„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012 50 werden. Dennoch hoffte sie bis zu ihrem Geburtstag, ihn zu Hause mit ihren Lieben feiern zu können. Sie schaffte es, mit Hilfe ihrer Tochter! An diesem besonderen Tag sprach ich mit Hildegard Becker ein letztes Mal am Telefon. Ekkehard Geiger im Ruhestand Gruß- und Dankeswort auf Ekkehard Geiger zum Akademischen Abschied von der Pädagogischen Hochschule Freiburg / Université des Sciences de l'Education / University of Education am 4. Mai 2012 Konrad Vanja Magnifizenz, verehrte Gäste, sehr geehrte Festredner, lieber Ekkehard, liebe Gertrud, Dass sich der Adolf Reichwein Verein heute zu diesem festlichen Anlass zu Wort meldet, ist sicher weniger der Tatsache geschuldet, dass der heute Verabschiedete seit langen Jahren Mitglied unserer Vereinigung ist. Dies wäre ein Wort des Grußes und Dankes natürlich allemal für seine Verdienste wert. Wer erinnerte sich nicht an den Abschied von Rosemarie Reichwein vor 10 Jahren, an deren Trauerfeier er die musikalische Gestaltung so eindrucksvoll und bewegend übernommen hatte. Mit unserem Dank bezeugen wir jedoch mehr: Ekkehard Geiger ist nicht nur Mitglied einer der vielen Vereinigungen wie der des Adolf Reichwein Vereins ge worden, die nach der verheerenden Zeit des Nationalsozialismus und den unendlichen Zerstörung von menschlichem Leben und Kulturgütern sowie ethischen Verletzungen von Menschenwürde und Gesittung nach 1945 ein Zeichen für einen Neuanfang setzen wollten. Ekkehard Geiger hat sich engagiert: im Rahmen seiner akademisch-pädagogischen Arbeit an der Pädagogischen Hochschule Freiburg machte er Generationen von jungen Menschen mit dieser Thematik vertraut. Und zugleich machte er sie bekannt mit einer der großen Persönlichkeiten, die sich im Widerstandes gegen den Nationalsozialismus bewähren mussten: mit dem Pädagogen und Widerstandskämpfer Adolf Reichwein, der im Kreisauer Kreis eine neue Gesellschaftsordnung für Deutschland, ja für Europa vorbereitete. Ekkehard Geiger hat sich aufgemacht, das Erbe Reichweins, der im Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee ermordet wurde, im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft der Nachgeborenen zu übernehmen und weiterzugeben. Er hat dies in der Lehre, in der Ausstellung eines Projektseminar "Adolf Reichwein - Erinnerung und Bedeutung" und in den konstitutiv dazugehörenden Exkursionen nach Kreisau und Auschwitz ganz praktisch geleistet. Dabei hat er aus der Pädagogik Reichweins die lebendigen und feinsinnigen Linien des Denkens und- Handelns aufgenommen und sie in eine gegenwartsbezogene Anwendung in der pädagogischen Lehre überführt. Welche Hochschule könnte dabei geeigneter sein, an den harten Grenzen der Vergangenheit ein neues Europa zu erkunden als eine grenzüberschreitende Hochschule wie die Ihrige in Freiburg, welcher Ort könnte verbindender sein als der Treffpunkt des deutschen Widerstandes im schlesische Kreisau, das heute im polnischen Niederschlesien gelegen ein Ort der deutsch-polnischen Begegnung und Versöhnung geworden ist? Seit 2002 ist Ekkehard Geiger der Vertreter des Adolf Reichwein Vereins im Stiftungsrat für die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung. Reichweins Motto "Wir sind die lebendige Brücke von gestern zu morgen“ betrifft nicht nur die Schule im engeren Sinn, sondern das Leben von Menschen und insbesondere natürlich von jüngeren Menschen, die dies mit in ihr Leben, in ihren Beruf und ihr Wirken aufnehmen können. Welche Institution hätte diese Aufgabe besser realisieren können als eine pädagogische Hochschule im lebendigen Austausch von Lehrenden und Lernenden, die sich den wichtigen Themen unserer Gesellschaft mit Empathie und Engagement annehmen? Der Adolf Reichwein Verein dankt Ekkehard Geiger von ganzem Herzen für sein Wirken und wünscht, dass er uns auf dem Wege der Völkerverständigung und der Bildung für die Jugend im Sinne Reichweins gemeinsam mit seiner Frau weiterhin „lebendig“ begleiten möge. Für den verhinderten Konrad Vanja verlas Gabriele Pallat die Laudatio des Vereinsvorsitzenden vor einem großen Publikum mit mehr als 200 Teilnehmern, darunter, zahreich erschienen, Freunde aus Kreisau und Breslau. Beeindruckende Beiträge gab es von polnischen Partner-Professsoren, Annemarie Franke aus Kreisau und polnischen Studenten. Das dreistündige Fest endete, wie berichtet wird, „in einem wilden und mitreißenden deutschpolnischen Rap der polnischen Studenten“.
eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012 51 Skizze des Marburger Lehrkunstseminars vom 21. Januar 2012 Heinz Schernikau Ulrich Amlung und Heinz Schernikau folgten am 21. Januar 2012 einer Einladung von Hans Christoph Berg zu einem Wochenend-Seminar mit etwa 30 Studenten fortgeschrittenen Semesters an der Universität Marburg. Ulrike Koppmann, stellvertretende Schulleiterin an der Reichweinschule in Friedberg, die den Reichweinverein auf seiner letzten Tagung in überaus hilfsbereiter Weise betreute, kam als weiterer Gast hinzu. Thema des Seminartages war: „Lehrkunst nach Wagenschein/Klafki und/oder nach Reichwein?“ Zur inhaltlichen Grundlegung der Arbeit gehörten der von Hans Christoph Berg und Susanne Wildhart veröffentlichte Band „Thurgauer Lehrstückernte 2004“ (1) eine Auswahl von Reichwein- Quellentexten aus dem Schaffenden Schulvolk und entsprechenden Kommentaren aus meinem Reichweinbuch eine flankierende Literaturempfehlung (2): Die Teilnehmer des Seminars hatten sich in gruppenteiliger Arbeit mit ausgewählten Lehrstücken aus der „Thurgauer Lehrstückernte 2004“ (1) befasst. Die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit den Lehrstücken „ Faradays Kerze“, „Pythagoras, frei nach Wagenschein u.a.“, „Aesop- Fabeln, frei nach Lessing“ „ Gombrichs kurze Weltgeschichte für junge Leser“ – sollten auf dem Seminartag vorgestellt und unter der neuen Fragestellung reflektiert werden. Im Rahmen dieser materialen und prozessualen Gegebenheiten entfaltete sich sodann ein intensiver und eindrucksvoller Seminartag nach Maßgabe folgender Planung: 9.15-10.45 Plenum: Exposition, Ausblick und Hauptvortrag Christoph Berg: Begrüßung und kurze Einführung Ullrich Amlung: Reichwein in Friedberg, Marburg und Tiefensee – Blitzlichter aus der Werkausgabe Ulrike Koppmann: Grußwort der Adolf-Reichwein-Schule/Friedberg Heinz Schernikau: Zur dramaturgischen und reformpädagogischen Variante der Lehrkunst. Die Spezifik der Unterrichtsgestaltung Reichweins in seinem Vorhaben „Die Erde aus der Vogel- und Fliegerschau“ 11.15-12.45 Plenum: Rundgang durch ausgewählte Thurgauer Lehrstücke – und was sagt und bringt Reichwein dazu? Faradays Kerze – Pythagoras – Aesop- Fabeln – Gombrichs Weltgeschichte u.a. 14.15-15.45 Arbeitsgruppen zu ausgewählten Thurgauer Lehrstücken – und was sagt und bringt Reichwein dazu? Faradays Kerze – Pythagoras – Aesop- Fabeln – Gombrichs Weltgeschichte u.a. 16.15-17.30 Plenum: Resümee für Theorie und Praxis 1. Zur Theorie: Gabelt sich der Lehrkunstweg in „Lehrstückunterricht nach Wagenschein/Klafki“ versus „Lehrkunstunterricht nach Reichwein“? Oder zeichnet sich eine gemeinsame Erweiterung ab zu „Lehrstückunterricht nach Wagenschein/ Reichwein/ Klafki? 2. Zur Unterrichtspraxis: Haben sich Pläne zur Unterrichtserprobung schmieden lassen? 17.30-17.45 Rückblick – Ausblick – Dank Welche Antwort zeichnete sich am Ende des Seminartages mit ihrem produktiven Wechsel von Plenum und Gruppenarbeit hinsichtlich des Seminarthemas und der beiden abschließenden Fragen ab? Ich war noch vor Beginn der Tagung, wie meinem angekündigten Vortrag zu entnehmen ist, an der Unterscheidung zwischen „dramaturgischer“ und „reformpädagogischer“ Variante der Lehrkunst orientiert, die Theodor Schulze als Co-Autor des 1995 zusammen mit Christoph Berg veröffentlichen Buches: Lehrkunst. Lehrbuch der Didaktik“ in seinem Beitrag „Lehrstück-Dramaturgie“ mit Blick zum einen auf Martin Wagenschein und Wolfgang Klafki- zum anderen auf Adolf Reichwein vornimmt. „Gabelt sich (also) der Lehrkunstweg“? Auf dem Hintergrund der einschlägigen Ausführungen in meinem Reichweinbuch ( ) und nach der Lektüre der „Thurgauer Lehrstückernte“ mit ihrem zwischenzeitlich erweiterten Kanon hochrangiger Unterrichtsexempel und überdies durch die Anregungen und Aufschlüsse, die der Seminartag mir brachte, gelange ich aber zu einer anderen Antwort. Diese lautet – das Tagungsthema und die beiden abschließenden Fragen implizierend und zugleich übergreifend: Wagenschein, den Wegbereiter einer phänomenologischen Physik, und Reichwein, den politischen Pädagogen verbindet die gemeinsame Verankerung in der Reformpädagogik und in der deutschen Klassik hinsichtlich ihrer übereinstimmenden Orientierung am Grundgedanken der Bildung, am Prinzip der Exemplarischen Lehre, am Ansatz des genetischen und des praktischen Lernens und – nicht zuletzt – am epochentypischen Verfahren des morphologischen Vergleichs in der Abkunft Herders, Goe-
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