<br />
schließlich die der Langobarden zu Herren ihrer arianischen<br />
Kirche geworden, die jeweils gleichsam den Platz der alten<br />
Stammesreligion einnahm. In den arianischen Reichen waren<br />
die Verbreitung der Glaubenslehre und die Kirchenordnung<br />
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