„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012 74 Reichwein, 1898 in Ems geboren, von den Nationalsozialisten 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet, war Kulturpolitiker, Pädagoge und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Der Lehrersohn studierte von 1920 bis 1923 Geschichte und Staatsbürgerkunde in Marburg. In einem Brief Reichweins aus Marburg, den Metz-Becker zitiert, heißt es: „Studium und Menschen sind hier sehr interessant und aufregend". Später war der verheiratete Vater von vier Kindern Professor in Halle und als Pädagoge in Berlin tätig. Reichwein war laut Metz-Becker an der Niederschlagung des Kapp-Putsches aktiv beteiligt. Über sein Leben ist in entsprechenden Quellen nachzulesen: Schwer verwundet kehrt er aus dem Ersten Weltkrieg zurück, studiert zunächst in Frankfurt, wechselt dann nach Marburg, wird Mitglied der Akademischen Vereinigung. An der Philipps-Universität promoviert er über die geistigen und künstlerischen Einflüsse Chinas auf Europa im 18. Jahrhundert. In Jena gründet und leitet er die Volkshochschule und das Arbeiterbildungsheim. In seinem „Hungermarsch" durch Lappland beschrieb er, aus der Wandervogel-Bewegung kommend, tagebuchartig eine extreme Wanderung mit jungen Arbeitslosen in den hohen Norden. Kreisauser Kreis an, ist im Falle eines erfolgreichen Umsturzes sogar als Kultusministerkandiat vorgesehen. Julius Leber, Reichstagsabgeordneter der SPD und ebenfalls Widerstandskämpfer, trifft sich mit Reichwein Ende Juni 1944 mit mehreren führenden Mitgliedern der Operativen Leitung der KPD in Deutschland, von denen aber einer offenbar ein Spitzel der Gestapo ist. Auf dem Weg zu einem erneuten Treffen mit den Kommunisten wird Reichwein am 4. Juli 1944 von der Gestapo verhaftet und nach einem Prozess unter Roland Freisler vor dem Volksgerichtshof am 20. Oktober 1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee erhängt. Zahlreiche Stätten, Schulen und Straßen sind nach ihm benannt. Zur Erinnerung, an Adolf Reichwein finden sich in Marburg, ein Archiv und ebenfalls eine Schule, die seinen Namen tragen. Am Haus Nikolaistraße 3, in dem die Akademische Vereinigung tagte, der Reichwein angehörte, ist eine Gedenktafel angebracht. Auch in Limburg ist eine Schule nach Adolf Reichwein benannt Der im Marburger Wenzel Verlag erschienene Führer „Hundert Menschen - Hundert, Orte" kann über den Handel, im Marburger Haus der Romantik oder beim Verlag erworben werden. Er kostet 7,50 Euro. „Schaffendes Schulvolk” Reichwein nimmt an den Löwenbergen Arbeitslagern teil, wird Berater des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker. In Halle/Saale wird er Professor an der neu gegründeten Pädagogischen Akademie. Die Nazis entlassen ihn nach der Machtergreifung aus politischen Gründen. Als Volksschullehrer in Tiefensee führt er vielbeachtete Unterrichtsversuche im Sinne der Reformpädagogik und speziell der Arbeitspädagogik und Projektarbeit durch. In seinem Werk „Schaffendes Schulvolk" nennt er Fahrten, handlungsorientierten Unterricht mit Schulgarten und jahrgangsübergreifende Vorhaben als Schwerpunkte. Reichwein teilt die Unterrichtsinhalte ein in einen Sommerkreis mit Natur- und Weltkunde und einen Winterkreis mit dem Mensch als Gestalter in seiner Landschaft. Experten halten fest: „Für den Sachkundeunterricht und seine Geschichte hat er dabei wichtige historische Dokumente geliefert. Es folgen der Wechsel ans Museum für Volkskunde in Berlin mit museumspädagogischer Arbeit. Reichwein produziert an der Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht viele Unterrichtsfilme. Im Widerstand gegen Hitler schließt er sich dem 22. 09. 2011 Leserbriefe Pädagoge, Widerständler und Persönlichkeit Adolf Reichwein wirkt fort Zum Beitrag mit der Überschrift „Die Nazis richten Adolf Reichwein hin", erschienen am 18. September auf den Seiten „Heimat an Lahn und Dill", erreichte die Redaktion der folgende Leserbrief. Über meine verstorbene Frau Lieselotte, geb. Rompel, eine Verwandte Adolf Reichweins, die ihn noch persönlich gekannt hat, habe ich einen guten Zugang zur Person Adolf Reichwein, seinem Leben und Wirken bekommen. Er muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein. Eine schwere Verwundung im Ersten Weltkrieg und zahlreiche Studienreisen und Exkursionen durch Nordamerika, Alaska und Mexiko, Japan und China, durch Südosteuropa und Skandinavien, darunter sein berühmter, von ihm selbst in einem kleinen Buch beschriebener „Hungermarsch durch Lappland” mit jungen Arbeitslosen, haben sei-
eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012 75 nen Horizont geweitet und seine Persönlichkeit geprägt. Sein Vater Karl Reichwein wurde 1872 in Heckholzhausen geboren und lebte dort bis 1888. Karl hatte zwei Brüder, Wilhelm und Gottfried. Ein Enkel von Wilhelm Reichwein lebt heute noch mit Sohn und Tochter in Heckholzhausen, direkt gegenüber vom Geburtshaus Karl Reichweins. 1982 wurde der Adolf-Reichwein-Verein gegründet. Dieser Verein sammelt und bewahrt das Erbe Adolf Reichweins und stellt es für pädagogische und sonstige Fragestellungen zur Verfügung. Er tut dies unter anderem über die Vereinszeitschrift „reichweinforum", das Adolf-Reichwein-Archiv, die Adolf- Reichwein-Werkausgabe und die jährlich ein bis zwei Tagungen an verschiedenen Orten in Deutschland, in denen Reichwein Spuren hinterlassen hat. So fand die Frühjahrstagung 2009 in Marburg statt, und in diesem Jahr treffen wir uns vom 30. September bis 1. Oktober zur Herbsttagung in Friedberg in Zusammenarbeit mit der dortigen Adolf-Reichwein-Schule des Wetteraukreises. Viele öffentliche Anlagen und Einrichtungen wie Straßen, Plätze und natürlich vor allem Schulen tragen seinen Namen, so zum Beispiel die Adolf-Reichwein- Schule in Pohlheim bei Gießen, dessen Leiter Norbert Kissel auch aus Heckholzhausen stammt, und die Adolf-Reichwein-Schule in Limburg. Reichwein war hoch intelligent, weltoffen, seiner Zeit weit voraus und eine starke Persönlichkeit. Es lohnt sich, sich näher mit ihm zu befassen. Heinrich Bachmann, Heckholzhausen Die Forums-Beiträge stellen, soweit nicht im Artikel selbst anderweitig gekennzeichnet, nicht immer die Meinung der Redaktion oder des Vereins dar und liegen somit ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen Autoren.
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