Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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auftretenden Meutereien unter den pannonischen und rheinischen<br />
Legionen.<br />
In diese Zeit fiel die innercheruskische Auseinandersetzung,<br />
in der sich vor allem Arminius und Segestes aufs heftigste befehdeten.<br />
Geht man davon aus, daß Tacitus in seiner berühmten<br />
Segestes-Rede eine relative Chronologie beachtete, dann<br />
dürfte der Anlaß für die Auseinandersetzungen der Raub<br />
Thusneldas gewesen sein. Es kam zum offenen Kampf; dabei<br />
gelang es Segestes sogar, seinen verhaßten Schwiegersohn<br />
festzunehmen, der jedoch bald von seinen Gefolgsleuten befreit<br />
wurde und nun seinerseits Segestes zum Gefangenen<br />
machte. Bald darauf vermochte sich Segestes zu befreien und<br />
sogar die von Arminius schwangere Tochter mit Gewalt in<br />
seinen Fürstensitz zu bringen, wo ihn Arminius kurz darauf<br />
seinerseits mit einer großen Gefolgschaft belagerte. Nun sandte<br />
Segestes seinen Sohn zu Germanicus, um dessen Hilfe zu<br />
erbitten. Der Feldzug im Frühjahr 15 führte zur Befreiung des<br />
Segestes, der mit Sohn und Tochter zu den Römern ging. Beide<br />
und den inzwischen geborenen Enkel Thumelicus sowie<br />
seinen Neffen Sigithank konnte Segestes von der Ehrenloge<br />
aus betrachten, als sie im Mai 17 im Triumphzug des Germanicus<br />
mitmarschieren mußten (Strabo I 7, 4). Thumelicus,<br />
der in Ravenna erzogen wurde, „hatte unter einem schmachvollen<br />
Spiel zu leiden“ (Tac. Ann. I 58, 6), aber man erfährt<br />
nicht, was ihm geschah; alt ist er jedenfalls nicht geworden,<br />
noch sah er jemals seinen Vater oder die Heimat.<br />
<strong>Die</strong> volle Konsequenz seines Verhaltens konnte Segestes<br />
selbstverständlich nicht voraussehen, zumal ihm Germanicus<br />
bei seinem Entsatz nicht nur einen linksrheinischen Wohnsitz,<br />
sondern auch Integrität und Sicherheit für sich, seine Kinder<br />
und Verwandten versprochen hatte. Aber die Begleitumstände<br />
seiner Unterwerfung und Selbstverbannung bedeuteten nicht<br />
bloß die Ausschaltung der romfreundlichen und friedensbereiten<br />
Gruppe. Vielmehr muß seine Vorgangsweise bei den meisten<br />
Cheruskern auch als „Neidingstat“ gegolten haben. Sogar<br />
der alte Römerfreund Inguomerus, der Vaterbruder des<br />
Arminius, der offenkundig in der Varus-Schlacht noch abseits<br />
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