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Einführung in Hegels Logik - Philosophisches Seminar

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Aber dann gibt es eben auch den täuschenden Sche<strong>in</strong>, der sich zwischen das Erkennen(wollen)<br />

und se<strong>in</strong>en Gegenstand schiebt und der ganz dem Erkennen(wollen) selber angehört.<br />

Wenn das Denken e<strong>in</strong>e Sache jenseits se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tendiert und dabei nur sich selber erfaßt und<br />

sich mit jener Sache verwechselt, reden wir vom täuschenden Sche<strong>in</strong>.<br />

Sche<strong>in</strong>:<br />

a) veridisch (wahrer Ansche<strong>in</strong>): epistemische Zugänglichkeit, Sichzeigen des Realen<br />

b) täuschend (Illusion): Das <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>gesperrte Denken verwechselt sich mit dem R.<br />

Natürlich könnte man für den veridischen Sche<strong>in</strong> auch Ersche<strong>in</strong>ung sagen und das Wort<br />

„Sche<strong>in</strong>“ für den täuschenden Sche<strong>in</strong> reservieren. Das Reale zeigt es: Es ersche<strong>in</strong>t. Das ist im<br />

wesentlichen auch <strong>Hegels</strong> Sprachgebrauch <strong>in</strong> der WdL. Das erste Kapitel der Wesenslogik<br />

behandelt den Sche<strong>in</strong> bzw. die Reflexion, das zweite Kapitel dann die Ersche<strong>in</strong>ung (das dritte<br />

die Wirklichkeit:<br />

Wesenslogik:<br />

A. Sche<strong>in</strong> (bzw. Reflexion) [1830: Grund der Existenz]<br />

B. Ersche<strong>in</strong>ung<br />

C. Wirklichkeit<br />

Aber mit dem Wort „Ersche<strong>in</strong>ung“ ist sogleich e<strong>in</strong> Dualismus von <strong>in</strong>nen und außen gedacht,<br />

der mit dem veridischen Sche<strong>in</strong> nicht verbunden ist. Hegel behandelt eben jenen Dualismus<br />

im mittleren Abschnitt der Wesenslogik als den von Ersche<strong>in</strong>ungswelt und an-sich-seiender<br />

Welt bzw. als den von Kraft und Äußerung der Kraft und schließlich als den des Äußeren<br />

und Inneren.<br />

Dar<strong>in</strong> liegt die (metaphysische) These, die Hegel nicht als letzte Wahrheit verkaufen, sondern<br />

kritisch exponieren will, daß der veridische Sche<strong>in</strong> oder Ansche<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem die D<strong>in</strong>ge sich zeigen,<br />

uns nur mit ihrer äußeren Oberfläche epistemisch zusammenbr<strong>in</strong>gt. Der affirmative, veridische<br />

Sche<strong>in</strong> ist jeweils die äußere Ersche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>es verborgenen Innerlichen. Und die<br />

E<strong>in</strong>heit des Inneren und Äußeren, die schließlich doch auch erreicht wird, ist die Wirklichkeit.<br />

Soviel vorweg über den Sche<strong>in</strong> im negativen und im positiven S<strong>in</strong>n, über den Sche<strong>in</strong>, der das<br />

Denken <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>sperrt, und den Sche<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem das Reale nach außen tritt und dem Denken<br />

ersche<strong>in</strong>t.<br />

-- -- --<br />

Unsere Lösungsidee für die Ant<strong>in</strong>omie der Se<strong>in</strong>slogik war, auf täuschenden Sche<strong>in</strong> zu plädieren.<br />

Wie genau soll diese Lösung funktionieren? Das Wort „Se<strong>in</strong>“ war der Titel für den unmittelbaren,<br />

unbestimmten, alternativlosen Gegenstand und Inhalt des re<strong>in</strong>en Denkens, mit<br />

dem es aber sogleich verschmolz.<br />

Dieses Verschmelzen hätte uns stutzig machen können: E<strong>in</strong> Denken, das mit se<strong>in</strong>em Gegenstand<br />

verschmilzt, geht nicht mehr aus sich oder über sich h<strong>in</strong>aus. Aber schön, dachten wir, <strong>in</strong><br />

der Verschmelzung haben wir e<strong>in</strong>e Subjekt/Objekt-Identität, die ja durchaus auch ihr Gutes<br />

haben mag. Jetzt, am Ende der Se<strong>in</strong>slogik, sehen wir h<strong>in</strong>gegen, daß sie vor allem ihr Schlechtes<br />

hat: Sie ist ewige, stehende Selbstzerstörung, die unauflösliche Ant<strong>in</strong>omie der Negation.<br />

Warum also erklären wir sie dann nicht zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> sich haltlosen Sche<strong>in</strong>? Was wir „Se<strong>in</strong>“<br />

genannt haben, ist ke<strong>in</strong> gediegenes Se<strong>in</strong>, sondern nur das Denken selber, das widersprüchlich<br />

<strong>in</strong> sich selbst kreist, ganz leer und selbstbezogen, und das gar nicht durchdr<strong>in</strong>gt zum wahren<br />

Se<strong>in</strong>. Das wahre Se<strong>in</strong> aber nennen wir nun vorsorglich „das Wesen“.<br />

Was „Se<strong>in</strong>“ hieß, ist nur sche<strong>in</strong>bares Se<strong>in</strong>: Sche<strong>in</strong>.<br />

Das wahre Se<strong>in</strong> jenseits des Sche<strong>in</strong>s möge „Wesen“ heißen.

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