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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

25<br />

<strong>die</strong> Musikinstrumente, ein Treibhaus.<br />

<strong>Reichwein</strong> habe mit seinen “sparsamen<br />

Methoden” gezeigt, wie <strong>die</strong> Kinder<br />

“ohne Hilfe eines teuren Apparates<br />

und kostbarer Geräte” lernten; sie<br />

waren an den “Unterrichtgegenständen”<br />

interessiert, “weil alles im Zusammenhang<br />

mit lebendiger Erfahrung<br />

und praktischer Arbeit gelehrt<br />

wurde” (1949, S. 21). Nichts im “Schaffenden<br />

Schulvolk” lasse “auch nur von<br />

fern an <strong>die</strong> Naziideologie oder Propaganda”<br />

denken, und trotzdem habe er<br />

sich mit dem Buch <strong>die</strong> Behörden nicht<br />

zu “Gegnern” (S. 20) gemacht. <strong>Reichwein</strong><br />

habe auch einige englische Schulen<br />

besucht, dabei auch moderne<br />

Zentralschulen, meine aber, dass <strong>die</strong><br />

englische Schulreform “auf dem falschen<br />

Wege” sei; er habe <strong>die</strong> Förderung<br />

von “Sparsamkeit” und “Selbstvertrauen”,<br />

von “Phantasie und Spontaneität”<br />

für viel wichtiger gehalten<br />

als “das Einfiltrieren einer vorgekauten<br />

Wissenschaft und sogenannten<br />

´Kultur`” (S. 21). In einem Brief an<br />

Gardiner vom 1.2.1938 schrieb <strong>Reichwein</strong>s<br />

dann, dass er “nicht neidlos<br />

bleiben (könne) angesichts der Stetigkeit<br />

solchen Aufbaus” bei der Schulreform,<br />

wenn er auch “Einwände” (LBD<br />

1999, S. 151) habe. Der Aufbau der<br />

englischen Schulen fand also durchaus<br />

sein Interesse, und er überlegte, wie<br />

er seine Landschule in Tiefensee weiter<br />

ausbauen könnte. Nicht zuletzt<br />

durch <strong>die</strong> “´offizielle` Resonanz” auf<br />

sein Buch “Schaffendes Schulvolk”<br />

beim Reichsnährstand und bei der Hitlerjugend<br />

hatten sich seine Kontakte<br />

hierhin verstärkt (vgl. Brief an Flitner<br />

vom 3.12.1938, in: LBD 1999, S. 146);<br />

der Reichsnährstand war durch Gardiner<br />

auf <strong>Reichwein</strong>s ländliches Schulkonzept<br />

aufmerksam gemacht worden<br />

(S. 340). <strong>Reichwein</strong> hatte als “Ehrengast”<br />

am 6. Reichsbauerntag (20. –<br />

27.11.1938) in Goslar teilgenommen<br />

und an der Erstellung eines “Sonderheftes<br />

zur Landschule” mitgewirkt,<br />

hatte es allerdings abgelehnt, den<br />

“Hauptvortrag” bei der Sondertagung<br />

“Landvolk und Schule” und auch Vorträge<br />

bei “Gemeinschaftskundgebungen<br />

der Landesbauernschaften und<br />

des N.S.L.B.” zu halten, wie er Gardiner<br />

im Brief vom 19.12.1938 mitteilte<br />

(vgl. S. 149). Kurz vorher hatte er Wilhelm<br />

Flitner geschrieben, dass vorgesehen<br />

sei, seine Schule “auszubauen”.<br />

Es solle ein neuer “äußerer Rahmen”<br />

für <strong>die</strong> Landschule geschaffen werden:<br />

“mit Lehrküche, Werkraum usw.”( S.<br />

146). <strong>Reichwein</strong> dachte aber auch weitergehend<br />

an eine “Landschulgruppe”,<br />

an eine Gruppe von Landschulen aus<br />

“drei, fünf oder sieben Dörfern”, <strong>die</strong><br />

“sich gegenseitig ergänzen, tragen und<br />

befruchten” (1934, S. 98; vgl. Amlung<br />

1999, S. 355). Im Brief vom 1.2.1939<br />

teilt er Gardiner mit, dass <strong>die</strong> “Wirkungen”<br />

seines Buches “Schaffendes<br />

Schulvolk” sichtbar seien; <strong>die</strong> Zeitschriften<br />

“Der Deutsche Erzieher” und<br />

“Weltanschauung und Schule” hätten<br />

ihn aufgefordert, einen Beitrag zu<br />

schreiben. Er verwies auf <strong>die</strong> Grenzen<br />

des Sicheinlassens mit den NS-<br />

Instanzen; man dürfe sich keine zu<br />

großen “Hoffnungen” machen, schrieb<br />

er , weil man “nie weiß, was morgen<br />

sein wird” (LBD 1999, S. 151). Es gab<br />

inzwischen auch Überlegungen, eine<br />

“englische Übersetzung” des Buches<br />

herzustellen, vielleicht sogar durch<br />

Gardiners Frau Marabel.<br />

Als <strong>Reichwein</strong> und Götsch nach der<br />

Sommerschule in Springhead nach<br />

Deutschland zurückfuhren, dachten<br />

sie und ihre englischen Freunde wegen<br />

der “Sudentenkrise” schon, der<br />

Krieg stehe bevor und dass sie “Abschied<br />

von einander nehmen“ (Gardiner<br />

1969b, S. 245) müssten; aber<br />

durch das Münchener Abkommen<br />

(29./30.9.1938) war <strong>die</strong> Gefahr erst<br />

einmal gebannt. Bald nach der Englandfahrt<br />

<strong>Reichwein</strong>s gab es eine neue<br />

Begegnung. Gardiner und <strong>die</strong> Springhead-Gruppe<br />

hatten Anfang Oktober<br />

1938 an den Kasseler Musiktagen teilgenommen.<br />

<strong>Reichwein</strong> und Gardiner<br />

hatten sich verabredet, nach <strong>die</strong>sen<br />

Tagen (nach dem 10.10.) “gemeinsam<br />

zu wandern” (LBD 1999, S. 143); beide<br />

sind dann tatsächlich gemeinsam<br />

durch <strong>Reichwein</strong>s “Heimat Hessen-<br />

Nassau” (S. 339) gewandert. Im Brief<br />

an Gardiner nach <strong>die</strong>sem Treffen vom<br />

19.12.1938 hebt <strong>Reichwein</strong> hervor,<br />

dass für <strong>die</strong> “europäischen Dinge” <strong>die</strong><br />

“letzten Wochen sehr schmerzlich“<br />

waren. Über seine Betroffenheit und<br />

ihrer beider Denken schreibt er weiter:<br />

“Ich zog mich ganz nach innen und<br />

in meine tägliche Arbeit; mein langes<br />

Schweigen ist mit darin begründet. Da<br />

ist nicht viel zu sagen. Das beruhigende<br />

ist, daß wir beide uns, unsere Meinungen,<br />

unsere Arbeit kennen. Daran<br />

ändert sich nichts.” (S. 149)<br />

Eine letzte Begegnung zwischen den<br />

beiden Freunden gab es im März<br />

1939. Gardiner war zusammen mit<br />

Lord Lymington nach Deutschland gekommen;<br />

sie hatten vorher Kontakt<br />

zum Reichsnährstand aufgenommen<br />

(vgl. S. 150) 36 Lymington, ebenfalls<br />

Gutsbesitzer, seit 1934 mit Gardiner<br />

befreundet, hatte eine rechtsgerichtete<br />

Bewegung, <strong>die</strong> “English Array”, gegründet,<br />

<strong>die</strong> eine “starke Regierung”<br />

wünschte, für “rassische Reinheit”<br />

plä<strong>die</strong>rte und <strong>die</strong> NS-Regierung bewunderte<br />

(vgl. Griffiths 2011, S. 141).<br />

Er war jetzt eine Woche in<br />

Berlin und hatte dort “Vorlesungen<br />

über Bodenerosion” (S. 341) gehalten.<br />

Vorher hatten beide <strong>Reichwein</strong> in Tiefensee<br />

besucht und hatten ihn als Lehrer<br />

mit seinen Schülern, der sich Hilfe<br />

vom Förster, vom Schmied und vom<br />

Tischler holte, erlebt und bewundert<br />

(vgl. Lord Lymington, in: LBD 1999, S.<br />

270). Offensichtlich hatte <strong>Reichwein</strong><br />

auch an einer “Abendveranstaltung”<br />

mit Lymington und Gardiner teilgenommen,<br />

zu der ihn der Präsident der<br />

Akademie der Rechte, Hans Keller,<br />

eingeladen hatte (vgl. den Brief<br />

<strong>Reichwein</strong>s an <strong>die</strong>sen vom 28.4.1939;<br />

S. 151). Gardiner und Lymington hatten<br />

in <strong>die</strong>sen Tagen auch wieder Kontakt<br />

mit Darré (vgl. Jefferies 2011, S.<br />

62).<br />

Aussagen über den jeweiligen Freund<br />

In den vorliegenden Briefen <strong>Reichwein</strong>s<br />

an Gardiner (vgl. LBD 1999 und<br />

Friedenthal-Haase 1999, S. 230f.) geht<br />

es um <strong>die</strong> Planung einer “Akademie”<br />

36<br />

Über Gardeners früheren Kontakt zum<br />

Reichsnährstand und seine Teilnahme am<br />

Reichsbauerntag 1936 als “Ehrengast” s.o. Abschnitt<br />

1.

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