„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
17<br />
Marionettenspielern im Süden Englands.<br />
1938: Feierlichkeiten zur Eröffnung<br />
des landwirtschaftlichen Jahres in<br />
Dorset („Plough Monday“). Neujahrstreffen<br />
der Bezirks-Tänzer und-Sänger.<br />
Weiteres Treffen der Farmer in<br />
Springhead. Konferenz über <strong>die</strong> Zukunft<br />
der landwirtschaftlichen Produktion.<br />
Pfingsttreffen und Maifeier. Dritte<br />
Springhead-Sommerschule (Unter<br />
Beteiligung von Georg Götsch und<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>, der eine Vortragstour<br />
durch England anschloss) 32 . Erntedankfest,<br />
Wintersonnenwend-<br />
Wanderung.<br />
Anmerkung: Georg Götsch betreute<br />
von Beginn an <strong>die</strong> musikalischen Aktivitäten<br />
in Springhead und leitete den<br />
Springhead-Chor, ähnlich seinem Engagement<br />
im Boberhaus. Er ist auch<br />
nach dem Krieg mehrmals im Springhead<br />
zu Gast und trifft mit Gardiner in<br />
Deutschland zusammen.<br />
Dieses Schema zeigt folgendes: Es war<br />
ein gleichmäßiges, an den Jahresablauf<br />
des ländlichen Lebens angepasstes<br />
Veranstaltungsprogramm, das sich<br />
verhältnismäßig eng an <strong>die</strong> vermeintlichen<br />
Bedürfnisse und <strong>die</strong> Überlieferungen<br />
der Menschen in <strong>die</strong>ser Region<br />
anpasste und <strong>die</strong> traditionellen jahres-<br />
32 Es muss auch angemerkt werden, dass nicht<br />
selten junge SS- und SA-Leute an den Sommerschulen<br />
teilnahmen.<br />
zeitlichen Feste wiederbelebte, mit<br />
dem Ziel einer Rekonstruktion der<br />
ländlichen Region, Erneuerung der<br />
Traditionen und ein Wiedereinpflanzen<br />
des Menschen in den Schöpfungsprozess,<br />
in das also, was Gardiner unter<br />
einem natürlichen, dem Menschen<br />
angemessenen Leben verstand. Bildungselemente<br />
vorwiegend in den<br />
Sommerschulen, Schwerpunkte in der<br />
körperlichen Betätigung in den Erntelagern<br />
und eine Betonung des Musischen.<br />
Entfernt entsprach das den Aktivitäten<br />
des Boberhauses zur Wiederbelebung<br />
der Waldenburger Region,<br />
dem Musikheim als Volksheim im Osten<br />
und der bereits erwähnten englischen<br />
„Settlement“-Bewegung.<br />
Auch hier der Versuch,<br />
„Outreach“ zu<br />
betreiben, in Form<br />
von Angeboten in<br />
Re-<br />
benachbarten<br />
gionen.<br />
Gardiner beschäftigt<br />
sich nach dem<br />
Kriege weiter mit<br />
organischem Landbau<br />
und erhält für<br />
<strong>die</strong>se Arbeiten<br />
mehrere internationale<br />
Auszeichnungen.<br />
In völliger Verkennung<br />
des Charakters<br />
und der<br />
Beweggründe seines landwirtschaftlichen<br />
Engagements halten ihn noch<br />
heute manche Zeitgenossen für den<br />
Vater der Bio- Bewegung. Gesunde<br />
Ernährung hat ihn indessen nicht so<br />
sehr bewegt.<br />
Springhead ist <strong>die</strong> einzige der drei hier<br />
behandelten Einrichtungen, <strong>die</strong> den<br />
Weltkrieg überlebte und unbeeinflusst<br />
ihre Arbeit in zeitangepasster Form bis<br />
heute fortsetzen konnte. Als Gardiner<br />
1971 überraschend nach einer Hüftoperation<br />
starb, wandelte seine Frau<br />
Springhead in eine Stiftung um.<br />
Fragen bleiben. Waren <strong>die</strong> Ideen der<br />
Jugendbewegung, ihre Weltsichten<br />
und Zukunftsvisionen, große Irrtümer,<br />
<strong>die</strong> den Nazis ihren unheilvollen Weg<br />
erleichterten, oder waren sie zwangsläufige<br />
Folgen tra<strong>die</strong>rter Denkweisen<br />
und gesellschaftlicher Prozesse und<br />
<strong>die</strong> Nazis nutzten <strong>die</strong> Jugendbewegung<br />
nur als willkommenen Katalisator?<br />
Hätten Sie ohne <strong>die</strong> Naziherrschaft<br />
zu sinnvollen Zielen führen<br />
können, oder war der deutsche Zusammenbruch<br />
<strong>die</strong> einzige Möglichkeit,<br />
uns radikal von allen völkischen Konzepten,<br />
von Scholle, Blut und Boden<br />
zu befreien und einen Neuanfang<br />
möglich zu machen? Was ist von all<br />
dem geblieben, von den Konzepten<br />
der Neuen Richtung, von denen der<br />
Arbeitsgemeinschaft und der Arbeitslager,<br />
von der Volksgemeinschaft?<br />
Verdanken wir den Utopien der Jugendbewegung<br />
wenigstens Erfahrungen,<br />
<strong>die</strong> uns helfen könnten, wirklich<br />
eine neue Gesellschaft aufzubauen?<br />
Tun wir es? Sind wir geheilt von den<br />
Rückwendungen zum angeblich Ursprünglichen?<br />
Die Antworten seien Ihnen überlassen.<br />
Ich habe mit einem Rosenstock-Zitat<br />
begonnen, ich schließe unkommentiert<br />
mit einem von Rolf Gardiner:<br />
„Wir werden unseren Weg fortsetzen,<br />
Germanische Werte in allen Ländern<br />
des Nord- und Ostseeraums mit neuer<br />
Kraft zu versehen. Denn wir glauben,<br />
dass <strong>die</strong> neue deutsche Nation uns<br />
dabei helfen wird und schützen.<br />
Sie, Herr Reichsminister, werden unseren<br />
Weg verstehen und richtig bewerten.<br />
In <strong>die</strong>sem Sinne grüßen wir<br />
Engländer durch Sie das deutsche<br />
Volk“. 33<br />
Und wie ist es mit der „engen Freundschaft“<br />
zwischen <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> und<br />
Gardiner, <strong>die</strong> uns <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong>-<br />
Rezeption seit Jahrzehnten suggeriert?<br />
Das ist wohl doch sehr einseitig nach<br />
den hinterlassenen Briefen <strong>Reichwein</strong>s<br />
beurteilt. Die englische Gardiner-<br />
Literatur sieht das anders – hier spielt<br />
<strong>Reichwein</strong> kaum eine Rolle. Als <strong>die</strong><br />
Personen, mit denen Gardiner am<br />
engsten befreundet war, bzw. <strong>die</strong> ihn<br />
am meisten beeindruckten, werden<br />
33 Rolf Gardiner an Reichminister Joseph Goebbels<br />
am 25. April 1933