„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
3<br />
Da auch <strong>Adolf</strong>-<strong>Reichwein</strong>-Tag war,<br />
wurde selbstredend nicht nur der<br />
Hessische Apfel umsorgt und zerquetscht,<br />
wurden nicht nur emsig<br />
Stützfeiler in frischem Blau von unten<br />
nach oben durch Schülerinnen und<br />
Schüler zu neuem Glanz gestrichen,<br />
sondern es gab außerhalb des Apfelmuses<br />
in den Unterrichtsräumen auch<br />
Projektarbeit zum Thema <strong>Adolf</strong><br />
<strong>Reichwein</strong>. Das war nun zweifellos ein<br />
weiteres Glanzlicht <strong>die</strong>ser Tagung für<br />
uns, denn <strong>die</strong> <strong>Verein</strong>smitglieder hatten<br />
<strong>die</strong> Gelegenheit, <strong>die</strong>sen Projekten<br />
in den Klassen beizuwohnen und -<br />
soweit sie sich im Thema <strong>Reichwein</strong><br />
auskannten – auch kleine Tipps und<br />
Hilfen zu geben. Bewundernswert,<br />
wie gut manche <strong>die</strong>ser Schülerarbeiten<br />
ausfielen, wenn es beispielsweise<br />
galt, fiktive Briefe von <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
an seine Frau aus der Haft zu<br />
formulieren oder ein Gespräch zwischen<br />
beiden als Rollenspiel darzustellen.<br />
Der Berichterstatter kann nur<br />
respektvoll bezeugen, dass <strong>die</strong>se Er<br />
gebnisse erstaunlich dicht an der Realität<br />
waren, ohne dass <strong>die</strong> Schüler etwa<br />
den <strong>Reichwein</strong>-Briefband gelesen<br />
hätten.<br />
Was gab es sonst noch? Die Tagung<br />
begann mit einem Stadtrundgang, geführt<br />
vom Leiter des Wetterau-<br />
Museums, Johannes Kögler. Dem Besuch<br />
des bemerkenswert gut bestückten<br />
kleinen Museums folgte in der Judengasse<br />
das historische Judenbad<br />
(Mikwe) der seit 1241 in Friedberg<br />
angesiedelten jüdischen Gemeinde,<br />
ein Bau in mit 25 Metern schwindelerregender<br />
Tiefe.<br />
Dann ging es abschließend im letzten<br />
Büchsenlicht zum historischen Torturm<br />
der Burg, in dem sich einst das<br />
Wandervogelnest der Friedberger<br />
Wandervögel befand, zu denen auch<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> gehörte. Das wollten<br />
<strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong>ianer natürlich sehen!<br />
Aber wer <strong>die</strong> in der <strong>Reichwein</strong>-<br />
Literatur seit vielen Jahren verbreitete<br />
Zeichnung <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s in Erinnerung<br />
hatte, wird erstaunt darüber<br />
gewesen sein, wie schlecht <strong>Reichwein</strong><br />
den Torturm seinerzeit getroffen hat.<br />
Ihm zur künstlerischen Ehre sei jedoch<br />
verraten, dass wir seit Erscheinen<br />
der Werkausgabe nun endlich<br />
seit wenigen Monaten wissen, dass<br />
<strong>Reichwein</strong>s Zeichnung gar nicht das<br />
Wandervogelnest zeigt, sondern den<br />
Torturm des Schlosses Braunfels an<br />
der Lahn. Von sorgfältiger Recherche<br />
zeugt das nicht, ebenso, wie <strong>die</strong> Behauptung<br />
im Briefband und der<br />
Werkausgabe, Rolf Gardiner habe<br />
Landwirtschaft stu<strong>die</strong>rt und habe eine<br />
enge Freundschaft zu <strong>Reichwein</strong> gepflegt.<br />
Aber wer wird denn so pingelig<br />
sein. Damit wären wir beim nächsten<br />
Thema.<br />
Nach der Begrüßung und dem Dank<br />
unseres <strong>Verein</strong>svorsitzender, Prof. Dr.<br />
Konrad Vanja, an Schulleiterin<br />
Dorothee Hantschel und ihre Kolleginnen<br />
und Kollegen für <strong>die</strong> Gastfreundschaft<br />
in ihrer Schule, standen<br />
aus gegebenem Friedberger Anlass<br />
zwei Vorträge zum Thema „Jugendbewegung“<br />
an, allerdings leider nicht<br />
über deren frühe Jahre, in denen<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> noch im Friedberger<br />
Fähnlein wirkte und frohgemut Lieder<br />
aus dem Zupfgeigenhansl zur Klampfe<br />
schmetterte. Die Vorträge von Hans-<br />
Peter Thun und Klaus Schittko (beide<br />
in <strong>die</strong>sem Heft abgedruckt) beschäftigten<br />
sich vielmehr mit Jahren, in<br />
denen <strong>Reichwein</strong>, bereits den Wandervogelschuhen<br />
entwachsen, als<br />
Volkshochschullehrer und Dozent mit<br />
und in Gruppen das umsetzte, was er<br />
einst bei den Wandervögeln gelernt<br />
hatte. <strong>Reichwein</strong> war nicht, wie viele<br />
andere Jugendbewegte, lebenslang<br />
mit den Ideen und Lebensbildern der<br />
Jugendbewegung diskutierend und<br />
theoretisierend befasst, sondern hatte<br />
sich schon früh emanzipiert auf den<br />
beruflichen Weg gemacht, ohne indes<br />
seine Prägungen je zu verleugnen.<br />
Dabei begegnete er eben auch mehrfach<br />
besagtem Rolf Gardiner, der im<br />
Gegensatz zu <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> vielleicht<br />
doch etwas zu intensiv und zu<br />
lange in den Theorien von Volkes<br />
Scholle, Blut und Boden verharrte.<br />
Ein Vortrag von Eugen Ernst über Aspekte<br />
und Erinnerung an Kindheit und<br />
Jugend von <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> komplettierte<br />
<strong>die</strong> Reihe der Vorträge und<br />
stellte mit seiner Thematik auch eine<br />
gewisse Verbindung zwischen dem<br />
jungen Friedberger und Oberrosbacher<br />
und dem erwachsenen <strong>Reichwein</strong><br />
her. Eugen Ernst war lange Jahre<br />
als Hochschullehrer sowie Mitbegründer<br />
und Direktor des Freilichtmuseums<br />
Hessenpark in Neu-Anspach tätig<br />
und hatte <strong>Reichwein</strong>s Vater noch<br />
kennenlernen können.<br />
Schließen wir zunächst den Apfel- und<br />
Projekttag: Am Ende durfte <strong>die</strong> Familie<br />
<strong>Reichwein</strong>, getreu dem Lebensmotto<br />
von Bruder Martin Luther<br />
"Wenn ich wüsste, dass morgen noch<br />
ein sechster Band der Werkausgabe<br />
anstünde, würde ich heute noch ein<br />
Apfelbäumchen pflanzen", dann tatsächlich<br />
zum Spaten greifen und ein<br />
Apfelbäumchen einbuddeln.<br />
Schließen wir dann auch <strong>die</strong>sen Bericht<br />
stilvoll mit einem Musikstück.