„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012 64 Hochschulwoche“. Sie ist von den beiden genannten Geschäftsführern in enger Zusammenarbeit mit sächsischen und skandinavischen Kollegen vorbereitet worden. Die Zusammenkunft sollte ein Gesamtbild vom Stand der Volkshochschularbeit in Deutschland und Skandinavien vermitteln, zugleich aber auch dem Austausch über für alle Seiten gemeinsame Probleme und dafür geeignete Lösungswege dienen. Unter den im Band enthaltenen wirtschaftsbezogenen Schriften Reichweins gibt es einen Beitrag zur Wirtschaftskunde, der unvermutet eine Aussage zur Aufgabenstellung der Volkshochschule enthält. Danach „gehören in den Plan der Volkshochschule nur Stoffgebiete und Fragenkomplexe, die den arbeitendem Menschen wirklich lebensnah sind, d.h. von denen sie wissen, dass sie ihr Schicksal mitbestimmen oder mitbestimmen sollen“. Der hier von ihm eingenommenen Position, wonach die Volkshochschule im besten Sinne „Lebensschule“ sein soll, ist er in den für den Thüringer Verband geplanten und realisierten Veranstaltungen konsequent gefolgt. Prägnante Beispiele dafür waren die Lauensteinwoche sowie die pädagogisch-politische Konferenz zu Ostern 1925 in Jena. In deren Rahmen wurden in Verbindung mit der die Jetztzeit prägenden (groß-) industriellen Produktionsform mit ihrer seelenlos gewordenen Arbeit zugleich deren Auswirkungen auf die darin beschäftigten Arbeitskräfte in ihrem natürlichen Anspruch auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung aufgedeckt. Zugleich wurde untersucht, welche Wege zur Humanisierung der Arbeit beschritten werden können und welchen Beitrag dazu die Sozialpädagogik leisten kann. Am Beispiel des in zwei Gruppen jeweils zweiwöchigen Sommerlagers der Volkshochschule Thüringen im Volkshochschulheim von Fritz Klatt in Prerow lässt sich zeigen, dass es der Volkshochschule um den ganzen Menschen geht mit dem Anspruch auf Erholung bzw. Erneuerung der Kräfte als auch seinem Verlangen nach aktivem Schaffen. Diesem Bedürfnis wurde die Tätigkeit in zwei Arbeitsgemeinschaften gerecht, von denen eine die Geschichte, Gegenwartsverhältnisse sowie die Morphologie des Ostseeraumes in ihrer geologischen Bedingtheit zum Gegenstand hatte. Die zuletzt genannten Vorhaben lassen zugleich erkennen, dass erfolgreiche Volkshochschularbeit der engen Vernetzung ihrer Einrichtungen bedarf. Erwähnenswert ist auch, dass in der praktischen Arbeit sowohl das Modell der doppelten Geschäftsführung für einen Volkshochschulverband als auch das der gemeinsamen Leitung von Lehrgängen durch zwei Partner erprobt wurden. Ein das abgedruckte Schrifttum ergänzender und äußerst wertvoller Teil des Bandes enthält wichtige und aufschlussreiche Dokumente für den Zeitraum 1920 bis 1925. Darin sind die von Reichwein während des Studiums in Frankfurt a.M. und in Marburg besuchten Lehrveranstaltungen sowie der gesamte Promotionsvorgang vom Gutachten des Doktorvaters, dem Inhalt des Rigorosums mit den für die einzelnen Fächer verteilten Noten bis zu den Voten der Fakultätsmitglieder dokumentiert. Des Weiteren geben die Dokumente einen guten Einblick in das Wirken der Marburger Akademischen Vereinigung, die sich als studentische Erziehungsgemeinschaft „Erkennender“ verstand, durch die Berichte über die regelmäßig abgehaltenen Tagungen. Die Mitglieder der Vereinigung waren politisch äußerst aufgeschlossen und sehr regsam. Mit ihr blieb Reichwein auch nach Beendigung des Studiums als stets aktiv Mitwirkender bei ihren Tagungen eng verbunden. Breiten Raum in dem der Wiedergabe von Dokumenten dienenden Buchteil nehmen Berichte von Teilnehmern der Volkshochschulwochen und anderen von der Volkshochschule Thüringen getragenen Veranstaltungen ein, die das in vorangegangenen Abschnitten schon Ausgeführte bestätigen bzw. ergänzen. Aus dem Dokumententeil sind zwei von Frauen verfasste Erinnerungsschriften an Reichwein besonders hervorzuheben. Davon stammt eine von einer Studienfreundin von ihm aus der Frankfurter Studienzeit, die mit ihm und seinen Familien in erster und zweiter Ehe lebenslang eng verbunden blieb. Die zweite stammt von einer Mitarbeiterin aus der Zeit seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter für das Kinderhilfswerk in Berlin. Beide Darstellungen sind deshalb so bedeutungsvoll, weil in ihnen nicht ein unentwegt produktiv Schaffender im Mittelpunkt steht, sondern der Mensch Adolf Reichwein mit allen tiefer Menschlichkeit wesenseigenen Eigenschaften. Die Aufgabe der auf der Titelseite der einzelnen Bände angekündigten Kommentierung der Werkausgabe wird bandweise auf zweifache Art erfüllt. Erstens enthält jeder Band vor der Schriftenwiedergabe ein dem Umfang nach unterschiedlich langes und mit Grundinformationen zum Inhalt der darin erfassten Beiträge sowie mit Literaturverweisen ausgestattetes Editorial. Zum anderen enthält jeder Band mehrere Hundert umfassende Anmerkungen zu den abgedruckten Texten. Diese beinhalten sowohl biographische Angaben zu den in Reichweins Schriften genannten Persönlichkeiten sowie Erläuterungen zu allgemein weniger bekannten Sachverhalten und -zusammenhängen. Gültig für die gesamte Werkausgabe kann an dieser Stelle schon zum Ausdruck gebracht werden, dass sie außer ihrem hohen Wert für die Biographie Adolf Reichweins, die sich ja großenteils darin niederschlägt, für viele historische Disziplinen besondere Bedeutung erlangt. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang die Lokal-, Landes-, National-, Wirtschafts-, Volkshochschul- und Schulgeschichte mit Einschluss der Lehrerbildung und insbesondere auch die pädagogische Disziplin. III. In der Zeit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der „Volkshochschule Thüringen“, die ihren Geschäftssitz in Jena hatte, war Reichwein schon in der Stadt ansässig. Gleichzeitig wurde
eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012 65 er schon mit Vorträgen und der Leitung von Arbeitsgemeinschaften an der Jenaer Volkshochschule wirksam. Diesen Umständen ist es zu verdanken, dass er sich mit der sozialen Zusammensetzung der Jenaer Stadtbevölkerung und mit der Arbeit der städtischen Volkshochschule vertraut machen konnte. Dadurch war er auch in der Lage, mit einem wohl durchdachten und heute noch beeindruckenden Konzept die Leitung dieser Volkshochschule zum 1. Oktober 1925 anzutreten, die er bis zum Ende des Lehrjahres 1928/29 ausübte. Infolge der Berufung im Frühjahr 1929 in das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Leiter der Pressestelle und persönlicher Referent des Ministers konnte er seine Leitungsfunktion in Jena in den letzten Monaten nur noch kommissarisch ausüben. Das genannte Konzept war auf eine inhaltliche, strukturelle und methodische Umgestaltung an der Volkshochschule in Jena ausgerichtet. Inhaltlich trat an die Stelle einer allgemeinen Volksbildung die Arbeiterbildung, die unumstritten der Förderung der Arbeiterbewegung diente, strukturell wurde die bestehende Abendvolkshochschule um die nachstehend angeführten Einrichtungen erweitert. An der Wirtschaftsschule mit zweijährigen Lehrgängen nahmen Funktionäre teil, die für die Arbeiterbewegung tätig waren. Die Jugendvolkshochschule war für politisch engagierte Angehörige der Arbeiterjugend bestimmt und bestand während des ganzen Zeitraumes, in dem Reichwein als Leiter der Jenaer Volkshochschule tätig war. Ihre Teilnehmer trafen sich abwechselnd an den Sonnabenden und Sonntagen für Teile des Tages zu sportlichen Aktivitäten und zu Aussprachen zu Gebieten der Wirtschaftsstruktur Mitteldeutschlands, die zur Veranschaulichung auch mit Exkursionen in die betreffenden Wirtschaftsregionen verbunden waren. Schließlich diente der Erweiterung der Volkshochschule in Jena die am 1. Mai 1926 vollzogene Eröffnung eines Volkshochschulheimes. Das Heim nahm zu zehnmonatigen Lehrgängen eine kaum die Zehnergrenze überschreitende Anzahl von Jungarbeitern aus den Jenaer Großbetrieben der Zeiss- und Schottwerke auf. Die Teilnehmer gingen wochentags ihrer Arbeit nach und nahmen an mehreren Abenden der Woche an Arbeitsgemeinschaften zur Natur-, Wirtschafts- und Staatslehre teil. Durch Beitragszahlungen für Unterkunft und Verpflegung gewährleisteten sie, dass sich das Heim in wirtschaftlicher Hinsicht selbst tragen konnte. Den Abschluss der Lehrgänge bildeten jeweils mehrwöchige und den geistigen Horizont erweiternde Auslandsreisen, von denen die Skandinavienreise 1928 und die im Jahr darauf folgende Balkanreise, an der sich auch Angehörige der schlesischen Jungmannschaft beteiligten, hervorzuheben sind. Besondere Anerkennung verdient die Tatsache, dass an der Jenaer Volkshochschule während einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit eine größere Anzahl von Kursen für Arbeitslose eingerichtet wurde, die dazu verhalfen, dass einzelne Kursbesucher wieder ein Arbeitsverhältnis fanden. Von den damals im Jenaer Volkshaus für eine Werkgenossenschaft eingerichteten Werkstätten konnte eine sogar längere Zeit erhalten bleiben. Im Unterschied zu dem in der damaligen Volkshochschulpraxis üblichen Vortragswesen bildeten seit der Übernahme der Leitung der Jenaer Volkshochschule durch Reichwein die Arbeitsgemeinschaften die methodische Grundlage ihrer Tätigkeit zur Erwachsenenbildung. Diese Methode hatte auch den Vorteil, dass damit sowohl die geistigen Fähigkeiten der Hörer als auch die Gemeinschaftsbildung unter ihnen gefördert wurden. In Anbetracht der im zweiten Band vereinten Schriften erscheint es als angebracht, sie thematisch zu gruppieren. Eine erste Gruppe würde alle die Arbeit der Jenaer Volkshochschule betreffenden Schriften umfassen, eine zweite das Schrifttum, das in Verbindung mit der fast einjährigen Forschungsreise steht, die Reichwein mit Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft 1926/27 unternommen hat. Sie führte ihn durch Nordamerika, Mexiko und in Fortsetzung der Schiffsreise, während der er als Kadett diente, zu den Philippinen, nach China und Japan. Einer dritten Gruppe sind die Arbeiten zu verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zugeordnet. Die auf die Arbeit der Volkshochschule Jena bezogenen Schriften sind vielfältig. Sie charakterisieren die den neu geschaffenen Einrichtungen zugeordneten Aufgaben, informieren über Verlauf und Ergebnisse von Aussprachen zu ausgewählten Themen, denen einführende Darlegungen durch ausgewiesene Experten vorausgingen, ziehen kritische Bilanz über abgeschlossene Lehrabschnitte wie beispielsweise über den Herbstlehrgang 1925, markieren den in einem längeren Zeitraum ihres Bestehens eingetretenen Wandel in der Erwartungshaltung der Hörer an die inhaltliche Ausrichtung der Volkshochschularbeit, verweisen auf die Erweiterung des Lehrstoffs durch Einbeziehung der neuen Gebiete, welche die Menschenkunde sowie die Volks- und Länderkunde betreffen; nicht zuletzt geben sie Auskunft über geplante und nicht verwirklichte Projekte wie die Errichtung eines eigenen Volkshochschulbaus. Vielzählige Schriften zur Volkshochschularbeit enthalten kurz gefasste Anmerkungen, Ankündigungen sowie Informationen zum Wirken der Volkshochschule in lehrgangsfreier Zeit. Im Gegensatz zu derartigen Kurzschriften stehen mehrseitige Artikel von Reichwein etwa zur Begründung von Auslandsreisen, über den dafür gewählten Reisestil, zur Bilanzierung der Skandinavienfahrt 1928 mit den Teilnehmern des zweiten Heimlehrgangs sowie ein ausführlicher dreiteiliger Bericht über diese Reise zum Norden. In einem Radiovortrag zur Jungarbeitererziehung hat er die Charaktererziehung in den Vordergrund gerückt, der es vor allem auf die Stärkung der Willenskraft und des Durchhaltevermögens ankommt. Die Teilnahme Reichweins mit einer
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