Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...
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Auch die Heterotopien zerstören sie nicht, denn sie brauchen die „Homotopie“ um wirksam<br />
zu werden, sie unterbrechen sie vielmehr.<br />
Ehrfurcht ist gegenüber dem Raum, „die dem Spurencharakter angemessene Verhaltensweise, die die<br />
Balance zwischen ontologischem <strong>und</strong> funktionalem Verständnis des Kirchenraumes wahrt.“ 153<br />
Das Heterotopie-Konzept ist anschlussfähig an explizite Theoriemodelle <strong>für</strong> den<br />
Kirchenraum, die es möglich machen den Raum körperlich-leiblich wahrzunehmen <strong>und</strong> in<br />
ihm zu „lesen“. In der bisherigen Rezeption zeichnet sich das Potenzial der Heterotopologie<br />
ab, dass beispielsweise Bahr <strong>und</strong> Fries ihr zugestehen, wenn sie darin je eine „Folie“ <strong>für</strong> die<br />
Betrachtung von zukünftigen Aufgaben der Stadtkirche sehen, beispielsweise <strong>für</strong><br />
ökumenische Aufgaben in einem multireligiösen Umfeld. Bahr findet in Foucaults<br />
Heterotopie-Begriff eine Kategorie, die es möglich macht ein „Mehr“ zu beschreiben, das<br />
Kirchenräume aus ihrer „homotopischen“ Umgebung heraushebt. Dieses „Mehr“ nennt sie<br />
„symbolische Ablagerungen“ <strong>und</strong> bestimmt diese später als explizit evangelischen<br />
Heterotopos, den sie in Foucaults Überlegungen auszumachen meint. Das ist spannend, denn<br />
diesen „eschatologischen Zug“ findet auch Schieder in Foucaults Heterotopiebegriff, wenn er<br />
Heterotopien als „markante Einsprüche gegen eine ganz <strong>und</strong> gar verzweckte <strong>und</strong><br />
durchrationalisierte Wirklichkeit […]“ bestimmt. 154 Fries hebt besonders das kritische <strong>und</strong><br />
korrigierende Potential der Kirchen hervor, die „[…] hoffnungsstiftende Heimat gegen die<br />
Illusion eines ‚unbedingt gelingen müssenden Lebens’“ sind. Daraus folgt bei Bahr <strong>und</strong> Fries<br />
praktisches Handeln in der direkten Umgebung, in der „Homotopie“, auf die die Kirche als<br />
Heterotopie bezogen ist. Bahr macht deutlich, dass der notwendigen Fremdheit, die unbedingt<br />
zur Heterotopie gehört <strong>und</strong> die sie besonders betont, die Unverfügbarkeit Gottes <strong>und</strong> seines<br />
Wortes angehört. Aber auch der Aspekt der Heimat, der bei Fries noch deutlicher hervortritt,<br />
ist bei ihr vorhanden. Bei Woydack wird der Bruch, den Heterotopien in ihrer Umgebung<br />
auslösen, besonders deutlich <strong>und</strong> ihre innerste Funktion wird offensichtlich. Die Kirche stellt<br />
hier als Denkmal, welches sie in diesem Falle ist, als Fremdkörper in ihrer neuen<br />
verwandelten Umgebung ein unübersehbares mahnendes Fragezeichen an den Umraum dar.<br />
Auch bei Frick wird deutlich, wie sich der Sakralraum der Gesamtkultur als „Funktions-<br />
Pause“ entgegenstellt. An seinem Beispiel des Freiburger Münsters, in dem sich gerade viele<br />
Touristen aufhalten, fleißig Fotografieren <strong>und</strong> Erzählen, veranschaulicht er wie ein anderer<br />
Raum im Raum entsteht – ein Raum aus Klang, Licht <strong>und</strong> Menschen – der auf eine Art ein<br />
153 Nach Brunner. In Raschzok. <strong>Kirchenbau</strong> <strong>und</strong> Kirchenraum S. 400.<br />
154 Vgl.: Schieder, Rolf. Dorfkirchen als Orte der Identifikation. Kirchbaufördervereine in praktischtheologischer<br />
Perspektive. In: Pastoral-Theologie. 95. Jg. 10/2006, S. 447.<br />
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