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Einführung in Hegels Logik - Philosophisches Seminar

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16.05.13<br />

Nach langer Pause beg<strong>in</strong>ne ich mit e<strong>in</strong>er Wiederholung der zuletzt gemachten Bemerkungen<br />

über das Werden.<br />

Das Werden ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>konsistente Verb<strong>in</strong>dung von Se<strong>in</strong> und Negation und wird dementsprechend<br />

ausgedrückt durch das<br />

QT(1):<br />

Nicht: Se<strong>in</strong>!<br />

Aber diese Verb<strong>in</strong>dung währt nur e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>f<strong>in</strong>itesimalen (unendlich kurzen) logischen Augenblick<br />

lang und vernichtet sich selbst zugunsten des Se<strong>in</strong>s, das dann Dase<strong>in</strong> heißt. Dieses augenblickslange<br />

Werden nenne ich den logischen Urknall; mit ihm beg<strong>in</strong>nt die Evolution des<br />

logischen Raumes, dessen erster relativ stabiler Zustand dann eben das Dase<strong>in</strong> ist.<br />

In diesem Zusammenhang gab es e<strong>in</strong>ige wichtige Bemerkungen zu machen; die ersten drei<br />

s<strong>in</strong>d Wiederholungen, ab der vierten kommt etwas Neues.<br />

-- -- --<br />

Erstens. Die Verb<strong>in</strong>dung von Se<strong>in</strong> und Negation im Werden ist nicht atomistisch zu verstehen,<br />

sondern holistisch. Das heißt, im Werden ist alles Werden. Das Se<strong>in</strong> im Werden ist selber<br />

e<strong>in</strong> Werden, und die Negativität im Werden ist ebenfalls e<strong>in</strong> Werden. Hegel nennt die<br />

Momente des Werdens Entstehen und Vergehen. Im Entstehen setzt sich das Se<strong>in</strong> gegen die<br />

Negativität durch und im Vergehen umgekehrt die Negativität gegen das Se<strong>in</strong>.<br />

Zweitens. Es gibt ke<strong>in</strong>en logischen Zustand „re<strong>in</strong>es Se<strong>in</strong>“ vor dem Werden. Denn dann müßte<br />

irgendwann (im re<strong>in</strong> logischen S<strong>in</strong>n von „irgendwann“) die Negativität zu dem ewigen Se<strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>zutreten. Dafür aber gibt es ke<strong>in</strong>e logische Stelle, ke<strong>in</strong>en logischen Augenblick. Deswegen<br />

beg<strong>in</strong>nt die <strong>Logik</strong> tatsächlich erst mit dem Werden und, da dieses nur unendlich kurz vorkommt,<br />

eigentlich erst mit dem Dase<strong>in</strong>. Das re<strong>in</strong>e Se<strong>in</strong> vor dem Werden wird zur logischen<br />

Prähistorie relegiert (sobald das Werden <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt).<br />

Drittens. Das Dase<strong>in</strong> ist der siegreiche Nachfolger-USV des Werdens. Es hat das Werden<br />

negiert, d.h. vernichtet, und zwar spurlos vernichtet (da die Operation des Aufhebens im positiven<br />

S<strong>in</strong>n noch nicht zur Verfügung steht). Für das re<strong>in</strong>e Denken, für die OL, ersche<strong>in</strong>t daher<br />

das Dase<strong>in</strong>, sobald es auftritt, als e<strong>in</strong> Erstes und Unmittelbares. Für uns <strong>in</strong> der HL h<strong>in</strong>gegen<br />

ist es e<strong>in</strong> Zweites, der Negativ-Abzug des Werdens, also durch das Werden vermittelt<br />

und bestimmt. Die Bestimmtheit des Dase<strong>in</strong>s ist das Korrelat der Negation, durch die das<br />

Werden vernichtet wurde. Es gilt also:<br />

Das Dase<strong>in</strong> vernichtet das Werden, das Werden bestimmt das Dase<strong>in</strong>.<br />

Eigentlich hat das Werden sich schon selbst vernichtet. Aber wenn es verschwunden ist, besteht<br />

se<strong>in</strong> Negativ-Abzug, das Dase<strong>in</strong>, als se<strong>in</strong> siegreicher Nachfolger und somit als derjenige<br />

USV, der das Werden vernichtet hat. Das Werden „rächt“ sich am Sieger, <strong>in</strong>dem es ihn bestimmt.<br />

Und <strong>in</strong>sofern ist die Bestimmtheit das asymmetrische Korrelat der Negation. (Wir<br />

werden später sehen, daß es unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen zum symmetrischen Korrelat<br />

der Negation wird; Bestimmtheit und Negation s<strong>in</strong>d dann dasselbe. Hier aber noch nicht.)<br />

Viertens. Die Bestimmtheit des Dase<strong>in</strong>s (die Tatsache, daß es das Negative des Werdens ist)<br />

ist für das re<strong>in</strong>e Denken (für die OL) am Dase<strong>in</strong> zunächst nicht erkennbar. Daher ist das Dase<strong>in</strong><br />

mit se<strong>in</strong>er Bestimmtheit e<strong>in</strong>s. Dieses völlige Zusammenfallen von Dase<strong>in</strong> und Bestimmtheit<br />

drückt Hegel aus, <strong>in</strong>dem er die Bestimmtheit des Dase<strong>in</strong>s als Qualität faßt. Das Dase<strong>in</strong><br />

hat (<strong>in</strong> der OL) ke<strong>in</strong>e Bestimmtheit, sondern ist se<strong>in</strong>e Bestimmtheit, es ist durch und durch<br />

nur Qualität. In e<strong>in</strong>er heute üblichen Ausdrucksweise können wir sagen, das Dase<strong>in</strong> sei e<strong>in</strong><br />

Quale, aber natürlich ke<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nliches Quale (wie etwa Farbe<strong>in</strong>drücke), sondern e<strong>in</strong> logisches<br />

Quale und sogar das e<strong>in</strong>e und e<strong>in</strong>zige logische Quale. Charakteristisch für Qualia ist, daß sie

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