Einführung in Hegels Logik - Philosophisches Seminar
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Ad 2). An der log. Null-Stelle λ 0 gilt „Se<strong>in</strong>!“, an der Nachfolgerstelle λ 1 gilt „(Se<strong>in</strong>)!“ ,<br />
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Das mag auf den ersten Blick tatsächlich wie e<strong>in</strong>e Lösung aussehen, und es ist auch schon e<strong>in</strong><br />
Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung; aber freuen wir uns nicht zu früh. Denn nun kommen wir zum<br />
dritten Problem, <strong>in</strong> dessen Licht das Unzureichende unseres Lösungsversuchs für das zweite<br />
Problem sofort <strong>in</strong> die Augen spr<strong>in</strong>gt:<br />
Ad 3): Das Se<strong>in</strong> ist per def. unverne<strong>in</strong>bar (es wird <strong>in</strong> jeder Aussage mitausgesagt). Wenn das<br />
Se<strong>in</strong> unverne<strong>in</strong>bar ist, ist es qua USV unvernichtbar, es besteht ewig, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong> logischen,<br />
prätemporalen S<strong>in</strong>n von „ewig“, d.h. an allen sukzessiven Stellen der logischen Entwicklung.<br />
Dann also auch an der Stelle 1, und dann haben wir an dieser Stelle e<strong>in</strong>en Widerspruch<br />
zwischen dem ewigen logischen USV Se<strong>in</strong> und dem logisch <strong>in</strong>dexikalischen Sachverhalt<br />
Nicht-Se<strong>in</strong>. Der Widerspruch ist also nicht aufgelöst.<br />
Wir können diesen Widerspruch auch so herausarbeiten: In jeder Aussage wird das Se<strong>in</strong> mitausgesagt;<br />
d.h. jeder Sachverhalt impliziert den m<strong>in</strong>imalen Sachverhalt Se<strong>in</strong>. Das gilt auch<br />
für den logischen Nachfolgersachverhalt Nicht-Se<strong>in</strong>. Er ist zwar das kontradiktorische Gegenteil<br />
des Se<strong>in</strong>s, aber er impliziert zugleich das Se<strong>in</strong>, dem er widerspricht. Er widerspricht sich<br />
<strong>in</strong>sofern selbst. Fazit: Unser QT(1) ist selbstwidersprüchlich! Das ist unser drittes Problem,<br />
und erst wenn wir es gelöst haben, wird auch die Lösung des zweiten Problems komplett se<strong>in</strong>.<br />
Zum Glück gibt es auch hier e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Lösung. Wiederum können wir Maß nehmen an<br />
zeitlich <strong>in</strong>dexikalischen Sätzen und das Ergebnis auf unsere logisch <strong>in</strong>dexikalischen Sätze<br />
übertragen. Unter den zeitlich <strong>in</strong>dexikalischen Sätzen gibt es e<strong>in</strong>e bestimmte Teilmenge von<br />
Sätzen, die e<strong>in</strong>en Grenzfall der zeitlichen Indexikalität bilden. Ich nenne sie die Augenblickssätze.<br />
Zum S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Augenblickssatzes gehört es, daß er nur für e<strong>in</strong>en unendlich<br />
kurzen Augenblick gelten kann und sofort wieder falsch wird.<br />
Regnen kann es stundenlang und manchmal tagelang. „Es regnet <strong>in</strong> HD“ ist also ke<strong>in</strong> Augenblickssatz.<br />
Aber wie steht es mit dem Satz: „Der Torwart fängt den Ball“? Das Fangen kann<br />
nicht stundenlang dauern, nicht e<strong>in</strong>mal m<strong>in</strong>utenlang. Gut, der ganze Prozeß des Fangens mit<br />
Ausbreiten der Arme, Annehmen des Balles und sicherndem Festhalten kann e<strong>in</strong>e Sekunde<br />
oder auch zwei dauern. Der Vorgang des Fangens hat also noch zeitliche Teile. Aber wie steht<br />
es mit dem Moment, <strong>in</strong> dem der Ball anfängt, die Oberfläche der Handschuhe des Torwarts zu<br />
berühren?<br />
„Jetzt bekommt der Ball Kontakt mit der Handschuhoberfläche“.<br />
Dies ist e<strong>in</strong> Augenblickssatz. Er bezeichnet den Moment des Umschlagens vom Nichtberühren<br />
zum Berühren. Das wollen wir festhalten:<br />
E<strong>in</strong> Augenblickssatz beschreibt e<strong>in</strong> Umschlagen von „p“ nach „~p“.<br />
In dem Moment des Umschlagens gilt beides: Der Ball berührt den Handschuh noch nicht und<br />
berührt ihn zugleich auch schon. Das ist das Paradox des Werdens. Der australische <strong>Logik</strong>er<br />
Graham Priest sagt, daß es Grenzfälle gibt, <strong>in</strong> denen Widersprüche wahr s<strong>in</strong>d. Er ist e<strong>in</strong> Dialetheist.<br />
– Aletheia ist das griechische Wort für Wahrheit. Als e<strong>in</strong>e Dialetheia (Dialethie) bezeichnet<br />
Priest e<strong>in</strong>en wahren Widerspruch.<br />
Dialetheia = wahrer Widerspruch<br />
(„Der Torwart berührt den Ball schon und berührt ihn noch nicht.“)<br />
Müssen wir also, um unserer (AH) willen, Dialetheisten werden? Ist Hegel e<strong>in</strong> Dialetheist<br />
wie Graham Priest? Ja und ne<strong>in</strong>. Das kl<strong>in</strong>gt selbst wieder nach e<strong>in</strong>er Dialetheia, ist aber nicht<br />
so geme<strong>in</strong>t, denn wir können und müssen hier zwei H<strong>in</strong>sichten unterscheiden.