„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
19<br />
Stammbäume Max E.W.K. Zwirner,<br />
Elisabeth Zwirner, geb. Schoengarth<br />
Briefe Hans Poelzig an Max und Elisabeth<br />
Zwirner, angeboten und veröffentlicht von<br />
Kotte Autographs GmbH<br />
Landkreis Löwenberg (Schlesien)/ Adressbuch<br />
1927-1935<br />
Adressbuch Hirschberg 1939<br />
Eine schwierige<br />
Freundschaft ...<br />
Rolf Gardiner<br />
und <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
Klaus Schittko<br />
Wenn ich im Radio den Namen des<br />
englischen Dirigenten John Eliot Gardiner<br />
gehört habe, habe ich öfter gedacht,<br />
dass er vielleicht etwas mit Rolf<br />
Gardiner, dem englichen<br />
Freund <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s, zu<br />
tun haben könnte. Am Sonnabend,<br />
18.12.2010, kurz nach<br />
18.00 Uhr gab es im NDR Kultur<br />
<strong>die</strong> Sendung: “John Eliot<br />
Gardiner im Gespräch. Der Dirigent<br />
und Chorleiter befragt<br />
von Christiane Irrgang”. J. E.<br />
Gardiner wurde in <strong>die</strong>sem Interview<br />
zur Bach-Pilgerreise<br />
im Jahr 2000 befragt, bei der<br />
<strong>die</strong> 198 geistlichen Kantaten<br />
Bachs aufgeführt und auch aufgenommen<br />
worden sind. Zum Schluss<br />
des Gespräches wurde er gefragt, wie<br />
er das Weihnachtsfest begehen werde.<br />
Er äußerte, dass er im Rahmen der<br />
Familie feiern werde, aber auch arbeiten<br />
müsse, denn er sei auch “Landwirt<br />
und Bauer” und habe 110 Kühe und<br />
900 Schafe mit zu versorgen. Da Rolf<br />
Gardiner ebenfalls aus Dorset kam<br />
und dort eine Farm besaß, “musisch<br />
und kulturpolitisch” gewirkt hatte, mit<br />
dem Musikpädagogen Georg Götsch<br />
befreundet war und mit <strong>die</strong>sem zusammen<br />
“musische Veranstaltungen”<br />
(LBD 1999, S. 285) organisiert hatte,<br />
sprach einiges dafür, dass er und J. E.<br />
Gardiner etwas miteinander zu tun<br />
haben müssen. Eine Nachprüfung im<br />
Internet unter dem Stichwort “John<br />
Eliot Gardiner” ergab: Gardiner, geboren<br />
am 20. April 1943, “ist der Sohn<br />
des englischen Erneuerers des Landlebens<br />
(rural revivaler) Rolf Gardiner<br />
und der Großsohn des Ägyptologen<br />
Alan Henderson Gardiner.” Und: “In<br />
seiner Freizeit betreibt Gardiner eine<br />
Farm auf organisch-dynamische Weise<br />
(an organic farm) in Springhead in<br />
Nord Dorset, <strong>die</strong> von seinem Großonkel,<br />
dem Komponisten Henry Balfour<br />
Gardiner, erworben worden war.”<br />
Im Folgenden mache ich zuerst Aussagen<br />
über Rolf Gardiner und kennzeichne<br />
dann <strong>Reichwein</strong>s und Gardiners<br />
gemeinsamen Ausgangspunkt aus<br />
der Jugendbewegung, beschreibe danach<br />
<strong>die</strong> Freundschaft der beiden, indem<br />
ich <strong>die</strong> Begegnungen zwischen<br />
ihnen anführe und <strong>die</strong> gegenseitigen<br />
Einschätzungen wiedergebe. Abschließend<br />
nehme ich zu ihrer Freundschaft<br />
Stellung, <strong>die</strong> aus meiner Sicht keineswegs<br />
einfach war.<br />
Vorweg ist noch darauf hinzuweisen,<br />
dass Gardiner sehr viel geschrieben<br />
und veröffentlicht hat, mehrere Aufsätze<br />
auch in deutscher Sprache; dabei<br />
hat er sich auch in zwei Texten besonders<br />
über <strong>Reichwein</strong> geäußert. Inzwischen<br />
gibt es auch einige Literatur<br />
über Gardiner; <strong>die</strong> letzte Veröffentlichung<br />
aus <strong>die</strong>sem Jahr ist das Buch<br />
von M. Jefferies/M. Tyldesley: Rolf<br />
Gardiner: Folk, Nature and Culture in<br />
Interwar Britain; darin wird <strong>Reichwein</strong><br />
allerdings nur einmal in der Einführung<br />
erwähnt (S. 14). In der deutschen<br />
Literatur gibt Auskünfte über Gardiner<br />
vor allem das “Lebensbild in Briefen<br />
und Dokumenten (1914 – 1944)” <strong>Adolf</strong><br />
<strong>Reichwein</strong>s, 1999 herausgegeben von<br />
Pallat, Gabriele C. u.a.; allerdings<br />
bleibt in <strong>die</strong>sem Buch <strong>die</strong> politische<br />
Position Gardiners weitgehend unbestimmt.<br />
Rolf Gardiner<br />
Rolf Gardiner wurde am 5.11.1902 in<br />
London als Sohn des Ägyptologen Sir<br />
Alan Gardiner geboren; ab Ende 1902<br />
lebte <strong>die</strong> Familie in Berlin, wo der Vater<br />
als Ägyptologe an der Erstellung<br />
des “Wörterbuch(s) der ägyptischen<br />
Sprache” mitarbeitete, danach wieder<br />
in England, wo Gardiner ab 1912 <strong>die</strong><br />
Internatsschule West Downs besuchte<br />
und dort im frühen Alter der Pfadfinderbewegung<br />
beitrat (vgl. Fowler<br />
2011, S. 21). Von 1921 bis 1924 stu<strong>die</strong>rte<br />
er moderne und mittelalterliche<br />
Sprachen in Cambridge, dabei betätigte<br />
er sich auch “musisch und kulturpolitisch”.<br />
Zu Beginn der 20er Jahre<br />
nahm er Kontakt zur deutschen Jugendbewegung<br />
auf. Vom 29. Juli bis 4.<br />
August 1922 nahm er an<br />
einer “Nordischen Jugendtagung”<br />
in Werleshausen<br />
teil; im September <strong>die</strong>ses<br />
Jahres unternahm <strong>die</strong><br />
“Englische Volksmusikbewegung”<br />
unter seiner Führung<br />
eine “Spielfahrt”<br />
durch Deutschland, u. a.<br />
auch nach Hellerau bei<br />
Dresden. Im August 1923<br />
fand in Hellerau <strong>die</strong> “Nordische<br />
Jugendtagung” statt,<br />
bei der sich <strong>Reichwein</strong> und Gardiner<br />
zum ersten Mal begegnet sind (vgl.<br />
Gardiner 1949, S. 20). Im Anschluss an<br />
<strong>die</strong>se Tagung wurde der “Lauensteiner<br />
Kreis” gegründet und ein Arbeitsbüro<br />
in Berlin eingerichtet. (vgl.<br />
Rocholl/Gardiner 1927, S. 144 und <strong>die</strong><br />
Briefe <strong>Reichwein</strong>s an seinen Vater, in:<br />
LBD 1999, S. 55, und an Gardiner, S.<br />
58f. und 59f.). Vom Februar bis Mai<br />
1926 führte Gardiner “mit deutscher<br />
Unterstützung eine Stu<strong>die</strong>nreise längs<br />
der deutschen Ostgrenzen”<br />
(Rocholl/Gardiner 1927, S. 144) durch.<br />
In <strong>die</strong>sem Jahr lernte er auch Georg<br />
Götsch kennen, mit dem ihn bald eine<br />
enge Freundschaft verband. Mit <strong>die</strong>-