„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
20<br />
sem zusammen organisierte er mehrere<br />
musikalische Veranstaltungen und<br />
Treffen in Deutschland und England.<br />
Es kam bereits 1926 zu einem Treffen<br />
des Geestländer Tanzkreises (A.<br />
Helms-Blasche), der Cambridger Männertanzschar<br />
(R. Gardiner) und der<br />
Märkischen Spielgemeinde (G. Götsch)<br />
in Hamburg und Lübeck.<br />
1927 veröffentlichten Heinz Rocholl<br />
und Rolf Gardiner das Buch “Ein neuer<br />
Weg. Offene Aussprache zwischen<br />
deutscher und englischer Jugend”. Sie<br />
veröffentlichten hiermit <strong>die</strong> zusammengefassten<br />
Gespräche einer Aussprache<br />
zu acht Themenbereichen im<br />
Rahmen einer Englandfahrt deutscher<br />
Bünde. Zum Thema “Gibt es eine<br />
Schicksalsgemeinschaft der nordischen<br />
Völker?” äußerten sich der<br />
Deutsche Friedrich Solger (1927, S.<br />
60ff.) und Rolf Gardiner als Engländer<br />
(S. 64ff.). In seinem Beitrag hebt Gardiner<br />
hervor, dass Europa zwischen<br />
den “zwei Mühlsteinen” (S. 66) Amerika<br />
und Asien liege; es müsse einen<br />
“Mittelpunkt ruhiger Kraft” (S. 67) geben.<br />
Erforderlich sei eine Einheit “aus<br />
den alten stammverwandten Völkern<br />
Nordeuropas, den keltogermanischen<br />
Völkern zwischen Adria und Arctis, der<br />
Weichsel und der Atlantis: <strong>die</strong> Stämme<br />
Ygdrasils 34 um Ost- und Nordsee” (S.<br />
67). Er plä<strong>die</strong>rt besonders auch für<br />
“eine Verbindung zwischen englischem<br />
und deutschem Wesen und Lebensrhythmus”<br />
(S. 68). Diese Vorschläge<br />
für eine Einheit der “nordischen<br />
Völker” rührten seiner Meinung<br />
nach “an etwas Tieferem in unserem<br />
Herzen, an der innersten Verbundenheit<br />
der Seele und des Blutes, <strong>die</strong> das<br />
Wesen der Religion ausmacht” (S. 69).<br />
Im März 1928 (14. - 31.3.) nahmen<br />
Gardiner, Götsch und <strong>Reichwein</strong> an<br />
der 1. Schlesischen Woche im Boberhaus/Löwenberg<br />
teil. Thema <strong>die</strong>ses<br />
Arbeitslagers mit Arbeitern, Bauern<br />
und Studenten waren <strong>die</strong> sozialen<br />
Probleme des Waldenburger Reviers<br />
34 Ygdrasil, “a winter tree with long lusty roots<br />
in the dark earth” (so Gardiner in einem Brief<br />
vom 13.12.1926 an D. H. Lawrence; in: Jefferies/Tyldesley<br />
2011a, S. 13)<br />
(vgl. Greiff 1985, S. 21; Amlung 1999,<br />
S. 204ff.). Referent bei <strong>die</strong>sem Arbeitslager<br />
war neben Eugen Rosenstock-<br />
Huessy <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>. 1927 bis<br />
1929 half Gardiner seinem Freund<br />
Götsch bei den Vorbereitungen für <strong>die</strong><br />
Gründung des Musikheims in Frankfurt/Oder,<br />
für <strong>die</strong> <strong>die</strong> Unterstützung<br />
des preußischen Kultusministers Carl<br />
Heinrich Becker und des Frankfurter<br />
Oberbügermeisters Kinne gewonnen<br />
werden konnte. Aber nicht allein “Singen<br />
und Tanz” waren nach Gardiner<br />
der Zweck <strong>die</strong>ses Musikheims: “Man<br />
war bemüht, hier für <strong>die</strong> erwachte<br />
junge Generation der nordeuropäischen<br />
Länder einen `Leuchtturm im<br />
Osten´ zu errichten.”(Gardiner 1963,<br />
S. 140) Als kulturelles Zentrum sollte<br />
das Musikheim dem Wiederaufbau<br />
der deutschen Ostprovinzen <strong>die</strong>nen, d.<br />
h. der Landflucht und der Abwanderung<br />
von Führungskräften nach dem<br />
Westen entgegenwirken. Gardiner<br />
spricht vom “Ziel” der Jugendbewegung,<br />
<strong>die</strong> “Landschaften, wo sie im<br />
Verfall waren, wieder zu verlebendigen”<br />
(1967b, S. 290; vgl. Götsch<br />
1953a). Das Musikheim sollte damit<br />
im “deutschen Osten” eine wichtige<br />
Rolle bei der “Erneuerung Europas als<br />
dritter Kraft zwischen Amerika und<br />
Rußland” (Gardiner 1963, S. 140) spielen.<br />
1927 übernahm Gardiner von seinem<br />
Onkel <strong>die</strong> Gore Farm in Dorset; es<br />
konnten insgesamt “700 ha Ödland”<br />
zusammengebracht werden, <strong>die</strong> für<br />
Forst- und Landwirtschaft genutzt<br />
wurden. Gardiner strebte damit eine<br />
“Erneuerung der Landschaft” an; er<br />
schreibt: “Unser Anliegen war, das<br />
Wirtschaftliche mit der Musischen und<br />
schließlich mit dem Religiösen in Einklang<br />
zu bringen.” (1963, S. 141) 1933<br />
wurde das Zentrum Springhead<br />
(Fontmell Magna) eingeweiht; es entwickelte<br />
sich “zu einem agrarischen<br />
und kulturellen Zentrum” (LBD 1999,<br />
S. 285), das auch häufig von Gästen<br />
aus der deutschen Jugendbewegung<br />
besucht wurde. Der Land- und Gartenbau<br />
wurde in Dorset nach biologisch-organischen<br />
Gesichtspunkten<br />
betrieben und war ein wichtiger Beitrag<br />
für eine neue “ökologische Landschaftsgestaltung”.<br />
Gardiner hat mit<br />
Springhead <strong>die</strong> ihm am Boberhaus und<br />
Musikheim in Frankfurt/Oder klar gewordene<br />
Idee der Schaffung eines<br />
“landschaftlich gebundenen Mittelpunktes”<br />
für kultur- und sozialpolitische<br />
Einsätze (vgl. 1963 und 1967b),<br />
aufgeriffen und auf seine Weise umgesetzt.<br />
Springhead wurde dann auch<br />
als “englisches Gegenstück zum Musikheim”<br />
(Georg Götsch 1969, S. XXII)<br />
in Frankfurt gesehen. 1936 machte<br />
der Deutsche Singkreis unter Götschs<br />
Leitung eine große Englandreise und<br />
beendete sie auf Springhead. Von nun<br />
an betreute Götsch auch <strong>die</strong> Sommerschule<br />
des Springhead-Ringes und<br />
wurde zum “eigentlichen Chorleiter”<br />
des Springhead Chores. An der Sommerschule<br />
des Springhead-Ringes<br />
1938 nahm neben Götsch auch<br />
<strong>Reichwein</strong> teil (s. u.). Diese deutschenglischen<br />
Kontakte wurden nach Ende<br />
des 2. Weltkrieges wieder aufgenommen.<br />
Gardiner hat sich nach 1949<br />
für <strong>die</strong> Gründung einer Musischen<br />
Akademie in Westdeutschland eingesetzt;<br />
klar war dabei, dass Götsch ihre<br />
Leitung aus Gesundheitsgründen nicht<br />
mehr übernehmen konnte (vgl. Gardiner<br />
1969c, S. 263).<br />
Gardiner wird von englischer Seite<br />
vorgeworfen, dass er mit den Nazis<br />
sympathisiert und sich antisemitisch<br />
geäußert habe (vgl.<br />
http://en.wikipedia.org/wiki/ Rolf<br />
_Gardiner).<br />
Er hat sich 1933 in einem Aufsatz über<br />
“Die deutsche Revolution von England<br />
gesehen” geäußert. Durch <strong>die</strong> “deutsche<br />
Revolution” mit den Nationalsozialisten<br />
als “Speerspitze” (1933, S. 13)<br />
sei eine “nationale Einheit” hergestellt<br />
worden; <strong>die</strong>se Revolution sei dabei<br />
“Resultat organischen Wachstums” (S.<br />
10). Eine wichtige Rolle spielte hier<br />
seiner Meinung nach <strong>die</strong> “deutsche<br />
Jugend”, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Parteien ablehne und<br />
das “Vaterland” in “Fahrten”, “Arbeitslagern”,<br />
“Volkshochschulen” und “Pädagogischen<br />
Akademien” anstrebe.<br />
Sie praktiziere dabei “Führerschaft”<br />
und “Gemeinschaftsleben” durch<br />
“Zucht der Bindung” (S. 12). Zur Frage,<br />
ob Juden “Sündenböcke” seien, unterschied<br />
er zwischen den “westlichen