Taschenatlas Augenheilkunde (Thieme Verlag, 2004)
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16 Medikamentöse Nebenwirkungen<br />
226<br />
A. Kortikosteroidinduzierte okuläre<br />
Hypertension/Steroidglaukom<br />
Beim Steroidglaukom handelt es sich um ein sekundäres<br />
Offenwinkelglaukom.<br />
Ätiologie/Pathogenese. Der Anstieg des Intraokulardrucks<br />
ist durch eine Zunahme des trabekulären<br />
Abflusswiderstandes als Folge biochemischer<br />
und morphologischer Veränderungen<br />
der trabekulären Maschenwerkzellen bedingt.<br />
U. a. finden sich Veränderungen der Zellmorphologie<br />
(Zytoskelett, Zellkerngröße), Zellfunktion<br />
(Phagozytose, Zellmigration, Zellproliferation)<br />
und der Zusammensetzung der<br />
Extrazellularmatrix. Die genaue Ätiopathogenese<br />
ist aber noch unklar.<br />
Epidemiologie. Ca. 5 % der gesunden Allgemeinbevölkerung<br />
zeigen innerhalb von 4–6<br />
Wochen einer lokalen Kortikosteroidgabe einen<br />
deutlichen Anstieg des Intraokulardrucks (sog.<br />
„High Responder“, Tab. 1). Neben einer individuellen<br />
Empfindlichkeit wird die Wahrscheinlichkeit<br />
eines intraokularen Druckanstiegs<br />
durch zusätzliche Risikofaktoren (Tab. 2) sowie<br />
Dauer, Art der Applikation, Dosierung und Potenz<br />
des Kortikosteroids beeinflusst.<br />
Klinik. Zu einem Druckanstieg kommt es frühestens<br />
1–2 Wochen nach Beginn der Kortikosteroidtherapie<br />
bis Monate oder Jahre später<br />
bei fortgesetzter Therapie. Im frühen Kindesalter<br />
kann sich ein klinisches Bild ähnlich dem<br />
des kongentialen/juvenilen Glaukoms entwickeln<br />
(s. Kapitel 12). Im späten Kindesalter/Erwachsenenalter<br />
dann klinisches Bild ähnlich<br />
dem des primär chronischen Offenwinkelglaukoms,<br />
d.h. meist symptomloser, schleichender<br />
Beginn mit reizfreiem Auge, erhöhtem Augeninnendruck<br />
und ggf. Papillen- und Gesichtsfeldveränderungen<br />
(A).<br />
Diagnostik. Die Diagnostik besteht in der sorgfältigen<br />
Anamnese einer zurückliegenden oder<br />
gegenwärtigen Kortikosteroideinnahme neben<br />
den beim Glaukom sonst üblichen Untersuchungen<br />
(s. Kapitel 12). Weitere sichtbare kortikosteroidbedingte<br />
Veränderungen (z. B. Sekundärkatarakt)<br />
können die Diagnose unterstützen.<br />
Therapie. Diese besteht wenn immer möglich<br />
primär in einer Beendigung der Kortikosteroidtherapie.<br />
Im Übrigen erfolgt sie ähnlich der<br />
des primär chronischen Offenwinkelglaukoms.<br />
Prognose. Gut, da Normalisierung des Augeninnendrucks<br />
nach Beendigung der Kortikosteroidtherapie<br />
zumeist innerhalb weniger Wochen.<br />
Bei vielen Patienten handelt es sich deshalb<br />
um eine transiente okuläre Hypertension<br />
ohne dauerhafte Optikusschädigung. Eine einmal<br />
eingetretene glaukomatöse Optikusneuropathie<br />
ist irreversibel.<br />
B. Andere Formen der medikamentös<br />
induzierten Steigerung des Intraokulardrucks<br />
Mydriatika/Zykloplegika lösen selten ein akutes<br />
Winkelblockglaukom aus. Es handelt sich<br />
um Augen mit vorbestehend engen Kammerwinkelverhältnissen.<br />
Die Gefahr eines Druckanstiegs<br />
ist deutlich höher bei bereits bekanntem<br />
Glaukom: immerhin > 30 % der Patienten<br />
mit primär chronischem Offenwinkelglaukom<br />
zeigen unter Mydriatikagabe einen Anstieg des<br />
Intraokulardrucks von > 5 mmHg.<br />
Viele Psychopharmaka können in Abhängigkeit<br />
von ihrer gleichzeitig vorhandenen anticholinergen<br />
Wirkung ebenfalls ein akutes Winkelblockglaukom<br />
verursachen. Es handelt sich<br />
um eine sehr seltene Nebenwirkung.<br />
Eine Reihe von unterschiedlichen Wirkstoffen<br />
(v. a. Sulfonamide und Derivate) können sehr<br />
selten über die Vorverlagerung des Iris-Linsen-<br />
Diaphragmas (Winkelblockglaukom ohne Pupillarblock)<br />
aufgrund eines Ziliarkörperödems<br />
eine akute Steigerung des Intraokulardrucks<br />
hervorrufen.<br />
Eine äußerst schwere Nebenwirkung stellt das<br />
Sekundärglaukom als Folge einer intraokularen<br />
Blutung unter Therapie mit Kumarinderivaten<br />
dar (Ba, b). Prädisponiert sind vor allem Patienten<br />
mit exsudativer altersbedingter Makuladegeneration.<br />
Das Krankheitsbild ist therapeutisch<br />
nur schwer beherrschbar und führt in<br />
> 50 % der Fälle zum Verlust des Auges oder zur<br />
Erblindung.<br />
Paradoxe Drucksteigerungen entstehen durch<br />
die lokale Gabe von Antiglaukomatosa. Hierzu<br />
zählt die Verstärkung eines Pupillarblocks<br />
durch Pilocarpin oder der Druckanstieg unter<br />
Kombinationstherapie von Prostaglandinderivaten.<br />
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!<br />
Aus T. Schlote u.a.: <strong>Taschenatlas</strong> <strong>Augenheilkunde</strong> (ISBN 3-13-131481-8) © <strong>2004</strong> Georg <strong>Thieme</strong> <strong>Verlag</strong>, Stuttgart