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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2014-04-19 (Vorschau)

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...in Afrika forsten Küstenbewohner Mangrovenwälder (rechts) als Sturmflutschutz wieder auf<br />

wollen die Forscher nun verfeinern, um<br />

Krankheitsausbrüche bis zu sechs Monate<br />

vorab zu prognostizieren.<br />

ERNÄHRUNG Hirse statt Mais<br />

Unter „Pink Lady“ hätten sich die Deutschen<br />

noch vor Kurzem vieles vorgestellt,<br />

aber keine Apfelsorte. Heute pflanzen<br />

Obstbauer sie dank der Erderwärmung<br />

auch hierzulande. Pink Lady verträgt Hitzewellen<br />

besser als viele andere Äpfel.<br />

Darum wuchs sie früher vorwiegend in<br />

Frankreich oder Italien.<br />

Erkennbar wird der Klimawandel nicht<br />

nur in der Obstabteilung des Supermarkts,<br />

sondern auch in der Statistik. In Deutschland<br />

hat sich die Anbauperiode für Agrarpflanzen<br />

seit <strong>19</strong>70 um zwei Wochen verlängert.<br />

Das klingt positiv, kann in südlichen<br />

Ländern aber ernste Folgen haben. Die Erträge<br />

der Bauern, schätzen Experten,<br />

könnten wegen stärkerer Hitzewellen ab<br />

2050 um bis zu 25 Prozent sinken. Vor allem<br />

bei Weizen und Mais, warnt der UN-<br />

Klimarat, sind drastische Einbußen möglich.<br />

Ohne Anpassungen komme es deshalb<br />

in Zukunft zu Nahrungsengpässen,<br />

weil die Weltbevölkerung weiter wachse.<br />

Doch auch hier haben Landwirte Chancen,<br />

sich anzupassen – etwa indem sie Anbaumethoden<br />

verändern, die Bewässerung<br />

verbessern oder andere Pflanzen nutzen.<br />

Auf diese Weise haben sich die Erträge<br />

pro Hektar seit dem Zweiten Weltkrieg<br />

mehr als verdoppelt. Besonders wichtig ist,<br />

Pflanzen zu züchten, die das veränderte<br />

Klima vertragen.<br />

Trockenresistenten Varianten der Hirse<br />

schreiben Saatgutforscher eine Schlüsselrolle<br />

zu, etwa als Ersatz für Mais. Gegen<br />

längere Dürren könnten Nutzpflanzen mit<br />

längeren Wurzeln helfen. Für Trockenheit<br />

optimierte Sorten können bis zu 15 Prozent<br />

mehr Ertrag bringen als herkömmliche<br />

Arten – und so die durch den Klimawandel<br />

bedingten Ernterückgänge ausgleichen.<br />

Aber auch zu viel Wasser wird für die<br />

Bauern künftig zum Problem. Vor allem<br />

wenn es das falsche ist wie in Bangladesch.<br />

Dort ergießen sich fast jährlich Sturmfluten<br />

über die Felder, die Millionen Menschen<br />

ernähren. Extra für diesen Einsatz<br />

züchteten Forscher nun Reissorten, die resistenter<br />

gegenüber Salz sind.<br />

MEERE Hochseefische <strong>vom</strong> Land<br />

Um drei Zentimeter pro Jahrzehnt ist der<br />

Meeresspiegel seit <strong>19</strong>93 gestiegen. Bis 2100<br />

können laut UN-Klimarat weitere 30 bis<br />

100 Zentimeter dazukommen. Noch verläuft<br />

die Entwicklung langsam. London<br />

will sein großes Sturmflutwehr – die Thames<br />

Barrier – daher frühestens 2070 aufstocken.<br />

Auch in der Deutschen Bucht sind<br />

die Deiche wohl bis Mitte des Jahrhunderts<br />

sicher. Trotzdem werden sich allein durch<br />

Neue, dürreresistente<br />

Pflanzen<br />

bringen 15 Prozent<br />

mehr Ertrag<br />

Wirtschaftswachstum laut Weltbank die in<br />

Küstenstädten bedrohten Sachwerte bis<br />

2050 verzehnfachen.<br />

Und weil der Boden in dicht besiedelten<br />

Deltas durch Wasserentnahmen sinkt,<br />

wird dort schon ein Anstieg des Meeres<br />

um Zentimeter zum Problem – und Anpassung<br />

nötig. Niederländische Experten<br />

sind jetzt etwa in New York und in Bangladesch<br />

gefragt, um den Küstenschutz zu<br />

verstärken.<br />

Doch nicht nur der Meeresspiegel steigt.<br />

Auch die marine Fauna reagiert auf den<br />

Klimawandel. Fische weichen in kühlere<br />

Gewässer aus. In die Nordsee sind laut<br />

dem Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven<br />

in den letzten Jahrzehnten 40 neue Arten<br />

eingewandert, darunter Sardinen und<br />

Wolfsbarsch, während sich der Dorsch<br />

nach Norden verdrückt. Das spüren auch<br />

die Fischer: In hohen Breiten nähmen die<br />

Fänge zu; in den Tropen aber könnten sich<br />

die Mengen bis 2050 halbieren, warnt der<br />

Klimarat. Um sich anzupassen, müssen<br />

andere Arten befischt werden.<br />

Auch Aquakulturen können helfen, die<br />

Eiweißversorgung der Menschen zu sichern.<br />

Früher wurden die Kulturen oft an<br />

Küsten angelegt – und verdrängten schützende<br />

Mangroven. Inzwischen aber gibt es<br />

schonendere Ansätze – im Binnenland: In<br />

Deutschland wollen Firmen wie etwa Neomar<br />

Meeresfische wie Doraden züchten.<br />

Auch Korea besitzt inzwischen vergleichbare<br />

Aquakulturen für Meeresfische.<br />

Wer weiß: Vielleicht entdeckt auch<br />

Bloombergs Nachfolger Bill de Blasio noch<br />

das Hochseeangeln im New Yorker Binnenland<br />

– um seine Metropole auf den Klimawandel<br />

vorzubereiten.<br />

n<br />

sven titz | technik@wiwo.de, benjamin reuter<br />

WirtschaftsWoche <strong>19</strong>.4.<strong>2014</strong> Nr. 17 67<br />

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