„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
65<br />
er schon mit Vorträgen und der Leitung<br />
von Arbeitsgemeinschaften an<br />
der Jenaer Volkshochschule wirksam.<br />
Diesen Umständen ist es zu verdanken,<br />
dass er sich mit der sozialen Zusammensetzung<br />
der Jenaer Stadtbevölkerung<br />
und mit der Arbeit der<br />
städtischen Volkshochschule vertraut<br />
machen konnte. Dadurch war er auch<br />
in der Lage, mit einem wohl durchdachten<br />
und heute noch beeindruckenden<br />
Konzept <strong>die</strong> Leitung <strong>die</strong>ser<br />
Volkshochschule zum 1. Oktober 1925<br />
anzutreten, <strong>die</strong> er bis zum Ende des<br />
Lehrjahres 1928/29 ausübte. Infolge<br />
der Berufung im Frühjahr 1929 in das<br />
preußische Ministerium für Wissenschaft,<br />
Kunst und Volksbildung als Leiter<br />
der Pressestelle und persönlicher<br />
Referent des Ministers konnte er seine<br />
Leitungsfunktion in Jena in den<br />
letzten Monaten nur noch kommissarisch<br />
ausüben. Das genannte Konzept<br />
war auf eine inhaltliche, strukturelle<br />
und methodische Umgestaltung an<br />
der Volkshochschule in Jena ausgerichtet.<br />
Inhaltlich trat an <strong>die</strong> Stelle einer<br />
allgemeinen Volksbildung <strong>die</strong> Arbeiterbildung,<br />
<strong>die</strong> unumstritten der<br />
Förderung der Arbeiterbewegung<br />
<strong>die</strong>nte, strukturell wurde <strong>die</strong> bestehende<br />
Abendvolkshochschule um <strong>die</strong><br />
nachstehend angeführten Einrichtungen<br />
erweitert. An der Wirtschaftsschule<br />
mit zweijährigen Lehrgängen<br />
nahmen Funktionäre teil, <strong>die</strong> für <strong>die</strong><br />
Arbeiterbewegung tätig waren. Die<br />
Jugendvolkshochschule war für politisch<br />
engagierte Angehörige der Arbeiterjugend<br />
bestimmt und bestand<br />
während des ganzen Zeitraumes, in<br />
dem <strong>Reichwein</strong> als Leiter der Jenaer<br />
Volkshochschule tätig war. Ihre Teilnehmer<br />
trafen sich abwechselnd an<br />
den Sonnabenden und Sonntagen für<br />
Teile des Tages zu sportlichen Aktivitäten<br />
und zu Aussprachen zu Gebieten<br />
der Wirtschaftsstruktur Mitteldeutschlands,<br />
<strong>die</strong> zur Veranschaulichung<br />
auch mit Exkursionen in <strong>die</strong> betreffenden<br />
Wirtschaftsregionen verbunden<br />
waren. Schließlich <strong>die</strong>nte der<br />
Erweiterung der Volkshochschule in<br />
Jena <strong>die</strong> am 1. Mai 1926 vollzogene<br />
Eröffnung eines Volkshochschulheimes.<br />
Das Heim nahm zu zehnmonatigen<br />
Lehrgängen eine kaum <strong>die</strong> Zehnergrenze<br />
überschreitende Anzahl von<br />
Jungarbeitern aus den Jenaer Großbetrieben<br />
der Zeiss- und Schottwerke<br />
auf. Die Teilnehmer gingen wochentags<br />
ihrer Arbeit nach und nahmen an<br />
mehreren Abenden der Woche an Arbeitsgemeinschaften<br />
zur Natur-, Wirtschafts-<br />
und Staatslehre teil. Durch<br />
Beitragszahlungen für Unterkunft und<br />
Verpflegung gewährleisteten sie, dass<br />
sich das Heim in wirtschaftlicher Hinsicht<br />
selbst tragen konnte.<br />
Den Abschluss der Lehrgänge bildeten<br />
jeweils mehrwöchige und den geistigen<br />
Horizont erweiternde Auslandsreisen,<br />
von denen <strong>die</strong> Skandinavienreise<br />
1928 und <strong>die</strong> im Jahr darauf folgende<br />
Balkanreise, an der sich auch<br />
Angehörige der schlesischen Jungmannschaft<br />
beteiligten, hervorzuheben<br />
sind.<br />
Besondere Anerkennung ver<strong>die</strong>nt <strong>die</strong><br />
Tatsache, dass an der Jenaer Volkshochschule<br />
während einer Zeit hoher<br />
Arbeitslosigkeit eine größere Anzahl<br />
von Kursen für Arbeitslose eingerichtet<br />
wurde, <strong>die</strong> dazu verhalfen, dass<br />
einzelne Kursbesucher wieder ein Arbeitsverhältnis<br />
fanden. Von den damals<br />
im Jenaer Volkshaus für eine<br />
Werkgenossenschaft eingerichteten<br />
Werkstätten konnte eine sogar längere<br />
Zeit erhalten bleiben.<br />
Im Unterschied zu dem in der damaligen<br />
Volkshochschulpraxis üblichen<br />
Vortragswesen bildeten seit der<br />
Übernahme der Leitung der Jenaer<br />
Volkshochschule durch <strong>Reichwein</strong> <strong>die</strong><br />
Arbeitsgemeinschaften <strong>die</strong> methodische<br />
Grundlage ihrer Tätigkeit zur Erwachsenenbildung.<br />
Diese Methode<br />
hatte auch den Vorteil, dass damit<br />
sowohl <strong>die</strong> geistigen Fähigkeiten der<br />
Hörer als auch <strong>die</strong> Gemeinschaftsbildung<br />
unter ihnen gefördert wurden.<br />
In Anbetracht der im zweiten Band<br />
vereinten Schriften erscheint es als<br />
angebracht, sie thematisch zu gruppieren.<br />
Eine erste Gruppe würde alle<br />
<strong>die</strong> Arbeit der Jenaer Volkshochschule<br />
betreffenden Schriften umfassen, eine<br />
zweite das Schrifttum, das in Verbindung<br />
mit der fast einjährigen Forschungsreise<br />
steht, <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong> mit<br />
Unterstützung der Notgemeinschaft<br />
der deutschen Wissenschaft 1926/27<br />
unternommen hat. Sie führte ihn<br />
durch Nordamerika, Mexiko und in<br />
Fortsetzung der Schiffsreise, während<br />
der er als Kadett <strong>die</strong>nte, zu den Philippinen,<br />
nach China und Japan. Einer<br />
dritten Gruppe sind <strong>die</strong> Arbeiten zu<br />
verschiedenen wissenschaftlichen<br />
Disziplinen zugeordnet.<br />
Die auf <strong>die</strong> Arbeit der Volkshochschule<br />
Jena bezogenen Schriften sind vielfältig.<br />
Sie charakterisieren <strong>die</strong> den neu<br />
geschaffenen Einrichtungen zugeordneten<br />
Aufgaben, informieren über<br />
Verlauf und Ergebnisse von Aussprachen<br />
zu ausgewählten Themen, denen<br />
einführende Darlegungen durch<br />
ausgewiesene Experten vorausgingen,<br />
ziehen kritische Bilanz über abgeschlossene<br />
Lehrabschnitte wie beispielsweise<br />
über den Herbstlehrgang<br />
1925, markieren den in einem längeren<br />
Zeitraum ihres Bestehens eingetretenen<br />
Wandel in der Erwartungshaltung<br />
der Hörer an <strong>die</strong> inhaltliche<br />
Ausrichtung der Volkshochschularbeit,<br />
verweisen auf <strong>die</strong> Erweiterung<br />
des Lehrstoffs durch Einbeziehung der<br />
neuen Gebiete, welche <strong>die</strong> Menschenkunde<br />
sowie <strong>die</strong> Volks- und<br />
Länderkunde betreffen; nicht zuletzt<br />
geben sie Auskunft über geplante und<br />
nicht verwirklichte Projekte wie <strong>die</strong><br />
Errichtung eines eigenen Volkshochschulbaus.<br />
Vielzählige Schriften zur<br />
Volkshochschularbeit enthalten kurz<br />
gefasste Anmerkungen, Ankündigungen<br />
sowie Informationen zum Wirken<br />
der Volkshochschule in lehrgangsfreier<br />
Zeit. Im Gegensatz zu derartigen<br />
Kurzschriften stehen mehrseitige Artikel<br />
von <strong>Reichwein</strong> etwa zur Begründung<br />
von Auslandsreisen, über den<br />
dafür gewählten Reisestil, zur Bilanzierung<br />
der Skandinavienfahrt 1928<br />
mit den Teilnehmern des zweiten<br />
Heimlehrgangs sowie ein ausführlicher<br />
dreiteiliger Bericht über <strong>die</strong>se<br />
Reise zum Norden. In einem Radiovortrag<br />
zur Jungarbeitererziehung hat<br />
er <strong>die</strong> Charaktererziehung in den Vordergrund<br />
gerückt, der es vor allem auf<br />
<strong>die</strong> Stärkung der Willenskraft und des<br />
Durchhaltevermögens ankommt.<br />
Die Teilnahme <strong>Reichwein</strong>s mit einer