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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2014-04-19 (Vorschau)

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Technik&Wissen<br />

KLIMAKOSTEN<br />

Solaranlagen<br />

oder Deiche?<br />

Die Menschheit muss sich auf den<br />

Klimawandel einstellen. Allein der<br />

Küstenschutz kostet Milliarden.<br />

Bisher herrscht unter Ökonomen ein erbitterter<br />

Streit um die Frage, was wirtschaftlicher<br />

ist: sich dem Klimawandel<br />

anzupassen oder ihn zu verhindern.<br />

Eine Antwort kann der Vorsitzende des<br />

UN-Weltklimarates (IPCC) Rajendra<br />

Pachauri noch nicht geben. Immerhin:<br />

Bis Oktober wollen er und seine Experten<br />

dazu einen großen Report verfassen.<br />

Schon jetzt aber ist für ihn klar:<br />

„Wir müssen die Anpassung an den Klimawandel<br />

ebenso finanzieren wie die<br />

Vermeidung.“ Dahinter steckt die Einsicht:<br />

Zwei Grad wärmer wird die Welt<br />

ohnehin, auf die Folgen muss sich die<br />

Menschheit einstellen.<br />

UNGENÜGENDE STUDIEN<br />

Was es kostet, die Erderwärmung auf<br />

zwei Grad zu begrenzen, ist dagegen<br />

klar. Die Zahlen finden sich im dritten<br />

Teil des aktuellen Weltklimaberichtes,<br />

den der IPCC vergangenen Sonntag in<br />

Berlin vorgestellt hat. Der Leitautor Ottmar<br />

Edenhofer, Ökonom am Potsdam-<br />

Institut für Klimafolgenforschung (PIK),<br />

geht davon aus, dass <strong>Ausgabe</strong>n für<br />

einen wirksamen Klimaschutz wie etwa<br />

das Fördern erneuerbarer Energien das<br />

Wachstum der Weltwirtschaft pro Jahr<br />

nur um rund 0,06 Prozentpunkte abschwächen.<br />

„Klimapolitik bedeutet also<br />

nicht, dass die Welt auf Wirtschaftswachstum<br />

verzichten muss“, sagt er.<br />

Wie viel eine Anpassung an eine zwei<br />

Grad wärmere Welt kostet, beziffert der<br />

Weltklimarat nicht. Die Begründung:<br />

Bisherige Studien seien „ungenügend“.<br />

Anhaltspunkte gibt es aber. Was es<br />

etwa für den Küstenschutz bedeutet,<br />

wenn sich die Erde um fast fünf Grad<br />

erwärmt, rechneten kürzlich Forscher<br />

des Global Climate Forum, einem Berliner<br />

Thinktank, vor. Betroffene Staaten<br />

müssten jährlich bis zu 70 Milliarden<br />

Dollar investieren. Bliebe es dagegen<br />

bei weniger als zwei Grad Erwärmung,<br />

wären es höchstens 30 Milliarden.<br />

Globaler Wandel Bauern ernten Kartoffeln in Grönland (links); Dürre am Rhein (Mitte)...<br />

»<br />

Eine besonders energieeffiziente nutzt<br />

die Stadt Doha im Emirat Katar. Hier kühlen<br />

in zwei Vierteln nicht gewöhnliche Klimaanlagen<br />

die Bauten, sondern Pumpen<br />

leiten kaltes Wasser durch die Häuser. Dieses<br />

„District Cooling“ funktioniert ähnlich<br />

wie die bekannte Fernwärmeheizung, nur<br />

kommt hier Wasser mit einer Temperatur<br />

von 5,5 Grad Celsius in den Häusern an.<br />

Das System verbraucht 40 Prozent weniger<br />

Energie als konventionelle Klimaanlagen.<br />

Auch wenn es um angenehme Außentemperaturen<br />

geht, sind arabische Städte<br />

Vorbilder. In Masdar, einem Städtebauprojekt<br />

für 40 000 Einwohner und 50 000 Pendler<br />

nahe Abu Dhabi, sind die Häuserzeilen<br />

so eng gebaut, dass keine Sonne auf die<br />

Gehsteige dazwischen fällt. Die Anordnung<br />

der Gebäude schafft freie Bahn für<br />

Luftströmungen – die frische Brise soll die<br />

Sommertemperatur in Masdar City um bis<br />

zu 20 Grad Celsius gegenüber derjenigen<br />

in der Sandwüste der Umgebung senken.<br />

In bestehenden Städten hilft oft nur eine<br />

bessere Organisation. In Paris etwa hat die<br />

Stadtverwaltung nach dem tödlichen Sommer<br />

2003 einen Notfallplan entwickelt. Bei<br />

künftigen Hitzwellen sollen Hilfsbedürftige,<br />

die sich bei den Behörden registriert<br />

haben, in Herbergen versorgt werden.<br />

GESUNDHEIT Abwehr von Seuchen<br />

Im Sommer 2011 machte ein Reporter des<br />

arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera<br />

eine alarmierende Entdeckung: In Lakonien,<br />

einer Küstenregion im Süden Griechenlands,<br />

häuften sich bei Arbeitern auf<br />

den Zitrusplantagen Malariafälle. Dabei<br />

galt die Krankheit in Europa seit <strong>19</strong>70 als<br />

ausgerottet. In dem Fernsehbeitrag des<br />

Senders nannte Apostolos Veiziz, ein Mediziner<br />

im Dienst der Hilfsorganisation<br />

Ärzte ohne Grenzen, die Gründe für die<br />

Rückkehr der Tropenkrankheit: „Die Regierung<br />

hat wegen der Finanzkrise kein<br />

Geld, Insektizide zur Bekämpfung der Mücken<br />

zu versprühen“, sagte er. Gleichzeitig<br />

trügen steigende Temperaturen zur explosionsartigen<br />

Vermehrung der Mücken bei.<br />

Die griechischen Behörden schickten<br />

daraufhin Trucks der Seuchenbehörde, die<br />

den Arbeitern Blut abnahmen und sie mit<br />

Medikamenten versorgten. Auch begann<br />

sie wieder, die Schädlinge zu bekämpfen.<br />

Mit Erfolg: Zwei Jahre später wurden nur<br />

noch drei Fälle Malaria in Griechenland<br />

registriert.<br />

Für den ehemaligen IPCC-Autor Richard<br />

Tol ist klar: „Heute ist Malaria vor allem ein<br />

Problem armer Länder, und der Klimawandel<br />

wird die Situation verschlimmern.<br />

Erst mit zunehmendem Wohlstand wird<br />

das Problem verschwinden.“<br />

Das gilt auch für viele andere Krankheiten,<br />

die mit dem Klimawandel zunehmen.<br />

Dazu gehören Dengue-Fieber und Borreliose,<br />

die durch Zecken übertragen wird,<br />

aber auch Meningitis, Rifttalfieber und<br />

Cholera. Gesundheitsexperten aus dem<br />

Senegal, Malawi und Ghana arbeiten deshalb<br />

mithilfe europäischer Klimaforscher<br />

an einem Frühwarnsystem für Epidemien.<br />

In dem Projekt mit dem Namen Qweci<br />

meldeten Krankenhäuser per Funk unter<br />

anderem Malariafälle automatisch an eine<br />

zentrale Sammelstelle. Gleichzeitig lieferten<br />

Satelliten Wetterdaten für jede Region.<br />

Häuften sich die Erkrankungen und nahte<br />

für Insekten günstiges Wetter, wurden die<br />

Ärzte auch andernorts alarmiert. Das half,<br />

Medikamente rechtzeitig zu liefern und die<br />

Menschen vor Ort zu warnen. Das System<br />

FOTOS: GETTY IMAGES/AURORA, IMAGO/JOCHEN TACK, CORBIS/GEORG STEINMETZ<br />

66 Nr. 17 <strong>19</strong>.4.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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