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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

10<br />

<strong>die</strong> Musik, wo erst aus dem harmonischen<br />

Miteinander einzelner und für<br />

sich nicht wichtig scheinender Töne<br />

das Musikstück entsteht und <strong>die</strong> Töne<br />

ihre unverzichtbare Bedeutung erlangen,<br />

oder im Chorgesang, bei dem erst<br />

durch das aufeinander bezogene Gemeinschaftswerk<br />

des Singens der<br />

Chormitglieder ein harmonisches<br />

Chorlied werden kann, oder das Beispiel<br />

Gruppentanz bei Rolf Gardiner<br />

als volkbildendes Element 11 .<br />

So folgt denn auch Rosenstocks Arbeitslager-Konzept<br />

<strong>die</strong>ser kosmologischen<br />

Grundidee. Hier finden sich für<br />

einen begrenzten Zeitraum Menschen<br />

unterschiedlichster sozialer Klassen,<br />

Berufe und Lebensläufe oder Bildung<br />

zu nun gemeinsamem Tun zusammen.<br />

Eine Gemeinschaft, eine temporäre<br />

Arbeitsgemeinschaft, eine „Volksgruppe“,<br />

<strong>die</strong> „Volksgemeinschaft“ in<br />

gemeinsamer geistiger und körperlicher<br />

Arbeit erprobt. Der Tagesablauf<br />

selbst fußt dabei auf dem bereits aus<br />

der sportlichen Trainingslehre bekannten<br />

Prinzip, dass Leistung nur aus dem<br />

beständigen Wechsel von Anstrengung<br />

und Erholungsphasen entstehen<br />

kann. Das ist exakt das, was wir auch<br />

später bei Fritz Klatt in Prerow wiederfinden:<br />

Auf körperliche Arbeit folgt<br />

musisches Tun, dann wieder intensive<br />

Diskussionen über anspruchsvolle<br />

Themen, gefolgt von sportlichen Aktivitäten<br />

und schließlich ein zwangloses<br />

Beieinandersitzen am abendlichen Lagerfeuer<br />

am Strand bei dem man über<br />

sein Leben, seine Probleme, seine Arbeitswelt<br />

berichtet und sich austauscht.<br />

Die "schöpferische Pause"<br />

11 „Since polyphonic forms compelled obe<strong>die</strong>nce<br />

to a rigidly controlled structure, this was<br />

essentially 'statebuilding' music. Precisely the<br />

same principle applied to folk dancing which offered<br />

both 'a liberation of the spirit' but at the<br />

same time had a clearly defined hierarchical<br />

structure which ultimately required individual<br />

display to give way to group harmony.” zit.<br />

nach: Moore-Colyer, Richard F.: Rolf Gardiner,<br />

English patriot and the Council for the Church<br />

and Countryside.<br />

In: The Agricultural History Review. 49.2001,II,<br />

S. 187-209; S. 194<br />

Fritz Klatts bedeutet also nicht nur <strong>die</strong><br />

schöpferische, kreative Pause im Arbeitsprozess<br />

des Menschen, sondern<br />

wir können bei Klatt oder Rosenstock<br />

durchaus auch von einem "schöpferischen<br />

Wechsel" sprechen, der den Tagesablauf<br />

bestimmt. Und <strong>die</strong>ser<br />

Wechsel der Aktivitäten hat für <strong>die</strong><br />

Gemeinschaft, für <strong>die</strong> Gruppe, für <strong>die</strong>sen<br />

Nukleus einer „Volksgemeinschaft“,<br />

noch einen weiteren positiven<br />

Effekt im Hinblick auf das kosmologische<br />

Ziel der Volkbildung: jeder Teilnehmer<br />

hat <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, im<br />

Wechsel <strong>die</strong>ser unterschiedlichen<br />

Aktivitäten<br />

seine Stärken<br />

und seinen Nutzen<br />

für <strong>die</strong> Gruppe zu<br />

zeigen und damit<br />

Respekt bei anderen<br />

Teilnehmern zu gewinnen:<br />

Derjenige,<br />

der mir bei der körperlichen<br />

Arbeit unterlegen<br />

ist, erweist<br />

sich vielleicht in der<br />

Diskussion als überaus geschickt, ein<br />

anderer, der große Schwierigkeiten<br />

hat, in der Diskussion <strong>die</strong> schlagenden<br />

Argumente zu finden und Zusammenhänge<br />

zu verstehen, kann ein hoch<br />

begabter Musiker oder Sänger sein,<br />

oder zeigt sich dann im sportlichen<br />

Wettkampf überlegen. So hat jeder<br />

vielfach <strong>die</strong> Möglichkeit sich in seinen<br />

Stärken zu bewähren. Hier gibt es<br />

niemanden Unnützes. Anstrengung,<br />

Erholung, Steigerung der Effizienz<br />

durch Wechsel, Synergieeffekte durch<br />

Heterogenität der Teilnehmer - eine<br />

völlig andere Situation als im herkömmlichen<br />

Lernen in den Schulen<br />

oder Universitäten.<br />

Die Themen der drei Arbeitslager<br />

Themenbereich 1928: <strong>die</strong> Situation der<br />

Arbeiterschaft unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Lebensbedingungen<br />

der Jungarbeiterschaft.<br />

Insgesamt nahmen daran über 100<br />

Studenten Arbeiter und junge Bauern<br />

teil. Neben Rosenstock gehörte auch<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> zu den Referenten,<br />

der mit drei Beuthenburger Jungarbeitern<br />

aus Jena nach Löwenberg gefahren<br />

war, ferner Georg Götsch und Rolf<br />

Gardiner.<br />

Themenbereich 1929: Entvölkerung<br />

Schlesiens. Es ging um <strong>die</strong> schwierige<br />

Situation der schlesischen Landwirtschaft,<br />

besonders rechts der Oder und<br />

<strong>die</strong> verstärkte Abwanderung der<br />

Landbevölkerung in <strong>die</strong> Städte.<br />

Themenbereich 1930: Die Gefährdung<br />

der jungen Generation durch <strong>die</strong> Um-<br />

Rolf Gardiner im Löwenberger Arbeitslager<br />

schichtung der Berufe. Es war das erste<br />

Arbeitslager bei dem auch weibliche<br />

Teilnehmer vertreten waren. Die<br />

Moral blieb dadurch gewahrt, dass <strong>die</strong><br />

Damen im Hause wohnten und <strong>die</strong><br />

Herren sie auf dem Grundstück in einem<br />

Zeltlager quasi belagerten.<br />

Zum Konzept des Arbeitslagers gehörte<br />

auch jeweils eine Veranstaltung, <strong>die</strong><br />

meist nach dem ersten Drittel des<br />

Veranstaltungszeitraums angeboten<br />

wurde. Man lud externe Gäste zu Vorträgen<br />

und Diskussionen ein. Es waren<br />

gestandene Repräsentanten gesellschaftlicher,<br />

politischer, gewerkschaftlicher<br />

oder auch weltanschaulicher Institutionen<br />

oder erfahrener Vertreter<br />

einzelner Berufsgruppen <strong>die</strong> mit den<br />

jungen Teilnehmern der Arbeitslager<br />

diskutierten. Diese Veranstaltung<br />

<strong>die</strong>nte gewissermaßen dazu, <strong>die</strong> Jugendlichen<br />

nach einer Zeit des internen<br />

Diskutierens mit den Realitäten<br />

der Wirklichkeit zu konfrontieren und<br />

Meinungen abzugleichen. Nach Abreise<br />

<strong>die</strong>ser Gäste machte man dann, getreu<br />

dem Motto des schöpferischen

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