„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
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geworden ist. Besonders aufschlussreich<br />
erscheint mir, welche Bedeutung<br />
zu jener Zeit noch persönliche<br />
Beziehungen und Freundschaften, das<br />
Schreiben von Briefen und das Lesen<br />
von Büchern hatten. Bei der Lektüre<br />
des Buches von Raulff hat man den<br />
Eindruck, in eine untergegangene<br />
Epoche zurück zu blicken, <strong>die</strong> im<br />
Computerzeitalter nicht mehr wiederkehren<br />
wird.<br />
Hildegard Becker<br />
1. 3. 1921 - 23. 06. 2011<br />
Hildegard<br />
B e c k e r<br />
(geb. Kalibe)<br />
starb<br />
am 23. 6.<br />
2011 im<br />
Alter von<br />
90 Jahren<br />
in Schöneiche,<br />
wo<br />
sie in den<br />
letzten<br />
Monaten ihres Lebens im Alters- und<br />
Pflegeheim untergebracht war und<br />
betreut wurde.<br />
Ihren 90. Geburtstag konnte sie im<br />
Familien- und Freundeskreis nochmals<br />
in Tiefensee feiern. Hildegard<br />
Becker wuchs im Kreis ihrer Familie in<br />
Tiefensee auf, wo der Vater, Emil Kalibe,<br />
Bürgermeister war und eine große<br />
Landgärtnerei betrieb. Neben Gemüse<br />
und Blumen wurden Obstwiesen<br />
mit zahlreichen Kirschbäumen<br />
kultiviert. Sie half neben ihren beiden<br />
älteren Geschwistern schon früh im<br />
elterlichen Betrieb mit.<br />
1928 - 35 besuchte sie <strong>die</strong> einklassige<br />
Dorfschule in Tiefensee. In ihren letzten<br />
beiden Schuljahren (1934 / 35)<br />
war <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> ihr Lehrer. Über<br />
ihre Schul- und Unterrichtserfahrungen<br />
berichtete uns Hildegard Becker<br />
nochmals ausführlich im Herbst 2010.<br />
Darüber später.<br />
Nach ihrer Schulzeit, noch im Jahr<br />
1935, war sie als Verkäuferin 4 Jahre<br />
in Berlin tätig. Zusammen mit ihrer<br />
Mutter verkaufte sie Obst, Gemüse,<br />
Blumen und vor allem Kirschen in der<br />
Nähe des Berliner Ostbahnhofs. Die<br />
Ware stammte aus der eigenen Gärtnerei.<br />
In Tiefensee lernte sie den jungen<br />
Wehrmachtssoldaten Erich Becker<br />
kennen, den sie 1943 heiratete. Erich<br />
war bei der Gärtnerfamilie einquartiert<br />
und betreute in Tiefenseer Stallungen<br />
viele Wehrmachtspferde. Er<br />
stammte aus Ostpreußen, wo seine<br />
Eltern einen Bauernhof besaßen.<br />
Nach 1945 arbeitete Erich Becker als<br />
Maschinist in der LPG Freudenberg,<br />
einem Nachbarort von Tiefensee,<br />
während Hildegard noch 21 Jahre in<br />
der väterlichen Gärtnerei Vollzeit beschäftigt<br />
war. 1956 übernahm ihr<br />
Bruder <strong>die</strong> Gärtnerei Kalibe und Hildegard<br />
arbeitete dann nur noch stundenweise<br />
als Aushilfskraft mit. Aus<br />
der Ehe zwischen Hildegard und Erich<br />
gingen zwei Kinder hervor.<br />
Ähnlich wie Margot Hönsch, <strong>die</strong> im<br />
Sommer im Alter von 80 Jahren starb,<br />
lebte auch Hildegard Becker, bis auf<br />
eine kurze Zeit, <strong>immer</strong> in Tiefensee.<br />
Zwischen April und August 1945 waren<br />
Hildegard und Erich zusammen<br />
nach Wismar geflohen, wo inzwischen<br />
<strong>die</strong> Eltern Erichs angekommen waren<br />
und lebten. Alle flohen vor der Roten<br />
Armee, deren Vormarsch rasch voranging.<br />
Noch im Herbst 2010 bewohnte Hildegard<br />
ihr Haus in der <strong>Reichwein</strong> Str.<br />
7 zusammen mit ihrem Enkel Kai<br />
Menzel, dessen Freundin und dem<br />
Urenkel Elisa (2 Jahre alt).<br />
Hildegard Beckers Beerdigung fand<br />
einige Tage nach ihrem Tod am 1. Juli<br />
auf dem Friedhof von Tiefensee statt.<br />
- Beschreibung der Beerdigung<br />
- Würdigung Hildegard Beckers<br />
als Zeitzeugin <strong>Adolf</strong><br />
<strong>Reichwein</strong>s<br />
- Rückblick auf <strong>die</strong> Begegnungen<br />
mit ihr<br />
- unsere Trauerbekundungen,<br />
- Verlust der Zeitzeugin<br />
Zum Gespräch im Oktober 2010<br />
Nach einer längeren Autofahrt durch<br />
eine herrliche Herbstlandschaft kamen<br />
wir (Sabine <strong>Reichwein</strong>, Lothar<br />
Kunz und Konrad Vanja) verspätet in<br />
Tiefensee an, da wir zahlreiche Umleitungen<br />
ausfahren mussten. Die B 58<br />
war weitgehend gesperrt. In Tiefensee<br />
stießen wir zunächst auf <strong>die</strong><br />
umgebaute Gaststätte Spitzkrug,<br />
parkten dort und Sabine suchte zu<br />
Fuß <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong> Straße 7. Dort wartete<br />
Hildegard Becker im Kreis ihrer<br />
Familie schon ungeduldig auf uns. Die<br />
Begrüßung war herzlich, Kaffee und<br />
Kuchen wurden von Ingeborg Menzel,<br />
der Tochter Hildegard Beckers, gereicht<br />
und schon waren wir in einem<br />
lebendigen Gespräch über das Wetter,<br />
<strong>die</strong> Umleitungen und Tiefensee.<br />
Wir stellten uns gegenseitig vor und<br />
saßen schließlich zu 6 um den Tisch in<br />
der 'guten Stube'. Allmählich gelang<br />
es uns, auf das Thema ihrer Schulerfahrungen<br />
mit <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> zu<br />
sprechen zu kommen.<br />
Hildegard Becker betonte zunächst,<br />
dass sie <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> im Namen<br />
der Klasse als älteste Schülerin (damals<br />
12 Jahre alt) mit einem bunten<br />
Blumenstrauß begrüßt habe (Herbst<br />
1933). Er habe den Lehrer Binsky abgelöst,<br />
zu dem sie auch recht gern<br />
ging. Nur bei zwei Vertretungslehrern<br />
sei es in der Zwischenzeit nicht so gut<br />
gelaufen. Einer von beiden sei auch<br />
mal "besoffen" in <strong>die</strong> Schule gekommen.<br />
Dieser wurde später Standesbeamter<br />
in Tiefensee.<br />
Ihr Enkel Tim habe sich zu DDR-Zeiten<br />
stark für das "Schaffende Schulvolk"<br />
interessiert, das er in der Bibliothek<br />
nicht bekam; es sei vergriffen. Eine<br />
Bibliothekarin besorgte ihm eine Kopie<br />
der Ausgabe von 1940.<br />
Dann kam Hildegard Becker auf das<br />
Gewächshaus zu sprechen. Sie erzählte<br />
von ihren Gurken und ihrer Fähigkeit,<br />
Strohmatten für <strong>die</strong> Abdeckung<br />
des Gewächshausdaches zusammenzuknüpfen<br />
(zu flechten). Den Bau des<br />
Gewächshauses habe sie mit Interes-