Spielzeit 2011/2012 - Theater Im Pfalzbau
Spielzeit 2011/2012 - Theater Im Pfalzbau
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vii. festspiele ludwigshafen<br />
sa, 3.12.<strong>2011</strong>, 19.30 uhr [ja]<br />
Axolotl Roadkill<br />
Nach dem Roman von Helene Hegemann<br />
regie: Bastian Kraft dramaturgie: Tarun Kade bühne: Peter Baur<br />
kostüme: Dagmar Bald mit: Lisa Hagmeister, Birte Schnöink,<br />
Cathérine Seifert, Victoria Trauttmanssdorff und Sebastian Zimmler<br />
Thalia <strong>Theater</strong> Hamburg<br />
einheitspreis: 21 ⁄ erm. 11 euro<br />
Das Literaturereignis Anfang 2010 war zweifellos die Veröffent li -<br />
chung von Axolotl Roadkill, Debütroman der damals 17jährigen<br />
Helene Hegemann. In ihm erzählt die Hauptfigur Mifti in einem<br />
gewaltigen Sprachstrom von ihrem Leben als wohlstandsverwahrloste Ju -<br />
gend liche im Berlin der Jetztzeit: Sex, Drugs and Techno. Sofort stürzten<br />
sich die Feuilletonheiligen der Republik auf die Autorin und feierten sie als<br />
dem Zeit geist entsprechendes Wunderkind. Als dann die Erkenntnis durch -<br />
drang, dass Helene Hegemann gar nicht selbst erlebt hatte, wovon sie<br />
schrieb, sondern Texte von Bloggern, Dichtern und Theoretikern zu Hilfe<br />
genommen hatte, schrie alle Welt laut »Plagiat«.<br />
Aus diesem schwer verdaulichen Tagebuch -<br />
no tizenwust ein <strong>Theater</strong> stück machen zu wollen,<br />
ist zumindest ein Wagnis. Am Thalia <strong>Theater</strong> in<br />
Hamburg haben Bastian Kraft und der Drama -<br />
turg Tarun Kade aus dem psychedelischen<br />
Rausch Helene Hegemanns eine Geschichte<br />
destilliert und eine kluge Textfassung für die<br />
Aufführung am Hamburger Thalia <strong>Theater</strong><br />
erstellt, die Abstand davon nimmt, grell ausgeleuchtete<br />
Fetischpartys, zugedröhnte Drogennächte und vollgekotzte<br />
Laken unter die Lupe zu nehmen. Bastian Kraft führt in seiner Inszen ier<br />
ung vielmehr die Suche eines zutiefst entwurzelt wirkenden Mädchens<br />
nach sich selbst vor Augen. Dabei hat er zusammen mit dem Bühnen bild -<br />
ner Peter Baur und der Kostümbildnerin Dagmar Bald zu einer verblüffenden<br />
Ästhetik gefunden, die auf der Bühne eine eigenwillige Komik entwikkelt:<br />
In abgefahrenen Outfits verkörpert das glänzend aufgelegte Schau -<br />
spiel ensemble abwechselnd die Hauptfigur Mifti sowie Mutter, Vater, Ge -<br />
schwister, beste Freundin und wem Mifti sonst noch so im Laufe ihrer<br />
nächt lichen Parcours begegnet. Kunterbunt flirrt das Teenager-Drama,<br />
ein gebettet in Big-Band-Swing, nostalgischen Show-Tunes und eingehüllt<br />
in 60er-Jahre Glanz vorbei. Ein Laufband wird zur eigentlichen Spielfläche,<br />
auf dem die Darsteller mit überdimensionierten Requisiten agieren, Ver -<br />
satz stücke aus Miftis Weg in die Welt der Erwachsenen, deren schönem<br />
Schein sie sich verweigert. Nur eines weiß Mifti ganz genau: Sie will nicht<br />
erwachsen werden. Mit pubertärer Lust ist sie darum bemüht, sich eine<br />
Alt er nativexistenz zu zimmern, mit zweifelhaftem Erfolg, wie sich zeigt,<br />
aber immerhin mit der Erkenntnis: »Es war schrecklich, aber ich bedaure<br />
es nicht!«<br />
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