„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
42<br />
einstimmte und dass <strong>Reichwein</strong> auf<br />
deren Kooperation und Unterstützung<br />
angewiesen war, kann man ihm ebenfalls<br />
kaum zum Vorwurf machen,<br />
nachdem und wenn er <strong>die</strong>sen Auftrag<br />
angenommen hatte.<br />
Allerdings lässt sich in den von<br />
<strong>Reichwein</strong> verfassten Warthegau-<br />
Dokumenten auch nicht erkennen –<br />
und das ist das, was Frau Hohmann<br />
wiederholt kritisiert und moniert hat -<br />
,dass er sich über <strong>die</strong> Problematik<br />
seines Einsatzes für <strong>die</strong> volkskundliche<br />
Bildung der neu angesiedelten<br />
„Volksdeutschen“ aus den besetzten<br />
Ostgebieten im Warthegau im Klaren<br />
war. Die im „Warthegau“ bzw. der<br />
Provinz Posen heimischen Polen oder<br />
auch Juden werden, im Unterschied<br />
zu den alteingesessenen deutschen<br />
Bauern, mit keinem Wort erwähnt,<br />
weder <strong>die</strong> dort noch ansässigen, noch<br />
<strong>die</strong> bereits umgesiedelten, vertriebenen<br />
oder in Lager deportierten. Ebenso<br />
wenig übrigens, wie <strong>die</strong> besonderen<br />
Probleme und Lebensumstände<br />
der neu angesiedelten „volksdeutschen“<br />
Bauernfamilien, für <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong>s<br />
Schulungskurse letztlich bestimmt<br />
waren. Dies ist in der Tat erklärungsbedürftig.<br />
Dazu kann man Folgendes sagen. Zunächst<br />
einmal handelt es sich bei den<br />
einschlägigen, vor allem bei den besonders<br />
wichtigen Dokumenten 4, 5<br />
und 7, von denen <strong>die</strong> zwei letzten von<br />
<strong>Reichwein</strong> stammen, um amtliche<br />
Dokumente, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Aktenablage<br />
bestimmt waren. In solchen Dokumenten<br />
hat man, nach alter Beamtentradition,<br />
keine persönlichen Meinungen<br />
geäußert, wenn man sich nicht<br />
mit seinen Vorgesetzten anlegen wollte.<br />
Das galt natürlich besonders im<br />
NS-Regime und besonders für <strong>Reichwein</strong>,<br />
der bereits zu den subversiven<br />
Dissidenten des „Kreisauer Kreises“ in<br />
Verbindung stand. Aber auch in den<br />
privaten Briefen von <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
von 1942 finden sich, soweit sie erhalten<br />
sind, kaum Hinweise auf <strong>die</strong> Probleme<br />
im Warthegau und auf <strong>die</strong> Problematik<br />
seines Arbeitseinsatzes in <strong>die</strong>sem<br />
Gebiet im Jahr 1942. Hier gilt<br />
aber im Grunde das Gleiche. Seitdem<br />
das Postgeheimnis nicht mehr bestand<br />
und seitdem <strong>Reichwein</strong> zum<br />
Kreisauer Kreis gehörte, musste er mit<br />
politischen Äußerungen in seinen<br />
Briefen besonders vorsichtig sein, das<br />
hat er schon im Frühjahr 1933 Bettina<br />
Israel zu verstehen gegeben, und daran<br />
hat er sich auch gehalten. Darauf<br />
beruht ja gerade <strong>die</strong> politische Dürftigkeit<br />
der von <strong>Reichwein</strong> erhaltenen<br />
Briefe aus den 30er und 40er Jahren<br />
und auch der Briefe aller anderen politischen<br />
Dissidenten in <strong>die</strong>ser Zeit,<br />
welche <strong>die</strong> Historiker zur Verzweiflung<br />
treibt. Frau Hohmann hat also in<br />
den <strong>Reichwein</strong>-Dokumenten etwas<br />
gesucht und nicht gefunden, was sie<br />
dort nicht finden konnte. Und was<br />
<strong>Reichwein</strong> in persönlichen Gesprächen<br />
politisch geäußert hat, wissen<br />
wir nicht. Es ist nur bekannt, dass er<br />
in solchen Gesprächen bis zur Leichtsinnigkeit<br />
offen und gesprächig sein<br />
konnte.<br />
Einen gewissen Sonderfall bildet<br />
<strong>Reichwein</strong>s Kooperation mit dem SS-<br />
Obergruppenführer Koppe und über<br />
ihn mit dem Reichsstatthalter im<br />
Warthegau Arthur Greiser und mit<br />
dem Reichskommissar für <strong>die</strong> Festigung<br />
deutschen Volkstums Heinrich<br />
Himmler (vgl. Hohmann, S. 173) bei<br />
der Organisation seiner Kurse im<br />
Warthegau, <strong>die</strong> in den Dokumenten 4,<br />
5 und 7 dreimal erwähnt wird. Sie<br />
wirkt aus heutiger Sicht in der Tat<br />
überraschend, befremdlich und bedenklich,<br />
und Frau Hohmann hat sie<br />
<strong>Reichwein</strong> besonders übel genommen.<br />
Dazu kann man zunächst feststellen,<br />
dass Obergruppenführer Koppe, wie<br />
aus Dokument 5 klar hervorgeht,<br />
<strong>Reichwein</strong> zu sich nach Posen „gebeten“<br />
hat, weil er von seiner volkskundlichen<br />
Arbeit in Ostpreußen gehört<br />
hatte und weil er mit ihm ein<br />
Projekt für eine ähnliche volkskundliche<br />
Arbeit mit den Umsiedlern<br />
im Warthegau besprechen wollte.<br />
Dass <strong>Reichwein</strong> <strong>die</strong>se Einladung von<br />
sich aus betrieben hätte, geht aus den<br />
Dokumenten nicht hervor und wäre<br />
eine Unterstellung. Konnte <strong>Reichwein</strong><br />
<strong>die</strong>se Einladung, <strong>die</strong>se Aufforderung<br />
ablehnen? Unter den damaligen Umständen<br />
wohl kaum, er musste sich<br />
zum mindesten anhören, was Herr<br />
Koppe von ihm wollte. Konnte er danach<br />
den Vorschlag Koppes für eine<br />
„volkskundliche“ Kooperation im<br />
Warthegau ablehnen? Vielleicht,<br />
wenn er gute Gründe gehabt hätte,<br />
<strong>die</strong> in seiner ohnehin bestehenden<br />
Arbeitsüberlastung durchaus gegeben<br />
waren. <strong>Reichwein</strong> hat das nicht getan<br />
und sich auf das Abenteuer<br />
Warthegau eingelassen, aus welchen<br />
Gründen <strong>immer</strong>. Ein Grund könnte<br />
gewesen sein, dass er als Angehöriger<br />
des Kreisauer Kreises <strong>die</strong> „Deckung“<br />
durch hohe NS-Führer und NS-<br />
Behörden gut gebrauchen konnte, <strong>die</strong><br />
er bis dahin nicht hatte. Vielleicht war<br />
es sogar gerade <strong>die</strong>ses Warthegau-<br />
Projekt, das ihm bei der Urteilsverkündung<br />
am 20.10.1944 den Vorwurf<br />
eintrug, er habe das NS-Regime trotz<br />
der Chancen, <strong>die</strong> es ihm geboten habe,<br />
verraten. Andererseits haben sich<br />
ein Paar der BDM-Führerinnen, mit<br />
denen er im Warthegau zu tun hatte,<br />
nach seiner Verhaftung für ihn eingesetzt.<br />
Schließlich hatte es <strong>Reichwein</strong> auch<br />
„nur“ mit dem SS-Obergruppenführer<br />
direkt zu tun, nicht mit dem Reichsstatthalter<br />
Greiser und dem Reichskommissar<br />
f.d.F.d.V. Heinrich Himmler.<br />
Den hat er in den von ihm verfassten<br />
Dokumenten auch nicht erwähnt.<br />
Der SS-Obergruppenführer Koppe<br />
scheint außerdem, wie aus einem der<br />
Dokumente hervorgeht, ein Mann<br />
gewesen zu sein, der sich – vielleicht<br />
aufgrund seiner Vorbildung – für <strong>die</strong><br />
volksbildnerische Arbeit <strong>Reichwein</strong>s<br />
interessierte und sie – vielleicht sogar<br />
außerhalb seiner Dienstpflichten –<br />
unterstützen wollte. Wenn dem so