Einführung in Hegels Logik - Philosophisches Seminar
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der Vergangenheit anheimfällt. Also kommt andererseits die Gegenwart <strong>in</strong> der sukzessiven<br />
Zeit gar nicht zu Stand und Wesen, sondern bleibt e<strong>in</strong> immerwährendes Sollen und unerreichbares<br />
Jenseits. Deswegen leiden wir unter der (sukzessiven) Zeit.<br />
-- -- --<br />
Um so triumphaler ist dann der Übersprung über den unendlichen Fortgang des Endlichen<br />
<strong>in</strong>s Unendliche. Daß er möglich ist, lehrt uns Achilles, <strong>in</strong>dem er die Schildkröte, statt sich ihr<br />
<strong>in</strong>s Unendliche anzunähern, überholt.<br />
Auf diesen Präzedenzfall können wir uns berufen, wenn uns die logikimmanente Argumentation<br />
für sich nicht stark genug ersche<strong>in</strong>t. Ich selber f<strong>in</strong>de sie überzeugend <strong>in</strong> folgender Version.<br />
In der unendlichen Folge der Ursachverhalte:<br />
e, ~e, ~~e, ~~~e, ...,<br />
gibt es (1) ke<strong>in</strong> Glied, das nicht durch e<strong>in</strong>en Nachfolger verne<strong>in</strong>t wäre (jedes Glied ist verne<strong>in</strong>t!),<br />
und ist (2) jeder Schritt auch die Wiederherstellung des vorigen Endlichen (denn das<br />
Endliche ist se<strong>in</strong>er Negation ja äquivalent). Insofern ist die ganze Folge auch e<strong>in</strong> Zusammengehen<br />
mit sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Ursachverhalt.<br />
(1) Ke<strong>in</strong> Glied des Progresses bleibt unverne<strong>in</strong>t.<br />
(2) Jeder Verne<strong>in</strong>ungsschritt ist Wiederherstellung (wegen: e ↔ ~e).<br />
Wir tun also dem immer fortschreitenden („progredierenden“) Endlichen ke<strong>in</strong>e fremde, sondern<br />
nur se<strong>in</strong>e eigene Gewalt an, wenn wir den Progreß wegen (1) <strong>in</strong>sgesamt verne<strong>in</strong>en (mit<br />
e<strong>in</strong>em notationell neuen Negationszeichen wird angedeutet, daß wir den S<strong>in</strong>n dieser Sammelnegation<br />
noch nicht ganz verstehen und daß er jedenfalls etwas Neues ist).<br />
¬[e, ~e, ~~e, ~~~e, ...]<br />
Und wir tun ihm auch ke<strong>in</strong>e fremde Gewalt an, wenn wir den resultierenden Gedanken wegen<br />
(2) als das Resultat des Zusammengehens-mit-sich des Progresses <strong>in</strong>terpretieren. Als Negation<br />
des Endlichen <strong>in</strong>sgesamt heißt dieser neue Ursachverhalt das Unendliche.<br />
-- -- --<br />
Wir haben hier aber e<strong>in</strong>e neue Form der Negation <strong>in</strong>s Spiel gebracht, die wir noch nicht gut<br />
verstehen: die Verne<strong>in</strong>ung jedes e<strong>in</strong>zelnen Endlichen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unendlichen Progreß durch<br />
e<strong>in</strong>e Art Sammelverne<strong>in</strong>ung. Wir kennen die Negation bisher erstens als Vernichtung (Ausschluß<br />
aus dem LR) und zweitens als Verdrängung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en abgeschatteten Teil des LR.<br />
Die vielen Endlichen lassen sich nicht vernichten; sie s<strong>in</strong>d logische Stehaufmännchen. Dar<strong>in</strong><br />
lag ja ihre Hartnäckigkeit. Also bleibt als Modell für das äußere Negationszeichen, das dem<br />
„Un“ <strong>in</strong> „Unendliches“ entspricht, nur die Verdrängung <strong>in</strong> den anderen Teil des LR übrig.<br />
Das Unendliche ist das Unmittelbare, das Daseiende, das die Endlichen verne<strong>in</strong>t und verdrängt<br />
hat. So entsteht der Gedanke des Unendlichen als des Etwas, das sich negativ gegen<br />
se<strong>in</strong> Anderes, das Endliche, verhält. Dazu Hegel (unter „b. Wechselbestimmung des Endlichen<br />
und Unendlichen“):<br />
Das Unendliche ist; <strong>in</strong> dieser Unmittelbarkeit ist es zugleich die Negation e<strong>in</strong>es Anderen,<br />
des Endlichen. So als seiend und zugleich als Nichtse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Anderen ist es <strong>in</strong> die<br />
Kategorie des Etwas als e<strong>in</strong>es bestimmten überhaupt, näher […] <strong>in</strong> die Kategorie des<br />
Etwas mit e<strong>in</strong>er Grenze zurückgefallen. Das Endliche steht nach dieser Bestimmtheit<br />
dem Unendlichen als reales Dase<strong>in</strong> gegenüber; so stehen sie <strong>in</strong> qualitativer Beziehung<br />
als außere<strong>in</strong>ander bleibende; das unmittelbare Se<strong>in</strong> des Unendlichen erweckt das Se<strong>in</strong>