Herwig Wolfram - Die Germanen.pdf - DIR
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ausübten. Daher waren die Barbarenheere auf römischem Boden<br />
für gewöhnlich auch römische Föderatenheere. Als Nachfolger<br />
der römischen Armee besaßen sie das Recht auf<br />
Machtübertragung, allerdings unter der Einschränkung, daß<br />
germanische Kriegsvölker keinen Kaiser, dafür aber einen<br />
König erhoben. Vom Standpunkt der spätrömischen Verfassung<br />
stellten daher die barbarischen Königreiche den - zumindest<br />
zeitweise gelungenen - Versuch dar, Theorie und<br />
Praxis der spätantiken Staatlichkeit zu versöhnen. Selbst ein<br />
spätantiker Geschichtsschreiber, mag er auch noch so sehr<br />
über The Decline and Fall of the Roman Empire (so der Titel<br />
des berühmten Buches von Edward Gibbon, 1737-1794) geklagt<br />
haben, hätte niemals daran gezweifelt, daß die barbarischen<br />
Königreiche zum politischen System des Reiches gehörten.<br />
Sie waren keine in das Imperium verlagerte barbarische<br />
Staatsgefüge, sondern nur innerhalb der römischen Reichsgrenzen<br />
möglich. Mag ihre Dauerhaftigkeit auch verschieden<br />
und ihr Rang niederer gewesen sein, so waren sie doch in<br />
gleicher Weise wie Byzanz die Erben des einstigen Imperium<br />
Romanum. Zu diesen Erben gesellten sich im 5. und 6. Jahrhundert<br />
die Slawen und die Araber, die sowohl die Barbarenreiche<br />
wie Byzanz bedrängten und regional verdrängten.<br />
Man fragt sich mit Recht, wieso die westliche Reichsregierung<br />
ihr Spiel verlor, während der Osten erstaunliche Überlebenskraft<br />
bewies. Quantifizieren ist heute eine beliebte Beschäftigung,<br />
die mitunter tatsächlich erstaunliche Einsichten<br />
bietet. <strong>Die</strong> Quellengrundlage ist freilich für die Frühzeit sehr<br />
dürftig. Nach derselben Methode und vor allem aus denselben<br />
Quellen erzielte Ergebnisse lassen sich jedoch miteinander<br />
vergleichen und besitzen daher einen relativen Erkenntniswert.<br />
Schätzt man das Konstantinopel der Zeit um 500 auf<br />
300000 bis 500000 Menschen, so nimmt man für das gleichzeitige<br />
gotische Toulouse bloß 15000 Bewohner an. Das heißt<br />
aber mit anderen Worten, daß in der Hauptstadt des Westgotenreichs<br />
und damit des Großteils der einstigen gallischen Präfektur<br />
weniger Menschen wohnten, als das auf etwa 20000<br />
Mann geschätzte Gotenheer betrug. Hingegen lebten in Kon-<br />
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