Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2014-04-19 (Vorschau)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
NACHGEFRAGT Philipp Waldstein Wartenberg<br />
»Aktien werden laufen«<br />
Der Anlagechef der Munich-Re-Tochter Meag<br />
erwartet, dass die Zinsen unten bleiben und<br />
investiert in der Euro-Peripherie. Aktien mag er<br />
auch, kauft aber keine.<br />
DER GROSSINVESTOR<br />
Waldstein, 47, ist als Geschäftsführer<br />
Portfoliomanagement<br />
beim Vermögensverwalter Meag<br />
verantwortlich für die Wertpapieranlagen<br />
des rund 230 Milliarden<br />
Euro großen Kapitalvermögens<br />
der Ergo-Versicherung und der<br />
Munich Re.<br />
»Die EZB darf<br />
ihr Pulver nicht<br />
verschießen.<br />
Sonst fehlt es in<br />
einer Rezession«<br />
Herr Waldstein, Sie kümmern<br />
sich um Versicherungsgelder<br />
und legen langfristig an.<br />
Interessiert Sie das tägliche<br />
Auf und Ab der Märkte?<br />
Ja. Allerdings ist der wirkliche<br />
Treiber selten die jüngste<br />
Schlagzeile, sondern es sind<br />
die internationalen Kapitalströme<br />
oder der grundlegende<br />
Wirtschaftstrend. Die<br />
Krim-Krise beschäftigt<br />
uns, aber die ausgelöste Korrektur<br />
am Aktienmarkt war<br />
überfällig. Inzwischen hat die<br />
Börse neue Stärke gewonnen,<br />
denn die Sanktionen sollten<br />
keine größeren Auswirkungen<br />
haben. Schon 2013 gab<br />
es mit Syrien und Nordkorea<br />
politische Krisen. Bleiben<br />
sie isoliert, wirken sie sich<br />
weniger aus als der Wirtschaftstrend.<br />
Und der ist stark?<br />
Ja, wir gehen von einer Fortsetzung<br />
des Aufschwungs in<br />
den USA und einem stärkeren<br />
Wachstum in Europa aus. Dadurch<br />
steigen auch die Gewinne<br />
der Unternehmen. Somit<br />
sehen wir an den Börsen<br />
keine Überhitzung. Viele Investoren<br />
haben noch wenig<br />
Aktien. Sie sind aber verunsichert,<br />
weil sie die Kernfrage<br />
nicht beantworten können.<br />
Und die lautet?<br />
Wo gehen die Zinsen hin?<br />
Wie ist Ihre Antwort?<br />
Wir erwarten allenfalls einen<br />
leichten Zinsanstieg. Andere gehen<br />
davon aus, dass mit dem<br />
Wirtschaftsaufschwung und<br />
dem Rückzug der US-Zentralbank<br />
aus Anleihekäufen, ab Mitte<br />
2015 die US-Zinsen stark steigen.<br />
Der Aufschwung dort ist<br />
allerdings schwächer als früher<br />
und läuft auch schon fünf Jahre.<br />
Wer jetzt nur kurzfristig für zwei<br />
bis drei Jahre in Anleihen investiert,<br />
weil er Zinserhöhungen erwartet,<br />
könnte enttäuscht werden.<br />
Aktien hingegen könnten<br />
besser laufen als gedacht.<br />
Was kaufen Sie?<br />
Da wir nur einen moderaten<br />
Zinsanstieg erwarten, investieren<br />
wir auch in Staats- und Unternehmensanleihen<br />
sowie etwa<br />
Pfandbriefe mit einer langen<br />
Laufzeit. Vereinzelt bauen wir<br />
den Bestand an Immobilien<br />
und Infrastruktur aus und investieren<br />
etwa in Gaskraftwerke<br />
sowie Wind- und Solarparks,<br />
für die langfristige Stromabnahme-Verträge<br />
bestehen. Das<br />
bringt kalkulierbare Erträge, mit<br />
denen Munich Re und Ergo die<br />
Zahlungsversprechen decken.<br />
4,5 Prozent der Versicherungsgelder<br />
stecken in Aktien.<br />
Das ist extrem wenig.<br />
Es liegt aber nicht daran, dass<br />
wir fallende Kurse erwarten.<br />
Wir müssen bei der Kapitalanlage<br />
gewährleisten, dass die<br />
Versicherungsgarantien durch<br />
Erträge der Anlagen gedeckt<br />
sind. Aktien sind durch ihre<br />
Kursschwankungen dafür wenig<br />
geeignet. Deshalb verlangt<br />
auch die Versicherungsaufsicht,<br />
dass wir für Aktien Eigenkapital<br />
zurückstellen. Bei Staatsanleihen<br />
müssen wir das nicht.<br />
Was ist besser: eine Lebensversicherung<br />
abschließen oder in<br />
Investmentfonds investieren?<br />
Das lässt sich nicht pauschal<br />
beantworten. Publikumsfonds<br />
haben allerdings bei der Anlage<br />
mehr Freiheiten. In unsere<br />
Mischfonds etwa können wir<br />
mehr Aktien packen als in die<br />
Versicherungsportfolios. In einem<br />
langfristigen Börsenaufschwung<br />
ist die Rendite höher.<br />
Welche Anleihen lohnen?<br />
Anleihen der Euro-Schuldenländer<br />
wie Irland, Italien, Spanien,<br />
Portugal sind interessant.<br />
Die Sanierung der Haushalte<br />
über den niedrigen Zins statt<br />
die Währung scheint zu funktionieren.<br />
Ich bin überzeugt, dass<br />
die angestoßenen Reformen<br />
langsam wirken.<br />
Die Zinsen sind kaum höher als<br />
die deutscher Staatsanleihen.<br />
Bei Spanien stimmt das. Eine<br />
fünfjährige spanische Anleihe<br />
rentiert nur noch mit 1,7 Prozent,<br />
seit die Europäische Zentralbank<br />
über Anleihekäufe<br />
nachdenkt. Sie wirft damit so<br />
viel ab wie US-Anleihen. Allerdings<br />
gibt es bei Spanien auch<br />
kein Währungsrisiko.<br />
Ist die neue Griechenland-Anleihe<br />
mit 4,95 Prozent Rendite<br />
für Sie interessant?<br />
Nein. Griechenland ist eine Nische<br />
und politisch beladen.<br />
Aber die große Linie stimmt in<br />
der Peripherie. Anleihen der<br />
Euro-Schuldenstaaten bieten<br />
einen gewissen Schutz vor Zinserhöhungen.<br />
Läuft die Konjunktur<br />
im Euro-Land besser,<br />
würden die Zinsen erhöht. Die<br />
Risikoaufschläge zu deutschen<br />
Bundesanleihen könnten sinken,<br />
weil sich die wirtschaftliche<br />
Lage und die Zahlungsfähigkeit<br />
verbessern würden.<br />
Haben Sie niedrige Kurse bei<br />
Schwellenländer-Anleihen zum<br />
Kauf genutzt?<br />
Nein. Wir halten sie bereits,<br />
sind jetzt aber vorsichtiger. Viele<br />
Länder bauen Defizite auf, während<br />
die Euro-Peripherie sich<br />
entschuldet. Spanien hat einen<br />
Leistungsbilanzüberschuss,<br />
und Anleger kaufen spanische<br />
Anleihen, dafür ziehen sie Geld<br />
etwa aus Brasilien ab.<br />
Hat die Europäische Zentralbank<br />
ein gutes Händchen?<br />
Ja. Das Zinsniveau bleibt niedrig,<br />
und die Peripherie entwickelt<br />
sich. Aber die EZB und die<br />
US-Notenbank müssen aus<br />
dem außerordentlichen Modus<br />
herauskommen, bevor es eine<br />
neue Rezession gibt. Sonst haben<br />
sie ihr Pulver verschossen,<br />
wenn sie es brauchen. Außerdem<br />
steigt die Gefahr, dass eine<br />
überbordende Geldversorgung<br />
am Aktien- und Immobilienmarkt<br />
Blasen aufpumpt.<br />
heike.schwerdtfeger@wiwo.de | Frankfurt<br />
WirtschaftsWoche <strong>19</strong>.4.<strong>2014</strong> Nr. 17 97<br />
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.