Einführung in Hegels Logik - Philosophisches Seminar
Einführung in Hegels Logik - Philosophisches Seminar
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Aber wenn Hegel die D<strong>in</strong>ge als Urteile auslegt, redet er dann nicht tractarianischen Tatsachenontologie<br />
das Wort? („Die Welt ist alles, was der Fall ist, die Gesamtheit der Tatsachen,<br />
nicht der D<strong>in</strong>ge.“) – Ne<strong>in</strong>; denn das Prädikat, sagt Hegel (Enz. § 170), <strong>in</strong>häriert dem zugrundeliegenden<br />
Subjekt und ist <strong>in</strong> ihm ideell. Es hat also ke<strong>in</strong> eigenes Bestehen, sondern hat se<strong>in</strong><br />
Bestehen nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Anderen, eben dem Subjekt.<br />
Nichtsdestoweniger s<strong>in</strong>d die D<strong>in</strong>ge als Urteile endlich; denn e<strong>in</strong> Urteil ist nicht nur Verb<strong>in</strong>dung<br />
oder Synthesis (von Subjekt und Prädikat), sondern auch Gliederung und Trennung: Das<br />
Dase<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es D<strong>in</strong>ges ist im Urteil getrennt von der allgeme<strong>in</strong>en Natur des D<strong>in</strong>ges, se<strong>in</strong> Leib<br />
ist getrennt von se<strong>in</strong>er Seele. (Enz. § 168)<br />
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Spezifisch für <strong>Hegels</strong> Behandlung des Urteils und des Schlusses ist es, daß Hegel ke<strong>in</strong>e „formale“<br />
<strong>Logik</strong> betreibt. D.h., er untersucht nicht logische Formen, die an außerlogischen Inhalten<br />
auftreten, sondern die re<strong>in</strong> logischen Urteils- und Schluß<strong>in</strong>halte selber. Der erste logische<br />
Urteils<strong>in</strong>halt ist die Kopula qua Dase<strong>in</strong> oder Qualität (wie gesagt, nicht die Quantität, sondern<br />
die Qualität macht den Anfang).<br />
Das ganz abstrakte Urteil besagt: „Das E<strong>in</strong>zelne ist das Allgeme<strong>in</strong>e“ (Enz. § 169).<br />
Abtraktes Urteil: E ist A.<br />
Das muß nun zunächst qualitativ verstanden werden: E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelnes ist durch e<strong>in</strong>e Qualität<br />
bestimmt. E<strong>in</strong>e bestimmte Rose etwa ist rot. Rose und Rot kommen zusammen, und zwar<br />
idealiter <strong>in</strong> Identität.<br />
Aber das stimmt nicht ganz. Beide Seiten stehen sozusagen über: Die Rose steht über den<br />
Inhalt des Urteils, weil sich noch andere Qualitäten hat (sie ist fest, stachlig usw.). Und das<br />
Rot steht über, weil es auch außerhalb der Rose vorkommt, an reifen Kirschen und Tomaten<br />
usw.<br />
Die analytische Metaphysik unserer Tage hat sich bemüht, das Überstehende abzuschneiden,<br />
nämlich mittels des Begriffs der Trope (<strong>in</strong> der sog. Tropentheorie). Tropen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dividualisierte<br />
Universalien. Man nehme die allgeme<strong>in</strong>e Röte (e<strong>in</strong>es bestimmten letztspezifischen<br />
Typs) und zerlege sie entlang den roten E<strong>in</strong>zeld<strong>in</strong>gen. Oder man nehme umgekehrt jeweils e<strong>in</strong><br />
rotes D<strong>in</strong>g und zerlege es nach allen se<strong>in</strong>en verschiedenen Eigenschaften. Was dabei übrigbleibt,<br />
ist e<strong>in</strong>e rote Trope (oder e<strong>in</strong>e Trope der Röte). Für sie würde dann gelten E = A.<br />
Abgesehen von der metaphysischen Tropentheorie stimmt es aber nicht e<strong>in</strong>fach, daß E = A.<br />
Vielmehr ist E nicht A, sondern eben E. Dies ergibt dann das negative Urteil als Nachfolger<br />
des positiven Urteils im Bereich des qualitativen Urteils: E ist nicht A.<br />
Ich gebe e<strong>in</strong>en kurzen Überblick gemäß der „kle<strong>in</strong>en“ (enzyklopädischen) <strong>Logik</strong> von 1830<br />
(wo Hegel nicht mit „E ist A“, sondern mit „E ist B“ beg<strong>in</strong>nt):<br />
a) Das qualitative Urteil<br />
Wir gehen aus von e<strong>in</strong>em logischen Quale, d.h. von e<strong>in</strong>em Dase<strong>in</strong>, das mit se<strong>in</strong>er Bestimmtheit<br />
oder Qualität identisch ist, und br<strong>in</strong>gen (oder zw<strong>in</strong>gen) es <strong>in</strong> die prädikative Form. Dazu<br />
müssen wir es doppelt benutzen, als Subjekt und als se<strong>in</strong> eigenes Prädikat:<br />
1. Das positive Urteil: „Das E<strong>in</strong>zelne ist e<strong>in</strong> Besonderes.“ („Die Rose ist rot.“)<br />
Die Kopula drückt Hegel zufolge Identität aus, und zwar hier Identität <strong>in</strong> der Form des unmittelbaren<br />
Se<strong>in</strong>s. So kann er wie folgt räsonieren: Die Rose ist nicht identisch mit ihrer Röte;<br />
also müssen wir zum negativen Urteil übergehen.