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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

61<br />

Freiheit. Stießen wir vordem auf <strong>die</strong><br />

Fragwürdigkeit eines allzu eng gefaßten<br />

Gehorsams, so stoßen wir hier auf<br />

<strong>die</strong> Brüchigkeit einer zu flach begründeten<br />

Freiheit.“ (R 152) Dieses „weder-noch-sondern“<br />

der Unterrichtsgestaltung,<br />

mit der sich <strong>Reichwein</strong> in eine<br />

zunehmend dunkler und gefährlicher<br />

werdende Zukunft vorantastete,<br />

wird sichtbar und ergreifend fühlbar<br />

in Schernikaus Darstellung. „Es zeichnet<br />

sich insgesamt <strong>die</strong> schulpädagogische<br />

Visitenkarte eines Lehrers ab, der<br />

sich als deutscher Sozialist darin ausweist,<br />

dass er ‚Sozialismus’ nicht theoretisch<br />

vermittelt, sondern als Lebensform<br />

im Zusammenhang mit der<br />

Durchführung der (Werk-)Vorhaben<br />

und durch <strong>die</strong> Verbindung von Arbeit,<br />

Lernen und Leben. Der Leitspruch ‚Das<br />

gemeinsame Werk schafft <strong>die</strong> Gemeinschaft’<br />

Kaweraus, der uns im Abschnitt<br />

über <strong>die</strong> revolutionären Geschichtsdidaktiker<br />

des Jahres 1918<br />

begegnete, gilt auch für <strong>die</strong> kleine<br />

dörfliche Produktions- und Lebensgemeinschaftsschule<br />

aus Tiefensee“ (Sch<br />

325f).<br />

6. Fünfmal von Weimar I nach Weimar<br />

II : Hundertjährige Durchgänge<br />

von der deutschen Klassik bis zu<br />

<strong>Reichwein</strong> durch fünf Fachdidaktiken:<br />

Biologie – Geografie – Volkskunde<br />

– Geschichte – Heimatkunde<br />

1. Nun erst folgen wir Schernikau auf<br />

seinem sehr sorgfältigen, sehr kenntnisreichen<br />

und genauen (aber auch<br />

etwas mühsamen) lehrplangeschichtlichen<br />

Gang durch <strong>die</strong> fünf einschlägigen<br />

Fachdidaktiken (Biologie-<br />

Geografie-Volkskunde-Geschichte-<br />

Heimatkunde) von den Klassikern bis<br />

<strong>Reichwein</strong>. Jedesmal können wir verfolgen,<br />

wie <strong>die</strong> Klassiker den Staffettenstab<br />

zuerst geschnitzt und dann<br />

weitergereicht haben und wie er in<br />

den vier, fünf Generationen verändert<br />

wurde, bis <strong>Reichwein</strong> ihn übernahm. –<br />

Allerdings: Die fünf Längsschnitte sind<br />

erstens nicht als Rezeptionsstu<strong>die</strong>n<br />

angelegt, sie zeigen nicht, was <strong>Reichwein</strong><br />

aus <strong>die</strong>sen Entwicklungsgängen<br />

sich angeeignet hat, sie beschreiben<br />

<strong>die</strong>se Entwicklungen nicht aus der<br />

Sicht <strong>Reichwein</strong>s, sondern aus Historikersicht.<br />

Zweitens wollen und können<br />

sie natürlich noch weniger zeigen, wie<br />

<strong>die</strong> Entsprechungen zwischen den<br />

Klassikern und <strong>Reichwein</strong> zustande<br />

gekommen sind; aber sie machen<br />

deutlich, daß <strong>Reichwein</strong> seine Klassikerverbundenheit<br />

aus anderen Quellen<br />

geschöpft haben muß. Was aber<br />

tragen sie dann zum <strong>Reichwein</strong>verständnis<br />

und zur These der Doppelfun<strong>die</strong>rung<br />

bei? Jedes <strong>die</strong>ser fachdidaktischen<br />

Längsschnitt-Kapitel mündet<br />

in <strong>die</strong> Schlußfrage „...und <strong>Reichwein</strong>?“<br />

Und wir sehen, wie der Reformpädagoge<br />

<strong>Reichwein</strong> angesichts<br />

des ihm gegenwärtigen Problemstandes<br />

der Fachdidaktiken mit sicherem<br />

Gespür erstaunlicherweise auch neue<br />

Lösungen „im Geist der Deutschen<br />

Klassik“ findet – wie und woher, das<br />

mögen <strong>die</strong> Götter wissen.<br />

2. Insgesamt können <strong>die</strong>se fünf<br />

Durchgänge zu spannenden Übungen<br />

werden, wenn wir uns als Leser vor<br />

der jeweiligen Problemlösung <strong>Reichwein</strong>s<br />

selber <strong>die</strong> Frage stellen: was<br />

wäre denn meine eigene reformpädagogische<br />

Problemlösung im Sinne von<br />

Herder/Goethe/Humboldt?<br />

Als Zusammenfassung eine Perspektive<br />

zur Weiterarbeit:<br />

Lehrkunst nach Wagenschein/Klafki<br />

und/oder nach <strong>Reichwein</strong>?<br />

Seit 25 Jahren haben wir im Lehrkunst-Ensemble<br />

10 von den rund 40<br />

Unterrichtsexempeln Wagenscheins<br />

nicht nur interpretiert, sondern über<br />

100mal im Unterricht neu inszeniert.<br />

Bei <strong>Reichwein</strong>s Unterrichtseinheiten<br />

ist das bislang noch nicht geschehen.<br />

Als Sprungbrett zu einer künftig selbständigen<br />

Unterrichtsinszenierung<br />

von <strong>Reichwein</strong>s Unterrichtseinheiten<br />

nehmen wir uns daher zunächst sachlich<br />

verwandte Lehrstücke nach Wagenschein/Klafki<br />

vor – <strong>die</strong> zehn Thurgauer<br />

Volksschul-Lehrstücke<br />

(Berg/Wildhirt u.a. 2004) – und fragen<br />

nach den Beiträgen und Vorschlägen<br />

<strong>Reichwein</strong>s dazu. Anstoß und Grundlage<br />

unserer Beratungen ist Schernikaus<br />

<strong>Reichwein</strong>buch, ein großer und<br />

kühner Wurf, der für <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong>rezeption<br />

in der Unterrichts- und Schulentwicklung<br />

neue Horizonte eröffnet.<br />

Denn mit <strong>die</strong>sem Buch über <strong>Reichwein</strong>s<br />

Goethe-Schule in Tiefensee hat<br />

Schernikau für unsere gegenwärtige<br />

und künftige Bildungslandschaft einen<br />

heilkräftigen Brunnen erschlossen mit<br />

seinem tiefgründigen und hellsichtigen<br />

Aufweis der Doppelfun<strong>die</strong>rung<br />

von <strong>Reichwein</strong>s Schulmodell in Weimar<br />

I und Weimar II, in der Deutschen<br />

Klassik und in der Reformpädagogik –<br />

ein ermutigendes, orientierendes und<br />

stärkendes Meisterwerk!<br />

Literatur<br />

Hans Christoph Berg: Lehrkunst im Traditionsstrom<br />

– dank Wagenschein 1986. In:<br />

Berg 2009, S. 22-27.<br />

Hans Christoph Berg: Den Bogen spannen.<br />

<strong>Reichwein</strong>s neue Aktualität. In: <strong>Adolf</strong><br />

<strong>Reichwein</strong>: Schaffendes Schulvolk – Film in<br />

der Schule. Die Tiefenseer Schulschriften –<br />

Kommentierte Neuausgabe 2 2009, S. 364-<br />

374.<br />

Hans Christoph Berg/Ullrich Amlung:<br />

„...und <strong>Reichwein</strong> mittendrin“. Was sagen<br />

heutige Schulreformer zu <strong>Reichwein</strong> – was<br />

sagt <strong>Reichwein</strong> zu heutigen Schulreformern?<br />

In: Die Deutsche Schule 3/1988, S.<br />

276-298.:<br />

Bildungskommission NRW: Zukunft der<br />

Bildung – Schule der Zukunft? Denkschrift<br />

der Kommission «Zukunft der Bildung –<br />

Schule der Zukunft» beim Ministerpräsidenten<br />

des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen/Bildungskommission NRW.<br />

Neuwied, Luchterhand 1995.<br />

Elisabeth Blochmann: Vorwort. In: Herders<br />

Reisejournal. Berlin o. J.<br />

Hans Bohnenkamp: <strong>Gedanken</strong> an <strong>Adolf</strong><br />

<strong>Reichwein</strong>. Braunschweig 1949<br />

Martin Buber: Über das Erzieherische,<br />

1925. In: Flitner, Wilhelm (Hrsg.): Die Erziehung.<br />

Pädagogen und Philosophen über<br />

<strong>die</strong> Erziehung und ihre Probleme. Bremen,<br />

Schünemann 1953, S 496-505.<br />

Sebastian Haffner: Anmerkungen zu Hitler.<br />

Frankfurt, 1981<br />

Kurt Hahn: Rückblick auf Salem und Gordonstoun,<br />

1950. In: Wilhelm Flitner/Gerhard<br />

Kudritzki (Hrsg.): Die Deutsche<br />

Reformpädagogik I. Düsseldorf, Küpper/Bondi<br />

2 1967, S. 93-98<br />

Hans-Joachim von Koerber: Die Wirtschaft<br />

als Aufgabe im Sinne <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s. In:

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