Universität Hamburg - Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst ...
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Der Tagesablauf der Jugendtreffen ist sehr klar strukturiert. Das steht einem schnelllebigen<br />
<strong>und</strong> immer komplexer erscheinenden Leben entgegen, in dem jeder immer flexibler <strong>und</strong><br />
scheinbar mobiler sein muss. Auch die Liturgie folgt einem klaren <strong>und</strong> wiederkehrenden<br />
Rhythmus, wobei sie wie bereits erwähnt nicht exakt messbar ist. Diese klaren Strukturen<br />
können so entlastend sie auch sein mögen, sehr einengen! Wenn beispielsweise entstandene<br />
oder genommene Freizeiten von „guards“ hinterfragt werden <strong>und</strong> so unterschwellig Kontrolle<br />
vermittelt wird.<br />
Die beispielsweise in den Kirchen, oder bei der Quelle erfahrbare Ruhe <strong>und</strong> Konzentration<br />
lässt den alltäglichen „Wahrnehmungs-Stress“ der sonst durch Dauerberieselung mit<br />
„Alltagsgeräuschen <strong>und</strong> musikalischen Klängen“ 251 in der „Homotopie“ vorherrschend ist<br />
abfallen <strong>und</strong> können einen wieder zuhören lassen. Die Stille kann aber auch belasten, eben<br />
weil sie häufig fremd geworden ist. Taizé hinterfragt in jedem Fall die Verhältnisse <strong>und</strong><br />
allgemein anerkannten Vorstellungen <strong>und</strong> Regeln des Lebens, des Umgangs miteinander <strong>und</strong><br />
der Kirche.<br />
Bevor ich die Beschreibung der Funktion von Taizé als Heterotopie abschließe möchte ich<br />
noch kurz auf ein Ereignis eingehen: den gewaltsamen Tod Frère Rogers. Er wurde während<br />
des Abendgebets des 16. August 2005 in der Versöhnungskirche erstochen. Diese Tat ist<br />
erschütternd <strong>und</strong> der Ort derselben trägt sein Übriges dazu bei. Frère Francois schreibt über<br />
die Faszination, die Frère Roger unbewusst auf Menschen ausübte <strong>und</strong> dass diese auch in<br />
„Misstrauen oder Aggressivität“ umschlagen kann. 252<br />
„Wenn das Licht zu hell leuchtet, <strong>und</strong> ich denke, was von Frère Roger ausging, konnte blenden, ist das<br />
nicht immer einfach zu ertragen. Dann bleibt nur die Lösung, diese strahlende Lichtquelle auszulöschen,<br />
indem man sie beseitigt.“ 253<br />
Hier fand die denkbar heftigste Form der Kompensation Anwendung <strong>und</strong> damit wird deutlich,<br />
dass Gewalt sich auch an so vermeintlich friedfertigen Orten Bahn brechen kann <strong>und</strong> unter<br />
Menschen nie exkludiert werden kann.<br />
4.3 Taizé – kritisch gestreift<br />
Bereits Anfang der 1970er Jahre kritisierte die französische Zeitung „Le Monde“ die<br />
„‚manipulierte Atmosphäre Taizés’, die Emotionen <strong>und</strong> Sentimentalitäten Jugendlicher<br />
unkontrolliert hervorbrechen ließe.“ 254 Stökl stellt dagegen, dass dies sich am „Auftreten<br />
251 Bubmann. Musik – Religion – Kirche. S. 59.<br />
252 Vgl.: Frère Francois. Wenn das Licht zu hell leuchtet. In: Taizé – Weltdorf. S. 25.<br />
253 Ebenda. S. 26. Der Arzt Bernard de Senaclens über die Mörderin Frère Rogers.<br />
254 Vgl.: Stökl. Taizé. S. 204f.<br />
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