Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2014-04-19 (Vorschau)
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Politik&Weltwirtschaft<br />
Schuss nach hinten<br />
EURO-KRISE | Die Regierungen Italiens und Frankreichs schicken sich an, den Sparkurs aufzuweichen.<br />
Unter dem Rettungsschirm der EZB wandelt sich die Euro-Zone mehr und mehr zur Schuldenunion.<br />
Schlechter hätte der Start in die Karwoche<br />
für Matteo Renzi kaum ausfallen<br />
können. Rund 15 000 Italiener<br />
protestierten am vergangenen Wochenende<br />
in Rom gegen die Sparpolitik ihres Regierungschefs.<br />
Zuerst zogen die von linken<br />
Gruppen organisierten Demonstranten<br />
friedlich durch die ewige Stadt, dann flogen<br />
plötzlich Flaschen, Steine und Feuerwerkskörper<br />
in Richtung Polizei. Die antwortete<br />
mit Tränengas und Schlagstöcken.<br />
Das Ergebnis: 30 Verletzte, darunter 20<br />
Polizisten, von denen viele im Krankenhaus<br />
behandelt werden mussten.<br />
Proteste gab es auch in Frankreichs<br />
Hauptstadt Paris. Mehr als 25 000 Menschen<br />
zogen dort gegen die Sparpläne der<br />
Regierung unter dem neuen Premier Manuel<br />
Valls zu Felde. „Gegen die Sparpolitik,<br />
für die Verteilung des Reichtums“, war auf<br />
den Plakaten der Demonstranten zu lesen.<br />
Gewerkschaften, Kommunisten und linksradikale<br />
Parteien hatten zum Marsch gegen<br />
Valls Sparpolitik aufgerufen.<br />
Knüppel aus dem Sack Die Bürger in Rom<br />
machen Front gegen den Sparkurs<br />
Die Parolen der Demonstranten sind einigermaßen<br />
skurril. Denn weder in Rom<br />
noch in Paris hat es bisher nennenswerte<br />
Sparmaßnahmen gegeben. Zwar wollen<br />
Renzi und Valls in den nächsten Jahren die<br />
<strong>Ausgabe</strong>n des Staates senken, um geplante<br />
Steuersenkungen zu finanzieren. Bisher<br />
aber sind das nur Lippenbekenntnisse.<br />
Weder Renzi noch Valls haben Interesse<br />
daran, sich den Zorn der reformunwilligen<br />
Bürger zuzuziehen. „Natürlich müssen die<br />
öffentlichen Finanzen saniert werden,<br />
doch ohne unser Sozialmodell und unseren<br />
öffentlichen Dienst kaputt zu machen,<br />
ansonsten akzeptieren es die Franzosen<br />
nicht“, relativierte denn auch Valls seine<br />
Sparankündigungen. Klarer könnte die Absage<br />
an eine durchgreifende Sanierung des<br />
Staatshaushalts kaum ausfallen.<br />
Valls und Renzi setzen darauf, dass die<br />
Europäische Zentralbank (EZB) ihnen zu<br />
Hilfe eilt und die geldpolitischen Schleusen<br />
weiter öffnet. So warf Valls der EZB<br />
jüngst vor, ihre Geldpolitik sei nicht expansiv<br />
genug. Sie blockiere daher den Aufschwung<br />
in Europa. Auch innerhalb der<br />
EZB wächst der Druck der Vertreter aus<br />
den Südländern, die Schuldenpolitik der<br />
Regierungen mit der Notenpresse zu finanzieren.<br />
Die Währungsunion steht vor einer<br />
Zäsur.<br />
ENDE DER SPARDISZIPLIN<br />
Dabei ist es gerade einmal zwei Jahre her,<br />
dass sich die EU-Länder auf Drängen<br />
Deutschlands mit dem Fiskalpakt zu strikter<br />
Haushaltsdisziplin verpflichtet haben.<br />
Bei seinem Besuch Anfang dieser Woche in<br />
Berlin gelobte Frankreichs Premier Valls<br />
zwar, sein Land werde das Haushaltsdefizit,<br />
das derzeit bei mehr als vier Prozent<br />
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt,<br />
nächstes Jahr wie vereinbart auf drei Prozent<br />
senken. Doch ob es ihm damit wirklich<br />
ernst ist, ist fraglich. Wenige Tage zuvor<br />
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA<br />
36 Nr. 17 <strong>19</strong>.4.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />
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