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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

67<br />

sozialgeschichtlichen Abriss für <strong>die</strong>sen<br />

Erdteil bietet, seien folgende Sachverhalte<br />

hervorgehoben:<br />

Die Bevölkerung setzt sich aus den<br />

Schichten der Eingeborenen, der ins<br />

Land verfrachteten Negersklaven sowie<br />

den Eingewanderten aus 25 Ländern<br />

mit gleicher Anzahl unterschiedlicher<br />

Sprachen zusammen. Die im 16.<br />

Jahrhundert einsetzende Einwanderung<br />

erlangte im 18. Jahrhundert<br />

Massencharakter und war von anhaltender<br />

Dauer, bis sie durch <strong>die</strong> 1924<br />

erlassenen Sperrgesetze unterbunden<br />

wurden.<br />

In wirtschaftlicher Hinsicht führte <strong>die</strong><br />

Einwanderung durch den Einsatz verfügbarer<br />

billiger Arbeitskräfte zu hoher<br />

Kapitalanhäufung. Produktivitätsund<br />

Qualitätsverluste infolge der Beschäftigung<br />

technisch nicht vorgebildeter<br />

Arbeitskräfte wurden durch <strong>die</strong><br />

in Amerika zeitgleich mit dem Maschinenzeitalter<br />

frühzeitig einsetzende<br />

Industrialisierung überwunden.<br />

Diese führte dazu, dass sich in den<br />

Schlüsselindustrien das Verhältnis<br />

zwischen den Einheimischen und Zugewanderten<br />

auf 20:80 verschob. Für<br />

<strong>die</strong> Lohnempfänger wirkte sie sich insofern<br />

positiv aus, als sie eine Lohnerhöhung<br />

um 15 % erhielten.<br />

In der Geschichte der amerikanischen<br />

Arbeiterbewegung traten seit der<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere<br />

einander ablösende Organisationen in<br />

Erscheinung. Im Land der Banken und<br />

Aktiengeschäfte hat sich der spekulative<br />

Trieb nach Anteilen an Unternehmen<br />

auch in der Arbeiterschaft<br />

ausgebreitet.<br />

In China war <strong>Reichwein</strong> von dem quirlenden<br />

Leben auf den Straßen der<br />

Städte beeindruckt. Durch Bilder veranschaulicht<br />

berichtete er über <strong>die</strong> in<br />

wirtschaftlicher Hinsicht gravierende<br />

Rückständigkeit des Landes. Dazu<br />

standen von ihm selbst besichtigte,<br />

bewundernswerte Kunstwerke in direktem<br />

Gegensatz.<br />

In Japan verfolgte er <strong>die</strong> Arbeiter- und<br />

Bauernbewegung auf ihrem langen<br />

und mühevollen Weg, bis es ihr gelang,<br />

<strong>die</strong> von der Regierung auf gesetzlichem<br />

Weg errichteten Hindernisse<br />

zu beseitigen, so dass erst 1912<br />

eine Gewerkschaft der Industriearbeiter<br />

entstehen konnte, 1919 ein <strong>die</strong><br />

Einzelgewerkschaften umfassender<br />

Gewerkschaftsbund und 1926 <strong>die</strong> Arbeiter-<br />

und Bauernpartei. Zwei Jahre<br />

nach dem Erscheinen des Beitrages<br />

mit den angeführten Inhaltsangaben<br />

ließ <strong>Reichwein</strong> 1929 einen zweiten<br />

folgen, in dem er <strong>die</strong> Arbeit der mit<br />

der Natur verbundenen und <strong>die</strong>se gestaltenden<br />

Bauern sowie den hohen<br />

Nutzen ihrer Arbeit für das Leben der<br />

achtzig Millionen zählenden Bevölkerung<br />

würdigt.<br />

Die dritte Schriftengruppe enthält eine<br />

Abhandlung zur Intensivierung der<br />

Landwirtschaft durch <strong>die</strong> Anwendung<br />

von Kunstdünger zur Steigerung des<br />

Bodenertrags. Dazu gehört ferner <strong>die</strong><br />

umfangreiche Stu<strong>die</strong> zur Weltwirtschaft,<br />

<strong>die</strong> ihren Verfasser durch das<br />

gleichermaßen tiefe wie umfassende<br />

Eindringen in <strong>die</strong> Materie des hervorragenden<br />

Experten mit großem Weitblick<br />

auf <strong>die</strong>sem Feld ausweist. Die<br />

Stu<strong>die</strong> geht den in der weltweiten<br />

wirtschaftlichen Entwicklung während<br />

eines längeren Zeitraumes eingetretenen<br />

wesentlichen Veränderungen<br />

nach. Einer Etappe, in der das gesamte<br />

Wirtschaftsgeschehen von Europa<br />

aus dominiert war, folgte <strong>die</strong> nächste<br />

mit der Konzentration auf <strong>die</strong> Interessen<br />

der einzelnen Nationen. In <strong>die</strong>sem<br />

Zeitraum arbeiteten sich ehemals kolonial<br />

beherrschte Länder rasch an<br />

den Status der führenden Wirtschaftsnationen<br />

heran. Die in der Abhandlung<br />

getroffenen Feststellungen<br />

sind durch zahlreiche statistische Angaben<br />

untermauert. Den Ausweg aus<br />

den von den Eigeninteressen geleiteten<br />

Nationalwirtschaften und dem<br />

dadurch bewirkten „Kampf aller gegen<br />

alle“, dem Grundleiden der kapitalistischen<br />

Wirtschaftsordnung, sah<br />

<strong>Reichwein</strong> in einer „auf exakter wissenschaftlicher<br />

Grundlage“ beruhenden,<br />

somit von einem „organisierenden<br />

Prinzip“ getragenen globalen<br />

„Planwirtschaft“.<br />

1929 hat <strong>Reichwein</strong> für <strong>die</strong> „Sozialistischen<br />

Monatshefte“ den sehr ver<strong>die</strong>nstvollen<br />

Beitrag über Anthropogeographie<br />

verfasst, der im gleichen<br />

Jahr mit Fortsetzungen in vier Heften<br />

der Schriftenreihe erschienen ist. Dabei<br />

enthalten alle Teile den Extrakt<br />

neu erschienener Literatur. Der erste<br />

Teil bezieht sich auf China und Mexiko<br />

und stellt für <strong>die</strong> Zukunft des chinesischen<br />

Reiches <strong>die</strong> Leistung seines Visionärs<br />

Sun Jat Sen in den Vordergrund.<br />

Mexiko betreffend ist besonders<br />

hervorzuheben, dass <strong>die</strong> indianische<br />

Urbevölkerung aus dem asiatischen<br />

Norden eingewandert ist.<br />

In Fortsetzung zu Teil 1 wendet sich<br />

<strong>die</strong> Abhandlung den Filipinos und Indianern<br />

in Amerika zu. Die Zuwanderung<br />

der Filipinos hing mit der besseren<br />

Bezahlung ihrer Arbeitskraft zusammen.<br />

Über ihre Rechtsstellung in<br />

Amerika bestand keine einheitliche<br />

Auffassung. Hinzu kommt, dass sie<br />

aus gewerkschaftlicher Sicht als Gefahr<br />

für einheimische weiße Arbeitskräfte<br />

galten.<br />

Zum indianischen Bevölkerungsteil<br />

wird außer der Anpassung an <strong>die</strong> gegebene<br />

Zivilisation eine rapide Abnahme<br />

seiner Kopfzahl infolge einer<br />

um 95 % höheren Sterblichkeitsrate<br />

gegenüber der Gesamtbevölkerung<br />

konstatiert. Eine Art Entrechtung besteht<br />

für <strong>die</strong> Indianer im Norden Amerikas<br />

durch <strong>die</strong> Bestimmung, wonach<br />

das von ihnen besessene Land im Todesfall<br />

verkauft werden muss mit der<br />

Folge einer Enterbung. Nachteilig für<br />

<strong>die</strong> Indianer ist auch <strong>die</strong> Tatsache,<br />

dass ihre Kinder, bei Fehlen einer Tagesschule<br />

eine entfernte Internatsschule<br />

besuchen müssen, wodurch<br />

der erzieherische Einfluss der Familie<br />

auf sie beträchtlich reduziert wird.<br />

Der dritte zur Anthropogeographie<br />

erschienene Teil wendet sich der großen<br />

Völkerwanderung zu, <strong>die</strong> nach<br />

Abschaffung der Leibeigenschaft, dem<br />

Erlangen der individuellen Freiheit im<br />

Ergebnis der Französischen Revolution<br />

und infolge der beginnenden Industrialisierung<br />

einsetzte. Sie übertraf<br />

alle bisherigen Wanderungen, kam<br />

aus allen Kontinenten und vollzog sich<br />

auch zwischen denselben.<br />

Der Zuführung neuer Arbeitskräfte<br />

auf den amerikanischen Kontinent<br />

<strong>die</strong>nte außer der Zuwanderung ein<br />

„Kontraktsystem“, das gewährleistete,<br />

dass <strong>die</strong>se in der benötigten An-

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